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Architekt kann innerhalb der Verjährungsfrist (fast) immer nachfordern
Zwingendes Preisrecht der HOAI
29.02.2016 (GE 02/2016, S. 92) Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure sind durchsetzbar.
Der Fall: Im März 2005 beauftragt der Bauherr AG den Architekten AN mit Architektenleistungen für den Abriss und Neubau zweier Gebäude. Die Parteien vereinbarten in den zusätzlichen Vertragsbedingungen ein Pauschalhonorar für die Phasen 1 bis 9 von 60.000 € netto. Vereinbarungsgemäß stellte der AN vier Abschlagsrechnungen und am 30. Dezember 2006 die„letzte Abschlagspauschale“ in Höhe von 15.000 € netto. Mit diesem Betrag stellte der AN den letzten Teilbetrag der vereinbarten Pauschalsumme in Rechnung. Diese zahlte der AG trotz anfänglicher Beschwerden vollständig, wobei er den letzten Teilbetrag der letzten Rechnung im März 2007 beglich. Der AN stellte eine Quittung aus, in der er den erhaltenen Betrag als „Restbetrag vor der Abschlussrechnung für Architektenhonorar“ bezeichnete. Im Jahre 2008 stellte der AN dem AG eine„Teilschlussrechnung“ über (weitere) 58.871,03 €, wobei er diesen Betrag während des Klageverfahrens später noch auf 62.346,33 € erhöhte. Das LG verurteilte den AG zur Zahlung eines Teilbetrages, das Berufungsgericht wies die Klage des AN vollständig ab.

Das Urteil: Der BGH verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück und wies darauf hin, es habe zunächst zu untersuchen, ob die vereinbarte Pauschalsumme die Mindestsätze nach der für den Vertrag einschlägigen Fassung der HOAI (1996/2002) unterschreite und daher die Honorarvereinbarung unwirksam sei.
In diesem Fall stehe dem AN das Mindesthonorar nach der HOAI zu, selbst wenn er in der Schlussrechnung eine geringere Summe gefordert habe. Dies sei nicht mit einem Verzicht auf das durch die HOAI festgesetzte Mindesthonorar gleichzusetzen. In der letzten gestellten Rechnung sei eine Schlussrechnung zu sehen, auch wenn sie als„letzte Abschlagsrechnung“ bezeichnet wurde; denn erkennbar hatte der AN die Vertragsleistung abschließend berechnen wollen. Auch die erteilte Quittung spreche dafür. Das führe aber ebenfalls nicht dazu,
dass der AN keine weiteren Forderungen stellen dürfe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstoße es auch bei dem vorgenannten Sachverhalt nicht gegen Treu und Glauben, weitere Ansprüche geltend zu machen. Das sei nur der Fall, wenn der AG auf die erfolgte abschließende Berechnung des Honorars vertrauen dürfe und er sich deshalb darauf so eingerichtet habe, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden könne. Dabei sei irrelevant, ob die Forderung aus der Differenz zwischen vertraglich vereinbartem und sich preisrechtlich ergebendem Honorar resultiere. Es reiche nicht aus, dass der AG davon ausgegangen ist, keine weitere Rechnung zu erhalten, oder dass er die Schlussrechnung beglichen habe. Eine allgemeine Lebenserfahrung, nach der der AG sich nach einer bestimmten Zeit darauf eingerichtet hat, nichts mehr zahlen zu müssen, gäbe es nicht. Die Nachforderung müsse unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine „besondere Härte“ darstellen, später mit weiteren Honorarforderungen konfrontiert zu werden.

Praxistipp: Der BGH bestätigt erneut die Schutzwürdigkeit der Mindestsätze der HOAI. Das zwingende Preisrecht kann nur in Ausnahmesituationen unterschritten werden. Es empfiehlt sich daher, von Beginn an im Honorargefüge der HOAI zu bleiben. Mit der hiesigen Entscheidung wird die bisherige Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 105/07 - ) bestätigt. Eine Schlussrechnungsstellung stellt keinen Ausschlussgrund für Nachforderungen dar. Nur wenn sich der AG nachweislich darauf einrichtet, dass keine Forderung mehr zu erwarten ist, kann er sich mit diesem Einwand verteidigen. Was genau der BGH unter „darauf einrichten“ versteht, lässt er allerdings auch in dieser Entscheidung (wie auch in den ähnlich gelagerten Fällen vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 105/07 - oder vom 22. April 2010 - VII ZR 46/07 -) offen. Davon wird man möglicherweise ausgehen können, wenn der AG nach Zahlung der Rechnung mit weiteren zur Verfügung stehenden Geldern andere Ausgaben tätigt und nachweisen kann, dass dies in zeitlichem und inhaltlichem Zusammenhang stand.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 121 und in unserer Datenbank)
Autor: Dr. Petra Sterner


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