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Wirtschaftlicher Verlust
09.10.2000 (GE 4/2000, 267) Stückzinsenmodell kann Mißbrauch sein.
Von Seit dem Jahr 1994 haben viele Steuerpflichtige ihre Steuerschuld dadurch gesenkt, daß sie kurz vor Ende des Jahres Anleihen erworben haben, die möglichst kurze Zeit nach Beginn des neuen Jahres fällig wurden, jedenfalls aber ihren nächsten Zinstermin erst im nächsten Jahr hatten.
Der Steuerspareffekt ergab sich zum einen aus dem Sparerfreibetrag, der seit 1993 für Alleinstehende 6.000 und für zusammenveranlagte Ehegatten 12.000 DM beträgt. Die im Jahr 02 bei Fälligkeit vereinnahmten Zinsen bleiben steuerfrei, soweit sie unter dem Sparerfreibetrag - zuzüglich Werbungskostenpauschbetrag von 100/200 DM - liegen. Die an den Veräußerer bei der Anschaffung im Jahr 01 gezahlten Stückzinsen stellen bei dem Erwerber negative Einnahmen aus Kapitalvermögen dar.
Bis zum Jahre 1993 war allerdings geregelt, daß der Erwerber die gezahlten Stückzinsen nur von den vereinnahmten Zinsen aus der betreffenden Anleihe abziehen konnte. Wurden die Zinserträge erst im folgenden Veranlagungszeitraum fällig, machten sich die bei der Anschaffung gezahlten Stückzinsen auch erst in diesem Jahr steuerlich bemerkbar. Nur die Differenz zwischen den erhaltenen und den gezahlten Stückzinsen war zu versteuern.
Seit dem Jahr 1994 können die gezahlten Stückzinsen aufgrund einer entsprechenden Änderung des Gesetzes bereits im Jahr der Bezahlung von den übrigen Einkünften abgezogen werden. Hat man den Sparerfreibetrag nicht schon durch andere Kapitaleinkünfte verbraucht, kann man durch das Stückzinsmodell im Jahr der Anschaffung sein Einkommen um die gezahlten Stückzinsen vermindern, während die im Folgejahr erhaltenen Stückzinsen aufgrund des Sparerfreibetrages steuerfrei bleiben.

Mißbräuchlich bei Verlust ohne Steuervorteil
Da die Anschaffung der Wertpapiere in aller Regel mit Fremdmitteln finanziert wurde, versuchte man die Zeitspanne zwischen Anschaffung und Zinstermin möglichst gering zu halten. Man kaufte deshalb die Papiere erst gegen Ende des Jahres und suchte sich solche Papiere aus, deren Zinstermin oder Fälligkeit bald nach Anfang des nächsten Jahres lag. Die Finanzverwaltung hat in mehreren Anweisungen die Auffassung vertreten, eine solche Gestaltung sei mißbräuchlich, wenn sich - ohne den Steuervorteil - wirtschaftlich ein Verlust aus dem Geschäft ergibt.
Der Bundesfinanzhof hat nunmehr mit Urteil vom 27. Juli 1999 der Finanzverwaltung recht gegeben (Az.: VIII R 36/98, Der Betrieb 1999, S. 2292). Das Gericht hat zunächst geprüft, ob es sich bei dem Geschäft nicht um eine sogenannte Liebhaberei handelt, die steuerlich unbeachtlich ist. Dazu hat es die im Jahre 02 erzielten Zinseinnahmen den Werbungskosten gegenübergestellt. Hierzu zählen neben den Stückzinsen auch die Schuldzinsen, die der Anleger zur Finanzierung der Wertpapiere gezahlt hat. Dabei ergab sich ein Überschuß, so daß die Einkünfteerzielungsabsicht zu bejahen ist (keine Liebhaberei).
Die Besonderheit besteht darin, daß bei dieser Berechnung nur die steuerlich relevanten Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden dürfen. Dagegen dürfen die sogenannten Transaktionskosten, d. h. die Gebühren, welche die Bank für den An- und Verkauf der Wertpapiere berechnet, nicht abgezogen werden, weil diese steuerlich nicht zu den Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern zu den Anschaffungskosten der Wertpapiere gehören. Auch der Kursverlust zwischen An- und Verkauf bleibt insofern außer Betracht, weil es sich dabei um den Veräußerungsverlust handelt, der im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erfaßt wird.
Der Bundesfinanzhof hat deshalb noch eine zweite Überlegung angestellt, nämlich ob das Geschäft - abgesehen von dem Steuervorteil - für den Anleger irgendeinen wirtschaftlichen Sinn macht. Dabei hat er den Zinseinnahmen nicht nur die steuerlichen Werbungskosten gegenübergestellt, sondern sämtliche Kosten, die den Anlegern durch das Geschäft entstanden sind. Zieht man von den Zinseinnahmen aber neben den - negativen - Stückzinsen und den Darlehenszinsen auch den Kursverlust und die Gebühren der Bank ab, so ergab sich insgesamt ein Verlust.
Da das gesamte Geschäft somit wirtschaftlich nachteilig war und sein Sinn und Zweck nur darin bestehen konnte, Steuern zu sparen, hat der Bundesfinanzhof einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten angenommen und die erklärten negativen Einnahmen des Jahres 01 nicht anerkannt. In Zukunft muß deshalb bei der Gestaltung solcher Modelle darauf geachtet worden, daß sich auch nach Berücksichtigung der Bankgebühren und des Kursverlustes ein positives Ergebnis ergibt. Allerdings ist der Kursverlust m. E. nur dann abzuziehen, wenn er bereits bei Ankauf der Wertpapiere sicher oder zumindest wahrscheinlich war. Werden die Papiere Anfang des Folgejahres fällig, steht der Kursverlust aber mit Sicherheit fest. Für die Zukunft ist außerdem zu bedenken, daß der Sparerfreibetrag durch das Steuerentlastungsgesetz vom Jahr 2000 an auf die Hälfte (3000/6.000 DM abgesenkt worden ist.
Autor: VRiFG Hans-Joachim Beck