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Anschluss- und Benutzungszwang an Fernwärmeversorgung aus Klimagründen erleichtert
Nicht immer ist ein Klimaschutzgutachten erforderlich
30.01.2017 (GE 01/2017, S. 21) Gemeinden können von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen (§ 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz – EEWärmeG –). Wie das Bundesverwaltungsgericht jetzt entschieden hat, müssen die Gemeinde- und Stadträte vor Erlass einer solchen Satzung nicht immer ein aufwendiges Gutachten über die klimatischen Auswirkungen der Maßnahme einholen.
Der Fall: Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Halberstadt und einer dortigen Wohnungsbaugenossenschaft zugrunde. Die Stadt beschloss am 27. September 2012 eine Satzung, mit der für einen Teil des Stadtgebiets zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung angeordnet wurde. Die Genossenschaft stellte dagegen einen Normenkontrollantrag und bestritt, dass mit dem Anschluss der Grundstücke an die Fernwärmeversorgung im konkreten Fall Vorteile für den Klimaschutz verbunden seien. Das OVG hat die Satzung in wesentlichen Teilen für unwirksam erklärt, weil ein dringendes öffentliches Bedürfnis im Sinne des § 8 Nr. 2 Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO) nicht hinreichend festgestellt sei. Die Stadt habe es vor dieser Anordnung unterlassen, den dafür erforderlichen gutachterlichen Vergleich der zu erwartenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung durchzuführen.

Das Urteil: Das BVerwG hat der Revision der Stadt stattgegeben und festgestellt, dass § 16 EEWärmeG als bundesrechtliche Erweiterung für die Ermächtigung der Kommunen, einen Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen, zwar in einem bestimmten Umfang Raum lässt für eine ergänzende Anwendung von Landesrecht. Jedoch ermächtigt die Vorschrift die Länder nicht, die Anforderungen in Bezug auf den globalen Klimaschutz zu verschärfen. § 8 Nr. 2 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO) kann daher nicht als Grundlage für zusätzliche Erfordernisse herangezogen werden. Aber: Nach dem EEWärmeG kann ein gutachterlicher Vergleich der zu erwartenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschluss- und Benutzungszwang nicht generell gefordert werden. Wenn die Fernwärmeversorgungseinrichtung in einem bestimmten Mindestmaß mit erneuerbaren Energien, mit Abwärme oder Kraft-Wärme-Kopplung betrieben wird, das in Anlage VIII des Gesetzes definiert ist, so spricht eine generelle Vermutung dafür, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Wohngebieten dem Klima- und Ressourcenschutz dient. Erfüllt sie diese Anforderungen nicht, bedarf es allerdings in der Regel einer konkreten Vergleichsberechnung in Bezug auf die gesamtklimatischen Auswirkungen. Da das OVG noch nicht geprüft hat, ob die Fernwärmeeinrichtung der Stadt den Anforderungen der Anlage VIII des EEWärmeG entspricht, hat das BVerwG die Sache zurückverwiesen.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 57 und in unserer Datenbank


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