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Auch bei Verschattung durch Bäume des Nachbarn kein Anspruch auf Kahlschlag
Bei eingehaltenem Abstand und ohne ungewöhnlich schwere Nachteile
20.11.2015 (GE 20/2015, S. 1258) Ein Grundstückseigentümer kann von seinem Nachbarn in der Regel nicht die Beseitigung von Bäumen wegen der von ihnen verursachten Verschattung verlangen, sofern die in den Landesnachbarrechtsgesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften eingehalten sind und auch keine ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteile vorliegen.
Der Fall: Die Kläger sind seit 1990 Bewohner und seit 1994 Eigentümer eines in Nordrhein-Westfalen belegenen Grundstücks, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Ihr 10 x 10 m großer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage der beklagten Stadt. Dort stehen in einem Abstand von 9 bzw. 10,30 m von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen.
Die Kläger verlangen die Beseitigung dieser Bäume mit der Begründung, ihr Garten werde vollständig verschattet. Er eigne sich infolgedessen weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Das Wachstum der Bäume sei für sie bei Erwerb des Hauses nicht vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Der für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH hat dieses Urteil bestätigt.

Das Urteil: Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das Eigentum der Kläger beeinträchtigt wird. Daran fehlt es nach Auffassung des BGH. Eine Benutzung des Grundstücks in dessen räumlichen Grenzen – hier durch die auf dem Grundstück der Beklagten wachsenden Bäume – sei im Zweifel von dem Eigentumsrecht des Nachbarn gedeckt. Zwar könnten nach dem in § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Maßstab bestimmte Einwirkungen auf das benachbarte Grundstück durch den Nachbarn abgewehrt werden. Dazu zähle aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die bereits das Reichsgericht begründet habe, der Entzug von Luft und Licht als sogenannte„negative“ Einwirkung nicht. Dies hat der V. BGH-Senat im Hinblick auf Anpflanzungen erneut bestätigt. Allerdings werde das Eigentum des angrenzenden Nachbarn durch den Schattenwurf von Pflanzen und Bäumen im Sinne von § 1004 BGB beeinträchtigt, wenn die in den Landesnachbargesetzen enthaltenen Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Dies sei hier nicht der Fall, weil der nach dem maßgeblichen nordrhein-westfälischen Landesrecht für stark wachsende Bäume vorgeschriebene Abstand von 4 m (§41 Abs.1 Nr.1a NachbGNRW) gewahrt sei. Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch komme mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setze voraus, dass die Kläger wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt würden. Daran fehle es, selbst wenn insoweit – was der BGH offengelassen hat – nicht auf die Verschattung des gesamten Grundstücks, sondern nur auf die der Gartenfläche abzustellen wäre. Denn das Oberlandesgericht sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bepflanzung den Klägern noch zuzumuten sei, weil es an einer ganzjährigen vollständigen Verschattung der Gartenfläche fehle. Zudem sei bei der erforderlichen Abwägung auch zu berücksichtigen, dass der landesrechtlich durch das Nachbarrechtsgesetz vorgeschriebene Abstand um mehr als das Doppelte überschritten werde. Umso mehr trete in den Vordergrund, dass öffentliche Grünanlagen zum Zwecke der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten sollen, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum sei. Die damit einhergehende Verschattung sei Ausdruck der „Situationsgebundenheit“ des klägerischen Grundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage belegen ist.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1285 und in unserer Datenbank)


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