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Zurückbehaltungsrecht ohne klare Regeln
Höhen- und Dauerbegrenzung ungewiss
02.03.2016 (GE 03/2016, S. 158) Bei Mängeln steht dem Mieter neben dem Minderungsrecht ein Zurückbehaltungsrecht als Druckmittel zu, um den Vermieter zur Instandsetzung zu veranlassen. Wenn es über einen längeren Zeitraum ausgeübt wird, kann es eine beträchtliche Höhe erreichen. Das widerspricht den Besonderheiten des Mietverhältnisses als Dauerschuldverhältnis, wie der BGH jetzt wieder betont hat.
Der Fall: Die Mieter hatten wegen Feuchtigkeitsschäden (Schimmel) nur ungefähr die Hälfte der vereinbarten Miete gezahlt; mehrere fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigungen der Vermieterin waren in zwei Instanzen erfolglos. Das Landgericht Berlin meinte, die Miete sei um 20 % gemindert, und im Übrigen hätten die Mieter ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des dreifachen Minderungsbetrages, weswegen die Voraussetzungen für eine Kündigung nicht vorlägen. Eine weitere Kündigung, die im Berufungsverfahren wegen der erneut aufgelaufenen Mietrückstände ausgesprochen wurde, sei als unzulässige Klageänderung nicht zu berücksichtigen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Der Beschluss: Die Nichtzulassungsbeschwerde der Vermieterin war erfolgreich. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass hier der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden sei, indem die während des Berufungsverfahrens ausgesprochene Kündigung vom Landgericht nicht berücksichtigt wurde. Der Vortrag zu neuen Zahlungsrückständen sei unbestritten, so dass schon deshalb das Berufungsgericht ihn hätte berücksichtigen müssen. In die Klageänderung hätten die Beklagten still eingewilligt; darüber hinaus sei sie auch sachdienlich gewesen. Für das weitere Verfahren gab der BGH dem Landgericht folgende Hinweise: Das Zurückbehaltungsrecht könne nicht ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden und müsse in Relation zur Bedeutung des Mangels stehen.
Anmerkung der Redaktion: Vermieter und Mieter sind einigermaßen ratlos, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum denn nun ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann. Der Bundesgerichtshof sah sich nicht veranlasst, wie bei der Rechtsprechung zur Wohnflächenabweichung eine praktikable Grenze (10 %) festzulegen, sondern meint, das müsse „vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben“ (GE 2015, 1093) beantwortet werden. Ob man daraus folgert, dass für jeden abgelaufenen Monat das Zurückbehaltungsrecht entfällt, der Mieter also dann die volle Miete nachzahlen muss (so wohl Schach, GE 2015, 1059), oder ob man die Grenze dahin zieht, dass bei Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts über einen längeren Zeitraum insgesamt nicht mehr als das Dreifache der voraussichtlichen Reparaturkosten einbehalten werden darf (so Beuermann, GE 2000, 1586), bleibt offen. Der Rechtsanwalt eines Mieters wird wohl eher davon abraten, überhaupt ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 191 und in unserer Datenbank)
Der Beschluss: Die Nichtzulassungsbeschwerde der Vermieterin war erfolgreich. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass hier der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden sei, indem die während des Berufungsverfahrens ausgesprochene Kündigung vom Landgericht nicht berücksichtigt wurde. Der Vortrag zu neuen Zahlungsrückständen sei unbestritten, so dass schon deshalb das Berufungsgericht ihn hätte berücksichtigen müssen. In die Klageänderung hätten die Beklagten still eingewilligt; darüber hinaus sei sie auch sachdienlich gewesen. Für das weitere Verfahren gab der BGH dem Landgericht folgende Hinweise: Das Zurückbehaltungsrecht könne nicht ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht werden und müsse in Relation zur Bedeutung des Mangels stehen.
Anmerkung der Redaktion: Vermieter und Mieter sind einigermaßen ratlos, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum denn nun ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann. Der Bundesgerichtshof sah sich nicht veranlasst, wie bei der Rechtsprechung zur Wohnflächenabweichung eine praktikable Grenze (10 %) festzulegen, sondern meint, das müsse „vom Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben“ (GE 2015, 1093) beantwortet werden. Ob man daraus folgert, dass für jeden abgelaufenen Monat das Zurückbehaltungsrecht entfällt, der Mieter also dann die volle Miete nachzahlen muss (so wohl Schach, GE 2015, 1059), oder ob man die Grenze dahin zieht, dass bei Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts über einen längeren Zeitraum insgesamt nicht mehr als das Dreifache der voraussichtlichen Reparaturkosten einbehalten werden darf (so Beuermann, GE 2000, 1586), bleibt offen. Der Rechtsanwalt eines Mieters wird wohl eher davon abraten, überhaupt ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 191 und in unserer Datenbank)
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