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FG Münster hält § 2 ABS. 3 ESTG für verfassungswidrig
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Mindestbesteuerung
06.12.2000 (GE 23/2000, 1607) Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 hat eine sogenannte Mindestbesteuerung eingeführt, die den Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten begrenzt. Vor allem Steuerpflichtige mit negativen Einkünften aus V+V sind davon betroffen. Doch diese Bestimmung ist möglicherweise verfassungswidrig.
Das Finanzgericht Münster hat in zwei Entscheidungen (Az.: 4 V 1612/00 E und 4 V 1617/00 E) erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geänderten § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) geäußert. Die Richter sehen in dieser Mindestbesteuerung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz.

Die Mindestbesteuerung
Durch den neugefaßten § 2 Abs. 3 EStG wird der Verlustausgleich zwischen den einzelnen Einkunftsarten auf jährlich 100.000 DM für Ledige bzw. 200.000 DM für zusammen veranlagte Verheiratete begrenzt. Soweit positive Einkünfte diese Beträge übersteigen, dürfen sie durch negative Einkünfte anderer Einkunftsarten nur noch bis zur Hälfte gemindert werden. Noch verbleibende Verluste werden gem. § 10 d EStG als Verlustvortrag in das nächste Jahr vorgetragen, können aber auch in gewissen Grenzen in das vorangegangene Veranlagungsjahr zurückgetragen werden. Sie unterliegen in diesen Veranlagungsjahren wiederum der Beschränkung des Verlustausgleiches gem. § 2 Abs. 3 EStG.
Diese Neuregelung trifft insbesondere Steuerpflichtige mit negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wie das folgende Beispiel zeigt:

Begrenzung des Verlustausgleiches
Ein lediger Steuerpflichtiger mit positiven Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit in Höhe von 200.000 DM hat sich entschlossen, in 2000 ein neues Mietwohngebäude mit zehn Wohnungen anzuschaffen. Aufgrund der degressiven AfA und der Schuldzinsen erzielt er in den ersten fünf Jahren nach Anschaffung negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 200.000 DM. Einkünfte aus weiteren Einkunftsarten erzielt er nicht. Nach dem bis 1998 geltenden Einkommensteuerrecht hätte der Steuerpflichtige bereits ohne Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen ein zu versteuerndes Einkommen von Null erzielt.
Aufgrund des neugefaßten § 2 Abs. 3 EStG kann er die Verluste aus Vermietung und Verpachtung bis zur Höhe von 100.000 DM ungeschmälert in 2000 verrechnen. Es verbleiben positive Einkünfte in Höhe von 100.000 DM. Die noch übrig gebliebenen Verluste aus Vermietung und Verpachtung kann er aber nur bis zur Hälfte der verbliebenen positiven Einkünfte geltend machen, also in Höhe von 50.000 DM. Sofern er keine Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen geltend machen kann, hat er in 2000 50.000 DM zu versteuern. Die noch verbleibenden Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 50.000 DM kann er in das Jahr 1999 zurücktragen und - sofern möglich - mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnen.
Sofern die positiven Einkünfte des Steuerpflichtigen nicht ansteigen, wird er im Jahre 2001 ebenfalls wieder nur 150.000 DM der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verrechnen können. Die verbleibenden Verluste in Höhe von 50.000 DM aus 2001 müssen nun in jedem Fall in das Jahr 2002 vorgetragen werden, da ein Verlustrücktrag in das Jahr 1999 aufgrund der vollständig ausgeschöpften Möglichkeiten der Verrechnung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung keinen Vorteil bieten würde.
Mittelfristig hat die Begrenzung des Verlustausgleiches durch den neugefaßten § 2 Abs. 3 EStG die Ansammlung eines großes „Verlustvortragsbauches“ zur Folge, der erst in späteren Jahren langsam abgebaut werden kann.

Entscheidung des FG Münster
Das Finanzgericht Münster hält die Regelung des neugefaßten § 2 Abs. 3 EStG für eine Verletzung des sich aus dem Artikel 3 des Grundgesetzes ergebenden sogenannten Nettoprinzips. Danach dürfe nur das tatsächlich verfügbare Einkommen zur Berechnung der Einkommensteuer dienen. Durch die Begrenzung der Verlustverrechnung werde dies jedoch verhindert.
Obwohl Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzgericht Münster zunächst nur die Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen Steuerbescheide war, ist zu erwarten, daß das Finanzgericht Münster auch im Hauptsacheverfahren entsprechende erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG äußern wird. Infolgedessen ist damit zu rechnen, daß diese Problematik demnächst dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird.

Schlußbemerkung
Steuerpflichtige, für die der neugefaßte § 2 Abs. 3 EStG den Verlustausgleich einschränkt, können unter Hinweis auf die Entscheidung des Finanzgerichtes Münster Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen. Da das Bundesministerium der Finanzen aber bereits erklärt hat, an dem neugefaßten § 2 Abs. 3 EStG und der damit verbundenen Mindestbesteuerung festhalten zu wollen, ist mit einer entsprechenden Ablehnung der Einsprüche zu rechnen.
Etwas anderes würde sich aber ergeben, wenn das Finanzgericht Münster im Hauptsacheverfahren entsprechend entscheidet und die verfassungsrechtlichen Zweifel dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung vorlegen wird. Steuerpflichtige könnten in diesem Fall Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen und mit Hinweis auf ein vor dem Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren gem. § 363 Abs. 2 Abgabenordnung ein Aussetzen und Ruhen des Verfahrens bis zur verfassungsrechtlichen Klärung beantragen. Erfahrungsgemäß wird die Finanzverwaltung einen entsprechenden Hinweis aber erst dann akzeptieren, wenn ein Aktenzeichen von der Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichtes vergeben worden ist.
Autor: Norbert Schneider