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Neue Pläne des Bundesjustizministers: Qualifizierte Mietspiegel nur noch mit Wissenschaft „light“?
Referentenentwurf für den zweiten Mietrechtskorb im Frühjahr 2016
06.11.2015 (GE 20/2015, S. 1251) In ihrem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode („Deutschlands Zukunft gestalten“) haben CDU, CSU und SPD sich auch auf eine Reihe von Gesetzesvorhaben geeinigt, die den Immobilienmarkt betreffen. Ein Teil dieser Vorhaben ist umgesetzt (Mietpreisbremse bei Neuvermietung, Einführung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung). Weitere Vorhaben stehen noch aus und befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Vorbereitung. Für den zweiten Korb der Mietrechtsänderung wird für das zeitige Frühjahr 2016 ein Referentenentwurf erwartet.
Worum geht es dabei? Im Koalitionsvertrag heißt es dazu unter 4.2 unter anderem: „Künftig sollen nur noch höchstens 10 Prozent – längstens bis zur Amortisation der Modernisierungskosten – einer Modernisierung auf die Miete umgelegt werden dürfen. Durch eine Anpassung der Härtefallklausel im Mietrecht (§ 559 Abs. 4 BGB) werden wir einen wirksamen Schutz der Mieter vor finanzieller Überforderung bei Sanierungen gewährleisten.
Wir werden für alle Rechtsgebiete klarstellen, dass nur die tatsächliche Wohn- bzw. Nutzfläche Grundlage für Rechtsansprüche z. B. für die Höhe der Miete, für Mieterhöhungen sowie für die umlagefähigen Heiz- und Betriebskosten sein kann.
Wir sorgen dafür, dass im Mietspiegel die orts- übliche Vergleichsmiete auf eine breitere Basis gestellt und realitätsnäher dargestellt wird. Wir halten wirksame Instrumente gegen grobe Vernachlässigung von Wohnraum durch den Eigentümer für notwendig. Wir werden entsprechende Regelungen prüfen.“
Wie die Leiterin des Referats I B 6 im Bundesjustizministerium (BMJV ), Barbara Leier, bei den Weimarer Immobilienrechtstagen im September mitteilte, ist für den zweiten Mietrechtskorb im 1. Quartal 2016 mit einem Referentenentwurf zu rechnen.
Ermittlung der Vergleichsmiete aus 10-Jahres-Betrachtungszeitraum
Das Bundesjustizministerium plant Änderungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Statt wie bisher aus den Mietvertragsneuabschlüssen und Bestandsmietänderungen der letzten vier Jahre soll die ortsübliche Miete aus den Mietvertragsneuabschlüssen und Bestandsmietänderungen der letzten zehn Jahre ermittelt werden; möglichst alle am Markt gezahlten Mieten sollen einfließen, „um eine stärkere Orientierung an der tatsächlichen Marktmiete zu erzielen“, heuchelt das BMJV, als ob ein solcher Mietbegriff auch nur entfernte Ähnlichkeit mit der Marktmiete habe. Allerdings ist man sich im BMJV noch nicht ganz sicher, ob diese Ausweitung des Betrachtungszeitraums
tatsächlich eine Möglichkeit darstellt, das Niveau der ortsüblichen Miete nachhaltig zu senken, weil es Gutachten geben soll, die das Gegenteil nahelegen.
Inzwischen unterstützt auch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages Bemühungen zur Änderung der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Ausschuss hat das Material einer dahin gehenden Petition dem BMJV überwiesen und den Fraktionen zur Kenntnis gebracht. In der Petition wird gefordert, dass zur Erhebung des qualifizierten Mietspiegels alle Wohnungen erfasst werden, unabhängig davon, ob sich der Mietzins verändert hat. Derzeit würden gleichbleibende Mieten, die im Mietspiegel dämpfend wirken würden, nicht berücksichtigt.
Qualifizierte Mietspiegel: Nur noch Wissenschaft „light“?
In einem weiteren Teilbereich geht es darum, für qualifizierte Mietspiegel einheitliche Vorgaben zu entwickeln, etwa zu konkretisieren, was denn eigentlich die in § 558 d Abs. 1 BGB normierten„anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze“ sind, die beim Aufstellen von qualifizierten Mietspiegeln zu berücksichtigen sind. Damit sollen künftig Angriffe gegen Mietspiegel in Mieterhöhungsprozessen, wie sie in der Zersplitterungsrechtsprechung der Berliner Gerichte offenbar geworden sind (LG Berlin, Urteil vom 17. Juli 2015 - 63 S 220/11 -, GE 2015, 1097; LG Berlin, Urteil vom 20. April 2015 - 18 S 411/13 -, GE 2015, 792; LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 - 67 S 120/15 -, GE 2015, 971; AG Charlottenburg, Urteil vom 11. Mai 2015 - 235 C 133/13 -, GE 2015, Mietspiegel-Beilage Seite 47; AG Lichtenberg, Urteil vom 19. Mai 2015 - 20 C 560/14 -, GE 2015, 794; AG Charlottenburg, Urteil vom 27. Februar 2015 - 232 C 262/14 -, GE 2015, 457), vermieden werden. Allerdings, so das Ministerium, müsse man bei allem Verständnis für den Wunsch nach möglichst „perfekten“ Mietspiegeln auch deren Bezahlbarkeit im Auge behalten. Um es verständlicher auszudrücken: Das Ministerium wird sich Anleihen bei der Entscheidung des AG Charlottenburg vom 12. März 2015 - 203 C 527/14 - (GE 2015, 515) holen, wonach an den Begriff der „anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze“ als Bedingung für die Qualifiziertheit eines Mietspiegels keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, und die Einhaltung von Grundsätzen„im Sinne von gewissen Mindeststandards“ ausreicht, weil Wissenschaftlichkeit nach Ansicht des Gerichts „im Sinne einer praktikablen und verhältnismäßig machbaren Wissenschaftlichkeit verstanden werden muss“.
Das Bundesjustizministerium erwägt auch die Einführung einer Pflicht zur Aufstellung von qualifizierten Mietspiegeln ab einer bestimmten Gemeindegröße.
Modernisierungszuschlag geringer, aber auf Dauer
Der Koalitionsvertrag sieht auch vor, dass die Mieterhöhung nach Modernisierung nur noch „höchstens“ 10 % der Baukosten pro Jahr beträgt und dieser Modernisierungszuschlag „längstens bis zur Amortisation der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen“. Inzwischen hat jedoch das Bundesjustizministerium begriffen, dass das Ziel, Mieterhöhungen längstens bis zur Amortisation zuzulassen, nicht umsetzbar ist. Aufgegeben hat das BMJV allerdings noch nicht. Über eine sinnvolle Begrenzung der Modernisierungsumlage werde in verschiedene Richtungen nachgedacht, heißt es aus dem Hause. Auch die Härtefallklausel (§ 559 Abs. 4 BGB) solle konkreter und mieterfreundlicher gestaltet werden durch Regelbeispiele und Modifikation oder Streichung von Nr. 1 (nach § 559 Abs. 4 Nr. 1 BGB hat der Mieter bei Modernisierungen, welche die Mietsache lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzen, derzeit nicht die Möglichkeit des Härteeinwands). Im Vordergrund, so das BMJV, stehe der Schutz des Mieters in angespannten Wohnungsmärkten vor dem „Herausmodernisieren“; gleichzeitig müsse aber die energetische Modernisierung für Vermieter weiter attraktiv bleiben, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
Tatsächliche Wohnfläche
Künftig soll bei fehlerhafter Wohnfläche nur noch die tatsächliche Wohnfläche Grundlage für Miete, Mieterhöhungen und die Umlage von Betriebs- und Heizkosten sein. Allerdings könne, so das BMJV, eine gewisse Toleranz bei Mietminderung, Schadensersatz wegen Mangels und fristloser Kündigung weiterhin sinnvoll sein.
Wir werden für alle Rechtsgebiete klarstellen, dass nur die tatsächliche Wohn- bzw. Nutzfläche Grundlage für Rechtsansprüche z. B. für die Höhe der Miete, für Mieterhöhungen sowie für die umlagefähigen Heiz- und Betriebskosten sein kann.
Wir sorgen dafür, dass im Mietspiegel die orts- übliche Vergleichsmiete auf eine breitere Basis gestellt und realitätsnäher dargestellt wird. Wir halten wirksame Instrumente gegen grobe Vernachlässigung von Wohnraum durch den Eigentümer für notwendig. Wir werden entsprechende Regelungen prüfen.“
Wie die Leiterin des Referats I B 6 im Bundesjustizministerium (BMJV ), Barbara Leier, bei den Weimarer Immobilienrechtstagen im September mitteilte, ist für den zweiten Mietrechtskorb im 1. Quartal 2016 mit einem Referentenentwurf zu rechnen.
Ermittlung der Vergleichsmiete aus 10-Jahres-Betrachtungszeitraum
Das Bundesjustizministerium plant Änderungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Statt wie bisher aus den Mietvertragsneuabschlüssen und Bestandsmietänderungen der letzten vier Jahre soll die ortsübliche Miete aus den Mietvertragsneuabschlüssen und Bestandsmietänderungen der letzten zehn Jahre ermittelt werden; möglichst alle am Markt gezahlten Mieten sollen einfließen, „um eine stärkere Orientierung an der tatsächlichen Marktmiete zu erzielen“, heuchelt das BMJV, als ob ein solcher Mietbegriff auch nur entfernte Ähnlichkeit mit der Marktmiete habe. Allerdings ist man sich im BMJV noch nicht ganz sicher, ob diese Ausweitung des Betrachtungszeitraums
tatsächlich eine Möglichkeit darstellt, das Niveau der ortsüblichen Miete nachhaltig zu senken, weil es Gutachten geben soll, die das Gegenteil nahelegen.
Inzwischen unterstützt auch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages Bemühungen zur Änderung der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Ausschuss hat das Material einer dahin gehenden Petition dem BMJV überwiesen und den Fraktionen zur Kenntnis gebracht. In der Petition wird gefordert, dass zur Erhebung des qualifizierten Mietspiegels alle Wohnungen erfasst werden, unabhängig davon, ob sich der Mietzins verändert hat. Derzeit würden gleichbleibende Mieten, die im Mietspiegel dämpfend wirken würden, nicht berücksichtigt.
Qualifizierte Mietspiegel: Nur noch Wissenschaft „light“?
In einem weiteren Teilbereich geht es darum, für qualifizierte Mietspiegel einheitliche Vorgaben zu entwickeln, etwa zu konkretisieren, was denn eigentlich die in § 558 d Abs. 1 BGB normierten„anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze“ sind, die beim Aufstellen von qualifizierten Mietspiegeln zu berücksichtigen sind. Damit sollen künftig Angriffe gegen Mietspiegel in Mieterhöhungsprozessen, wie sie in der Zersplitterungsrechtsprechung der Berliner Gerichte offenbar geworden sind (LG Berlin, Urteil vom 17. Juli 2015 - 63 S 220/11 -, GE 2015, 1097; LG Berlin, Urteil vom 20. April 2015 - 18 S 411/13 -, GE 2015, 792; LG Berlin, Urteil vom 16. Juli 2015 - 67 S 120/15 -, GE 2015, 971; AG Charlottenburg, Urteil vom 11. Mai 2015 - 235 C 133/13 -, GE 2015, Mietspiegel-Beilage Seite 47; AG Lichtenberg, Urteil vom 19. Mai 2015 - 20 C 560/14 -, GE 2015, 794; AG Charlottenburg, Urteil vom 27. Februar 2015 - 232 C 262/14 -, GE 2015, 457), vermieden werden. Allerdings, so das Ministerium, müsse man bei allem Verständnis für den Wunsch nach möglichst „perfekten“ Mietspiegeln auch deren Bezahlbarkeit im Auge behalten. Um es verständlicher auszudrücken: Das Ministerium wird sich Anleihen bei der Entscheidung des AG Charlottenburg vom 12. März 2015 - 203 C 527/14 - (GE 2015, 515) holen, wonach an den Begriff der „anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze“ als Bedingung für die Qualifiziertheit eines Mietspiegels keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, und die Einhaltung von Grundsätzen„im Sinne von gewissen Mindeststandards“ ausreicht, weil Wissenschaftlichkeit nach Ansicht des Gerichts „im Sinne einer praktikablen und verhältnismäßig machbaren Wissenschaftlichkeit verstanden werden muss“.
Das Bundesjustizministerium erwägt auch die Einführung einer Pflicht zur Aufstellung von qualifizierten Mietspiegeln ab einer bestimmten Gemeindegröße.
Modernisierungszuschlag geringer, aber auf Dauer
Der Koalitionsvertrag sieht auch vor, dass die Mieterhöhung nach Modernisierung nur noch „höchstens“ 10 % der Baukosten pro Jahr beträgt und dieser Modernisierungszuschlag „längstens bis zur Amortisation der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen“. Inzwischen hat jedoch das Bundesjustizministerium begriffen, dass das Ziel, Mieterhöhungen längstens bis zur Amortisation zuzulassen, nicht umsetzbar ist. Aufgegeben hat das BMJV allerdings noch nicht. Über eine sinnvolle Begrenzung der Modernisierungsumlage werde in verschiedene Richtungen nachgedacht, heißt es aus dem Hause. Auch die Härtefallklausel (§ 559 Abs. 4 BGB) solle konkreter und mieterfreundlicher gestaltet werden durch Regelbeispiele und Modifikation oder Streichung von Nr. 1 (nach § 559 Abs. 4 Nr. 1 BGB hat der Mieter bei Modernisierungen, welche die Mietsache lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzen, derzeit nicht die Möglichkeit des Härteeinwands). Im Vordergrund, so das BMJV, stehe der Schutz des Mieters in angespannten Wohnungsmärkten vor dem „Herausmodernisieren“; gleichzeitig müsse aber die energetische Modernisierung für Vermieter weiter attraktiv bleiben, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
Tatsächliche Wohnfläche
Künftig soll bei fehlerhafter Wohnfläche nur noch die tatsächliche Wohnfläche Grundlage für Miete, Mieterhöhungen und die Umlage von Betriebs- und Heizkosten sein. Allerdings könne, so das BMJV, eine gewisse Toleranz bei Mietminderung, Schadensersatz wegen Mangels und fristloser Kündigung weiterhin sinnvoll sein.