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Mieterhöhung: Spagat zwischen zwei Mietspiegeln
Einer gilt vor und einer im Prozess
01.04.2016 (GE 05/2016, S. 290) Für ein Mieterhöhungsverlangen gilt der im Zeitpunkt der Zustellung bekannte Mietspiegel. Für die Bestimmung der ortsüblichen Miete im Prozess dagegen gilt der zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens gültige Mietspiegel. Darüber hinaus rechtfertigt der bloße Einwand, der Mietspiegel 2015 sei unbrauchbar, weil er trotz eines allgemeinen Mietanstiegs in einigen Feldern gleiche oder nur geringfügig höhere Werte aufweist als der Mietspiegel 2013, nicht die Einholung eines Sachverständigenbeweises.
Der Fall: Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über eine 92,05 m2 große 4-Zimmer-Wohnung in Reinickendorf. Mit am 29. April 2015 zugestellten Schreiben vom24.April2015begehrtedieVermieterin (Klägerin) von den Mietern (Beklagte) auf Basis des Berliner Mietspiegels 2013 die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 791,63 € (8,60 €/m2) auf 869,87 € (9,45 €/m2).
Mit Schreiben vom 20. Juli 2015 stimmten die Mieter lediglich einer Mieterhöhung auf 828,45 € (9,00 €/m2) zu und vertraten die Auffassung, der zwischenzeitlich verkündete Mietspiegel 2015 sei hier zugrunde zu legen.

Das Urteil: Das AG Wedding wies die Klage der Vermieterin als unbegründet ab. Grundlage zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sei der Berliner Mietspiegel 2015, denn abzustellen sei nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mieterhöhungsverlangens, auch dann, wenn dieser zwischen dem Stichtag des neuen Mietspiegels und dessen Verkündung liege. Zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete zum Zeitpunkt der Mieterhöhung sei der spätere Mietspiegel besser geeignet, da der Zeitpunkt der Datenerhebung des neuen Mietspiegels näher liege. Eine unzulässige Rückwirkung sei darin nicht zu sehen, da die Ortsüblichkeit keine Rechtsfrage, sondern lediglich eine Tatsachenfeststellung sei.

Anmerkung: Das AG Wedding liegt mit der Entscheidung auf der Linie des LG Berlin, das in einem ähnlichen Fall in Bezug auf den Mietspiegel 2003 gemeint hatte, für das Mieterhöhungsverlangen gelte der zu diesem Zeitpunkt bekannte Mietspiegel. Für die Bestimmung der ortsüblichen Miete im Prozess dagegen gelte der zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens gültige Mietspiegel (Urteil vom 22. März 2004, GE 2004, 626). Ähnlich sieht es aus, wenn der neue Mietspiegel erst während des Prozesses veröffentlicht wird (LG Berlin, Urteil vom 16. November 1992, GE 1993, 95).
Nach Ansicht des AG Wedding handelt es sich darüber hinaus beim Mietspiegel 2015 um einen qualifizierten und beim Mietspiegel 2013 zumindest um einen einfachen. Die Aussage ist schwerlich haltbar, denn der Berliner Mietspiegel 2015 ist nur ein fortgeschriebener Mietspiegel, d. h., ihm liegt dieselbe Datenauswahl und Systematik zu Grunde wie dem Mietspiegel 2013; ist mithin jener einfach, ist dieser es auch. Offensichtlich meinte die Vermieterin in einem nachgelassenen Schriftsatz, der Mietspiegel 2015 könne deshalb nicht herangezogen werden, weil die Mieten in Berlin in allen Segmenten gestiegen seien und es daher nicht sein könne, dass der hier maßgebliche obere Spannenwert des Feldes L5 niedriger sei als im zwei Jahre älteren Mietspiegel 2013. Ohne konkrete Auseinandersetzung mit der Datenerhebung und -verarbeitung bestünde allerdings kein Grund zur Einholung eines Sachverständigengutachtens.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 333 und in unserer Datenbank)


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