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Unisextoiletten
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27.01.2017 (GE 02/2017, S. 66) Ich bin geneigt zu glauben, dass man dem neuen Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen), Unrecht tut, wenn ihm Zeitungen und Leserbriefe vorwerfen, seine „dringenden Geschäfte“ sei die Planung von Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden (Tagesspiegel). Die Abgeordnetenhaus-Drucksache 18/0060 („Hürden im Alltag beseitigen – Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden einrichten“) mag Behrendts erste gewesen sein, auch so dringend, dass sie noch vor Weihnachten (am 23. Dezember 2016) die Senatsverwaltung in Richtung Abgeordnetenhaus verlassen musste. Aber dass Behrendt damit ein Zeichen setzen wollte, was ganz oben auf seiner politischen Agenda steht, oder dass er zeigen wollte, dass die Justizverwaltung nach dem Verbraucherschutz jetzt auch für Antidiskriminierung zuständig ist, ist weit hergeholt.
Ausgangspunkt dieser ganzen Überflüssigkeit waren ausnahmsweise mal nicht die Grünen, sondern die Piratenfraktion. Die Piraten hatten sich in einem Antrag aus dem Frühjahr 2014 gegrämt, dass „der Zwang zur Entscheidung bei Toilettenbesuchen in öffentlich zugänglichen Räumen Inter*- und Trans*-Personen vor große Herausforderungen“ stelle, weil „Personen, deren Geschlecht sichtbar nicht ihrem biologischen Geschlecht entspricht, sich bei jedem Gang zur Toilette entweder dem Geschlecht ihres Körpers zuordnen oder sich dem Risiko aussetzen (müssen), auf der anderen Toilette als ‚fremde Eindringlinge‘ wahrgenommen und konfrontiert zu werden“. Und weil das nach Wahrnehmung der Piraten in Berlin offenbar ein Massenproblem ist, müsse der Senat prüfen, in welchen öffentlichen Gebäuden zusätzlich zu den Damen- und Herrentoiletten Unisextoiletten eingerichtet werden könnten. Dabei soll geprüft werden, welche bereits vorhandenen geschlechtergetrennten Toiletten in Unisextoiletten umgewandelt werden können. SPD und CDU haben daraufhin erst einmal den Senat aufgefordert, zu prüfen, in welchen öffentlichen Gebäuden bei Neu- oder Umbaumaßnahmen Unisextoiletten eingerichtet werden können, was das kostet und ob man nicht vorhandene geschlechtergetrennte Toiletten durch Auswechseln der Schilder in Unisextoiletten umwandeln könne. Darüber sei den Abgeordneten zu berichten. Das tat die bisherige Toilettenzuständige Senatorin Dilek Kolat schon dreimal, ohne dass sich bisher irgendein Journalist darüber aufgeregt oder Dilek Kolat gefragt hätte, ob sie kein dringenderes Problem hat. In Kolats letztem, dem 3. Zwischenbericht Mitte 2016 hieß es am Ende, dass die Ergebnisse eines in Auftrag gegebenen Gutachtens „spätestens bis 15. Oktober 2016 vorliegen“ und „ein Schlussbericht voraussichtlich zum Ende des Jahres 2016 erstellt werden (kann)“. Und weil unsere Beamten Termine auch schon mal einhalten (wenn es nicht gerade um Baugenehmigungen oder Planungsverfahren geht), lag vermutlich Mitte Dezember auf dem Schreibtisch des nunmehr – qua Amt (Antidiskriminierung) – für Unisextoiletten zuständigen Dirk Behrendt ein 4. Zwischenbericht mit der weltbewegenden Erkenntnis, dass in allen öffentlichen Objekten des Landes Berlin „WCs für alle Geschlechter ohne Nutzungseinschränkungen möglich sind“. Und den hatte der neue Justizsenator schlicht nur noch zu unterschreiben und an das Abgeordnetenhaus zu schicken. Der nächste „Schlussbericht“ in der Sache folgt zum 30. Juni 2017. Wenn Dirk Behrendt dann immer noch Justizsenator ist (bei der Koalition weiß man nie), kann man die Schlagzeilen der Berliner Zeitungen ohne Mühe vorhersagen: „Justizsenator lässt nicht locker: Behrendt hält an Unisextoiletten fest.“ Bis dahin kann er sich ja mit dem „Stillstand der Rechtspflege“ – so eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) – beschäftigen. Beim Amtsgericht Tiergarten beispielsweise, das seit Frühjahr 2012 seine zivilrechtliche Zuständigkeit an das Amtsgericht Mitte abgetreten hat, brachten es die bis zum Amtsgerichts-Wechsel anhängigen Verfahren 2015 auf die stolze Verfahrensdauer von 47,2 Monaten. Ansonsten sind unsere Amtsrichter fleißig. Die meisten ziehen ihre Verfahren (Zivilsachen in erster Instanz) in drei bis vier Monaten durch. Unrühmliche Ausnahme: Das AG Mitte brauchte in den letzten fünf Jahren immer mehr als ein halbes Jahr (Schnitt derzeit: 7,4 Monate). Immer noch besser als das VG Berlin (9,6 Monate) oder Sozialgericht (15,7 Monate). 
Autor: Dieter Blümmel


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