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Der Mieter darf bei der Belegeinsicht auch die Verbrauchsdaten seiner Nachbarn einsehen
Kein Datenschutz bei der Betriebskostenkontrolle
21.05.2018 (GE 09/2018, S. 545) Ein Mieter kann vom Vermieter auch die Einsichtnahme in die von diesem erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer eines gemeinsam versorgten Mietobjekts beanspruchen. Der Darlegung eines besonderen Interesses an dieser Belegeinsicht bedarf es nicht. Ein Mieter ist zur Leistung von Nachzahlungen nicht verpflichtet, solange und soweit der Vermieter einem berechtigten Verlangen nach Belegvorlage nicht nachgekommen ist.
Der Fall: Die Beklagten waren Mieter einer 94 m2 großen Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus des Klägers. Die für die Betriebskosten und den Heizkreis der Mietwohnungen maßgebliche Mietfläche des Hauses betrug insgesamt 720 m². Für die Betriebskosten zahlten die Beklagten eine monatliche Vorauszahlung i.H.v. 200 €. Für die in den Betriebskosten enthaltenen Heizkosten – berechnet nach 30 % der Nutzfläche und 70 % des Verbrauchs – forderte die Klägerin die Beklagten zu einer Nachzahlung i.H.v. 3.491,74 € (für das Jahr 2013) und 3.856,76 € (für das Jahr 2014) auf. Auf die Gesamtverbrauchswerte des Hauses bezogen stellten diese Nachforderungen 42,8 bzw. 47 % des im Gesamtheizkreis berechneten Verbrauchs dar. Im Rahmen des Abrechnungsstreits verlangten die Beklagten von der Klägerin Vorlage bzw. Einsicht in die Ablesebelege der anderen in der Liegenschaft befindlichen Wohnungen. Der erhobenen Forderung kam die Klägerin nicht nach. Sie meinte – und dies war die hier maßgeblich zu entscheidende Rechtsfrage –, ein dahingehendes Einsichts- und Auskunftsrecht des Mieters bestünde nicht. Der Grund für die erhöhten Heizkosten sei in dem Heizverhalten des Mieters belegen.
In den Vorinstanzen wurden die Beklagten zu den eingeforderten Betriebskostennachzahlungen verurteilt. Hiergegen wendet sich die – erfolgreiche – Revision der Beklagten.
Die Entscheidung: Der Bundesgerichtshof stellt zu Beginn seiner Entscheidung fest, dass die Vorinstanzen bereits verkannt hätten, worum der Streit der Parteien im rechtlichen Kern gehe. Er gehe nämlich nicht um die Frage, ob die Vermieterin – was von den Mietern darzulegen und zu beweisen wäre – beim Betrieb der Heizungsanlage dem in § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB geregelten Wirtschaftlichkeitsgebot (Wahrung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses beim Betrieb der Heizungsanlage) gerecht geworden sei. Der Streit gehe nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen vielmehr darum, ob die Mieter die ihnen gegenüber abgerechneten Wärmemengen tatsächlich verbraucht hätten, insbesondere ob die Abrechnungswerte auf unzutreffender Erfassung einzelner Wärmemengen und/oder auf einer fehlerhaften Verteilung der Gesamtwärmemenge des Heizkreises auf die einzelnen Verbraucher zurückzuführen seien. Hieran nämlich orientiere sich auch die maßgebliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Weil das Berufungsgericht die maßgebliche Streitfrage verkannt habe, sei ihm deshalb auch der Blick dafür verstellt gewesen, dass bei einer Nachforderung von Betriebskosten – die der Mieter nach formell ordnungsgemäß erteilter Abrechnung gem. §§ 556 Abs. 1, 3, 556a Abs. 1 BGB, §§ 6 ff. HeizkostenV zu tragen habe – die Darlegungs- und Beweislast für die inhaltliche Richtigkeit der erhobenen Forderung bei der Vermieterin läge (vgl. bereits Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - VIII ZR 27/07 -, GE 2008, 662 = NJW 2008, 1801, Rn. 28).
Die Verpflichtung des Vermieters, Ablesebelege zu den weiteren Wohnungen des Mietshauses vorzulegen, begründet der BGH mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB sowie der allgemeinen Vorschrift des § 259 Abs. 1 BGB. Danach müsse eine vom Vermieter vorzunehmende Abrechnung „eine aus sich heraus verständliche geordnete Zusammenstellung der zu den umzulegenden Betriebskosten im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalten, um es dem Mieter zu ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diese Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil v. 12. November 2014 - VIII ZR 112/14 -, GE 2015, 4 = NJW 2015, 406 Rn. 11)“.
Hierzu gehöre aber auch – so der BGH weiter –, dass Belege, soweit sie erteilt zu werden pflegen, vorzulegen seien und dem Mieter auf dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen gewährt würde, soweit dies etwa zur Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich werde.
Hinsichtlich des Umfangs der Pflicht zur Vorlage und Einsichtnahme folgt der BGH schließlich den allgemeinen Auffassungen im mietrechtlichen Schrifttum und der Instanzrechtsprechung. Hiernach dürfe ein Mieter auch die Einsichtnahme in die vom Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer (eines gemeinsam versorgten Mietobjekts) beanspruchen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Gesamtgebrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimme, ob deren Werte zutreffend seien, oder ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung bestünden. Eines besonderen Interesses für die Belegeinsicht in die Verbrauchswerte der anderen Mieter bedarf es indes nicht; eine entsprechende Beschränkung sei dem allgemein gehaltenen Wortlaut des § 259 Abs. 1 BGB nicht zu entnehmen.
Schließlich entscheidet der BGH die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage, ob nämlich das (wegen der Verweigerung der Belegeinsicht) von den Mietern geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht – welches gem. § 274 Abs. 1 BGB nur die Wirkung einer Zug-um-Zug-Verurteilung zur Folge habe – auch die Abweisung der Klage rechtfertigen könne. Dies bejaht der BGH nunmehr und folgt dabei der Auffassung, dass eine Leistungspflicht des Mieters verneint werde, solange der Vermieter unberechtigt eine begehrte Belegeinsicht verweigere. Begründet wird dies damit, dass der Vermieter durch Verweigerung der Belegeinsicht dem Mieter in vertragsverletzender Weise dessen Recht auf eine vorgreifliche Überprüfung der Abrechnung verhindere, so dass sich sein gleichwohl erhobenes Zahlungsverlangen als eine gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende unzulässige Rechtsausübung darstelle.
Anmerkung: Die Entscheidung ist zu begrüßen und bestätigt bekannte Prinzipien und Rechtsgrundsätze. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast orientiert sich allgemein daran, dass derjenige, der eine für sich günstige Rechtsfolge herbeiführen möchte, die hierfür notwendigen Tatsachen zu beweisen hat. Insoweit muss die Klägerin darlegen und beweisen, dass die Mieter die Wärmemengen (in ihrer auffällig von der Wohnflächenverteilung abweichenden Höhe) tatsächlich verbraucht haben. Als Ausfluss des Gebotes des „venire contra factum proprium“ (widersprüchliches Verhalten) ist es folgerichtig, dass „es sinnwidrig wäre, einen Schuldner, der eine Abrechnung erst noch nachprüfen will, sogleich zur Zahlung des ungeprüften Betrages zu verurteilen, der nach Erhalt der Zug um Zug zu erteilenden Belegeinsicht dann auch so im titulierten Umfang zu erbringen wäre“. Der Sinn einer Abrechnungsüberprüfung liege ja gerade darin – so der BGH –, den Mieter bereits vorab in die Lage zu versetzen, etwaige Abrechnungsfehler aufzudecken.
Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 577 und in unserer Datenbank.
In den Vorinstanzen wurden die Beklagten zu den eingeforderten Betriebskostennachzahlungen verurteilt. Hiergegen wendet sich die – erfolgreiche – Revision der Beklagten.
Die Entscheidung: Der Bundesgerichtshof stellt zu Beginn seiner Entscheidung fest, dass die Vorinstanzen bereits verkannt hätten, worum der Streit der Parteien im rechtlichen Kern gehe. Er gehe nämlich nicht um die Frage, ob die Vermieterin – was von den Mietern darzulegen und zu beweisen wäre – beim Betrieb der Heizungsanlage dem in § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB geregelten Wirtschaftlichkeitsgebot (Wahrung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses beim Betrieb der Heizungsanlage) gerecht geworden sei. Der Streit gehe nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen vielmehr darum, ob die Mieter die ihnen gegenüber abgerechneten Wärmemengen tatsächlich verbraucht hätten, insbesondere ob die Abrechnungswerte auf unzutreffender Erfassung einzelner Wärmemengen und/oder auf einer fehlerhaften Verteilung der Gesamtwärmemenge des Heizkreises auf die einzelnen Verbraucher zurückzuführen seien. Hieran nämlich orientiere sich auch die maßgebliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Weil das Berufungsgericht die maßgebliche Streitfrage verkannt habe, sei ihm deshalb auch der Blick dafür verstellt gewesen, dass bei einer Nachforderung von Betriebskosten – die der Mieter nach formell ordnungsgemäß erteilter Abrechnung gem. §§ 556 Abs. 1, 3, 556a Abs. 1 BGB, §§ 6 ff. HeizkostenV zu tragen habe – die Darlegungs- und Beweislast für die inhaltliche Richtigkeit der erhobenen Forderung bei der Vermieterin läge (vgl. bereits Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - VIII ZR 27/07 -, GE 2008, 662 = NJW 2008, 1801, Rn. 28).
Die Verpflichtung des Vermieters, Ablesebelege zu den weiteren Wohnungen des Mietshauses vorzulegen, begründet der BGH mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB sowie der allgemeinen Vorschrift des § 259 Abs. 1 BGB. Danach müsse eine vom Vermieter vorzunehmende Abrechnung „eine aus sich heraus verständliche geordnete Zusammenstellung der zu den umzulegenden Betriebskosten im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalten, um es dem Mieter zu ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diese Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil v. 12. November 2014 - VIII ZR 112/14 -, GE 2015, 4 = NJW 2015, 406 Rn. 11)“.
Hierzu gehöre aber auch – so der BGH weiter –, dass Belege, soweit sie erteilt zu werden pflegen, vorzulegen seien und dem Mieter auf dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen gewährt würde, soweit dies etwa zur Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich werde.
Hinsichtlich des Umfangs der Pflicht zur Vorlage und Einsichtnahme folgt der BGH schließlich den allgemeinen Auffassungen im mietrechtlichen Schrifttum und der Instanzrechtsprechung. Hiernach dürfe ein Mieter auch die Einsichtnahme in die vom Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer (eines gemeinsam versorgten Mietobjekts) beanspruchen, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Gesamtgebrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimme, ob deren Werte zutreffend seien, oder ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung bestünden. Eines besonderen Interesses für die Belegeinsicht in die Verbrauchswerte der anderen Mieter bedarf es indes nicht; eine entsprechende Beschränkung sei dem allgemein gehaltenen Wortlaut des § 259 Abs. 1 BGB nicht zu entnehmen.
Schließlich entscheidet der BGH die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage, ob nämlich das (wegen der Verweigerung der Belegeinsicht) von den Mietern geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht – welches gem. § 274 Abs. 1 BGB nur die Wirkung einer Zug-um-Zug-Verurteilung zur Folge habe – auch die Abweisung der Klage rechtfertigen könne. Dies bejaht der BGH nunmehr und folgt dabei der Auffassung, dass eine Leistungspflicht des Mieters verneint werde, solange der Vermieter unberechtigt eine begehrte Belegeinsicht verweigere. Begründet wird dies damit, dass der Vermieter durch Verweigerung der Belegeinsicht dem Mieter in vertragsverletzender Weise dessen Recht auf eine vorgreifliche Überprüfung der Abrechnung verhindere, so dass sich sein gleichwohl erhobenes Zahlungsverlangen als eine gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende unzulässige Rechtsausübung darstelle.
Anmerkung: Die Entscheidung ist zu begrüßen und bestätigt bekannte Prinzipien und Rechtsgrundsätze. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast orientiert sich allgemein daran, dass derjenige, der eine für sich günstige Rechtsfolge herbeiführen möchte, die hierfür notwendigen Tatsachen zu beweisen hat. Insoweit muss die Klägerin darlegen und beweisen, dass die Mieter die Wärmemengen (in ihrer auffällig von der Wohnflächenverteilung abweichenden Höhe) tatsächlich verbraucht haben. Als Ausfluss des Gebotes des „venire contra factum proprium“ (widersprüchliches Verhalten) ist es folgerichtig, dass „es sinnwidrig wäre, einen Schuldner, der eine Abrechnung erst noch nachprüfen will, sogleich zur Zahlung des ungeprüften Betrages zu verurteilen, der nach Erhalt der Zug um Zug zu erteilenden Belegeinsicht dann auch so im titulierten Umfang zu erbringen wäre“. Der Sinn einer Abrechnungsüberprüfung liege ja gerade darin – so der BGH –, den Mieter bereits vorab in die Lage zu versetzen, etwaige Abrechnungsfehler aufzudecken.
Den Wortlaut finden Sie in GE 2018, Seite 577 und in unserer Datenbank.
Autor: Friedrich Garbe, H2MK Rechtsanwälte
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