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Begründete Einwände gegen Weisung: Notar muss Vertragsparteien auf den Rechtsweg verweisen
Vorsicht mit Anweisungen zur Löschung von Auflassungsvormerkungen
19.02.2016 (GE 01/2016, S. 22) Wird die Wirksamkeit einer Weisung von einer Vertragspartei nachvollziehbar bestritten, darf der Notar sie nicht ausführen, wenn dem Widersprechenden sonst ein Verlust seiner Rechte droht. Er hat stattdessen auf den Rechtsweg zu verweisen.
Der Fall
Ein Verbraucher erwirbt von einem Bauträger eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Er leistet auf den Kaufpreis die vereinbarten Raten gemäß Baufortschritt. Als nur noch ein geringfügiger Restbetrag des Kaufpreises (ca. 2,5 %) offen ist, entsteht Streit zwischen den Vertragsparteien über die ordnungsgemäße Herstellung der Wohnung, und der Käufer macht wegen seiner (angeblichen) Gewährleistungsansprüche ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Der Bauträger erklärt darauf den Rücktritt vom Vertrag und verlangt vom Notar, die zugunsten des Käufers eingetragene Auflassungsvormerkung löschen zu lassen. Der Notar, dem im Kaufvertrag die Anweisung und Vollmacht erteilt ist, die Löschung zu veranlassen, wenn der Käufer ihm nicht binnen 14 Tagen nachweist, dass er seiner Zahlungspflicht nachgekommen ist, kündigt mit notariellem Vorbescheid an, die Löschung zu veranlassen. Hiergegen legt der Käufer Beschwerde ein.
Das Urteil
Während das Landgericht der Beschwerde mit der Begründung stattgibt, der Notar habe die widerstreitenden Interessen nicht abgewogen, nutzt der mit der Rechtsbeschwerde angerufene BGH die Vorlage, um grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit Anweisungen, die dem Notar im Kaufvertrag erteilt werden, zu klären: Bevor der BGH auf die eigentlichen Fragen eingeht, stellt er klar, dass es unerheblich ist, dass die Weisung, die Auflassungsvormerkung zu löschen, nach ihrem Wortlaut dem Notariatsangestellten und nicht dem Notar selbst erteilt worden ist. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen zur Ausführung einer Weisung vorliegen, sei immer ureigene Aufgabe des Notars.
Erster Eckpfeiler der Entscheidung ist die Bestätigung des Grundsatzes, dass der Notar „die ihm im Kaufvertrag erteilten Weisungen streng zu befolgen und mit an ihrem Wortlaut orientierter Genauigkeit zu beachten hat, ohne dass es auf außerhalb des Auftrags liegende Umstände ankommt“.
Nach diesem Grundsatz kommt der BGH – durch Auslegung der Anweisung – zu dem Ergebnis, dass der Notar nach der ihm erteilten Weisung die Rückabwicklung des Kaufvertrages zu veranlassen habe, da ihm der Verkäufer nachgewiesen habe, dass er vom Vertrag zurückgetreten sei und der Käufer nicht innerhalb der 14-Tages-Frist die Zahlung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen habe. Insbesondere habe der Notar nicht zu prüfen, ob der Verkäufer zum Rücktritt berechtigt war.
Dennoch weist der BGH die Rechtsbeschwerde zurück, was im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen überrascht. Natürlich könnte die Verpflichtung im Kaufvertrag auch unwirksam sein und hätte daher vom Notar weder beurkundet noch vollzogen werden dürfen. Der BGH stellt jedoch klar, dass derartige Klauseln nicht grundsätzlich unzulässig sind, da die gerichtliche Durchsetzung des auf Löschung der Auflassungsvormerkung gerichteten Berichtigungsanspruchs des Verkäufers mit erheblichen Schwierigkeiten und Verzögerungen und deshalb Nachteilen für den Verkäufer verbunden sein kann.
Was soll den Notar dann aber daran hindern, der Weisung zu folgen? Nach Auffassung des BGH, dass der Notar mit Vollzug der Weisung der ihm zugewiesenen Aufgabe als unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten nicht mehr gerecht werden würde. Dies überrascht im Hinblick darauf, dass der Notar seine Amtstätigkeit und die Ausführung der Anweisungen im Kaufvertrag nicht „ohne ausreichenden Grund“ verweigern darf (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO).
Warum würde aber der Notar seine unabhängige Stellung verlieren, wenn er einer zuvor wirksam getroffenen Anweisung der Parteien anweisungsgemäß nachkommt? Dann – so der BGH –, wenn er damit eine gerichtliche Entscheidung vorwegnehmen würde. Wird nämlich die Wirksamkeit einer Weisung von einer Partei nicht offensichtlich unbegründet angegriffen, soll der Notar die Parteien auf den Rechtsweg verweisen.
Dies erklärt aber noch nicht, warum die Weisung, von der der BGH zuvor noch gemeint hat, sie sei nicht grundsätzlich unzulässig, nun unwirksam sein soll. Weil sie dem Verbraucherschutz zuwiderläuft!
Im vorliegenden Fall (Bauträgervertrag) handelt es sich um eine Anweisung eines Unternehmers durch vorformulierte Vertragsklausel (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 BGB), die den Verbraucher unbillig benachteilige und dem Bauträger die einseitige Durchsetzung seines (angeblichen) Rechts, über den Vertragsgegenstand zu verfügen, ermöglicht. Zur Begründung führt der BGH weiter aus, dass nach dem eingangs Gesagten der Notar verpflichtet sei, die Auflassungsvormerkung selbst dann zu löschen, wenn er die Einwände des Käufers für begründet erachtet, also den Rücktritt des Verkäufers für unwirksam hält.
Also kommt es doch darauf an, wie der Notar die Rücktrittslage beurteilt? Nein, der Notar hat die Rechtslage insoweit nicht zu prüfen. Allein die Möglichkeit, dass der Rücktritt nicht wirksam erfolgt ist und der Notar dennoch die Löschung der Auflassungsvormerkung veranlassen müsste, macht die Klausel unwirksam. Aber nicht in jedem Fall, sondern nur, wenn es sich bei der Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die den Verbraucher benachteiligt. Würde die Klausel zwischen zwei Verbrauchern oder zwei Unternehmern vereinbart, wäre sie mithin wirksam und der Notar gehalten, die ihm erteilte Anweisung zu befolgen. Diese Lösung ist etwas unbefriedigend, folgt aber aus der Bedeutung des Verbraucherschutzes.
Was bleibt dem Notar zu tun? Er könnte sich die Prüfung, ob ein wirksamer Rücktritt vorliegt, vorbehalten. Davon ist aber aus haftungsrechtlichen Gründen dringend abzuraten. Die Klausel könnte aber stattdessen dahin gehend modifiziert werden, dass der Vormerkungsberechtigte die Möglichkeit erhält, innerhalb einer bestimmten Frist ein Gericht anzurufen, um die Löschung der Vormerkung zu verhindern. Zu klären ist, ob die Entscheidung auch auf andere Anweisungen, wie z. B. die Auszahlung des Kaufpreises vom Notaranderkonto oder die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung anwendbar ist. Bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung infolge einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung ist dem Schuldner zwar die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung gegeben, um kurzfristig Rechtsschutz zu erhalten (§§ 767, 769, 795 ZPO). Dennoch werden die Rechte des Schuldners verkürzt, weshalb inzwischen bei Bauträgerverträgen überwiegend von einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung abgeraten wird. In jedem Fall sollte der Notar – wie im vorliegenden Falle geschehen – seine Entscheidungen durch einen Vorbescheid ankündigen, um damit den Parteien die Möglichkeit zu geben, sie gerichtlich nachprüfen zu lassen.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in unserer Datenbank)
Ein Verbraucher erwirbt von einem Bauträger eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Er leistet auf den Kaufpreis die vereinbarten Raten gemäß Baufortschritt. Als nur noch ein geringfügiger Restbetrag des Kaufpreises (ca. 2,5 %) offen ist, entsteht Streit zwischen den Vertragsparteien über die ordnungsgemäße Herstellung der Wohnung, und der Käufer macht wegen seiner (angeblichen) Gewährleistungsansprüche ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Der Bauträger erklärt darauf den Rücktritt vom Vertrag und verlangt vom Notar, die zugunsten des Käufers eingetragene Auflassungsvormerkung löschen zu lassen. Der Notar, dem im Kaufvertrag die Anweisung und Vollmacht erteilt ist, die Löschung zu veranlassen, wenn der Käufer ihm nicht binnen 14 Tagen nachweist, dass er seiner Zahlungspflicht nachgekommen ist, kündigt mit notariellem Vorbescheid an, die Löschung zu veranlassen. Hiergegen legt der Käufer Beschwerde ein.
Das Urteil
Während das Landgericht der Beschwerde mit der Begründung stattgibt, der Notar habe die widerstreitenden Interessen nicht abgewogen, nutzt der mit der Rechtsbeschwerde angerufene BGH die Vorlage, um grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit Anweisungen, die dem Notar im Kaufvertrag erteilt werden, zu klären: Bevor der BGH auf die eigentlichen Fragen eingeht, stellt er klar, dass es unerheblich ist, dass die Weisung, die Auflassungsvormerkung zu löschen, nach ihrem Wortlaut dem Notariatsangestellten und nicht dem Notar selbst erteilt worden ist. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen zur Ausführung einer Weisung vorliegen, sei immer ureigene Aufgabe des Notars.
Erster Eckpfeiler der Entscheidung ist die Bestätigung des Grundsatzes, dass der Notar „die ihm im Kaufvertrag erteilten Weisungen streng zu befolgen und mit an ihrem Wortlaut orientierter Genauigkeit zu beachten hat, ohne dass es auf außerhalb des Auftrags liegende Umstände ankommt“.
Nach diesem Grundsatz kommt der BGH – durch Auslegung der Anweisung – zu dem Ergebnis, dass der Notar nach der ihm erteilten Weisung die Rückabwicklung des Kaufvertrages zu veranlassen habe, da ihm der Verkäufer nachgewiesen habe, dass er vom Vertrag zurückgetreten sei und der Käufer nicht innerhalb der 14-Tages-Frist die Zahlung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen habe. Insbesondere habe der Notar nicht zu prüfen, ob der Verkäufer zum Rücktritt berechtigt war.
Dennoch weist der BGH die Rechtsbeschwerde zurück, was im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen überrascht. Natürlich könnte die Verpflichtung im Kaufvertrag auch unwirksam sein und hätte daher vom Notar weder beurkundet noch vollzogen werden dürfen. Der BGH stellt jedoch klar, dass derartige Klauseln nicht grundsätzlich unzulässig sind, da die gerichtliche Durchsetzung des auf Löschung der Auflassungsvormerkung gerichteten Berichtigungsanspruchs des Verkäufers mit erheblichen Schwierigkeiten und Verzögerungen und deshalb Nachteilen für den Verkäufer verbunden sein kann.
Was soll den Notar dann aber daran hindern, der Weisung zu folgen? Nach Auffassung des BGH, dass der Notar mit Vollzug der Weisung der ihm zugewiesenen Aufgabe als unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten nicht mehr gerecht werden würde. Dies überrascht im Hinblick darauf, dass der Notar seine Amtstätigkeit und die Ausführung der Anweisungen im Kaufvertrag nicht „ohne ausreichenden Grund“ verweigern darf (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO).
Warum würde aber der Notar seine unabhängige Stellung verlieren, wenn er einer zuvor wirksam getroffenen Anweisung der Parteien anweisungsgemäß nachkommt? Dann – so der BGH –, wenn er damit eine gerichtliche Entscheidung vorwegnehmen würde. Wird nämlich die Wirksamkeit einer Weisung von einer Partei nicht offensichtlich unbegründet angegriffen, soll der Notar die Parteien auf den Rechtsweg verweisen.
Dies erklärt aber noch nicht, warum die Weisung, von der der BGH zuvor noch gemeint hat, sie sei nicht grundsätzlich unzulässig, nun unwirksam sein soll. Weil sie dem Verbraucherschutz zuwiderläuft!
Im vorliegenden Fall (Bauträgervertrag) handelt es sich um eine Anweisung eines Unternehmers durch vorformulierte Vertragsklausel (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 BGB), die den Verbraucher unbillig benachteilige und dem Bauträger die einseitige Durchsetzung seines (angeblichen) Rechts, über den Vertragsgegenstand zu verfügen, ermöglicht. Zur Begründung führt der BGH weiter aus, dass nach dem eingangs Gesagten der Notar verpflichtet sei, die Auflassungsvormerkung selbst dann zu löschen, wenn er die Einwände des Käufers für begründet erachtet, also den Rücktritt des Verkäufers für unwirksam hält.
Also kommt es doch darauf an, wie der Notar die Rücktrittslage beurteilt? Nein, der Notar hat die Rechtslage insoweit nicht zu prüfen. Allein die Möglichkeit, dass der Rücktritt nicht wirksam erfolgt ist und der Notar dennoch die Löschung der Auflassungsvormerkung veranlassen müsste, macht die Klausel unwirksam. Aber nicht in jedem Fall, sondern nur, wenn es sich bei der Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die den Verbraucher benachteiligt. Würde die Klausel zwischen zwei Verbrauchern oder zwei Unternehmern vereinbart, wäre sie mithin wirksam und der Notar gehalten, die ihm erteilte Anweisung zu befolgen. Diese Lösung ist etwas unbefriedigend, folgt aber aus der Bedeutung des Verbraucherschutzes.
Was bleibt dem Notar zu tun? Er könnte sich die Prüfung, ob ein wirksamer Rücktritt vorliegt, vorbehalten. Davon ist aber aus haftungsrechtlichen Gründen dringend abzuraten. Die Klausel könnte aber stattdessen dahin gehend modifiziert werden, dass der Vormerkungsberechtigte die Möglichkeit erhält, innerhalb einer bestimmten Frist ein Gericht anzurufen, um die Löschung der Vormerkung zu verhindern. Zu klären ist, ob die Entscheidung auch auf andere Anweisungen, wie z. B. die Auszahlung des Kaufpreises vom Notaranderkonto oder die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung anwendbar ist. Bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung infolge einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung ist dem Schuldner zwar die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung gegeben, um kurzfristig Rechtsschutz zu erhalten (§§ 767, 769, 795 ZPO). Dennoch werden die Rechte des Schuldners verkürzt, weshalb inzwischen bei Bauträgerverträgen überwiegend von einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung abgeraten wird. In jedem Fall sollte der Notar – wie im vorliegenden Falle geschehen – seine Entscheidungen durch einen Vorbescheid ankündigen, um damit den Parteien die Möglichkeit zu geben, sie gerichtlich nachprüfen zu lassen.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in unserer Datenbank)
Autor: Dr. Wolfgang Probandt
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