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Reisen bildet
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14.10.2015 (GE 17/2015, S. 1046) Sogar wenn es nur ein Trip über das Wochenende nach Stockholm ist. Zurück bin ich mit folgenden Erkenntnissen gekommen: (1) Stockholm weist, obwohl es nur gut 800.000 Einwohner hat, seine Fläche nur ein Fünftel der Berliner Fläche beträgt (und auch dieses Fünftel noch zu 30 % aus Wasser besteht), gefühlt doppelt so viele und doppelt so tiefe Schlaglöcher und welligen Asphaltbelag aus wie Berlin. Dafür klagen wir an der Spree doppelt so häufig darüber.
(2) Der Sozialstaat Schweden ist auch
nur noch ein Schatten seiner selbst. In nur wenigen Großstädten Europas habe ich ähnliche viele Bettler gesehen und noch nie so viele Menschen im Straßenbild, die Mülleimer auf der Suche nach PET-Flaschen (und auch mehr) durchwühlten. Die Wohnungssituation verdient wirklich den Namen Katastrophe. Als Normalmensch wartet man länger auf einen Mietvertrag als früher in der DDR auf einen Trabbi (und das waren schon 18 Jahre). Die meisten Wohnhäuser gehören kommunalen Wohnungsverwaltungen. Die Mieten sind preisgebunden und lächerlich gering (dafür kostet ein dürrer Hamburger ohne Schnickschnack im Restaurant auch 18 €). Wohnen, das
ist Staatsreligion, soll in Schweden keine Ware sein, und wer im Zentrum lebt, soll nicht wesentlich mehr zahlen als im Umland. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wer einen Mietvertrag – der einem Lottogewinn gleichkommt – ergattert hat,
gibt ihn so gut wie nie wieder her, dafür blüht der Handel mit zeitlich befristeten Secondhand-Mietverträgen, denn bei der Untervermietung ist der Preis frei verhandelbar. (3) Von einem solchen Parkett, wie ich es im stilgemischten Stockholmer Rathaus („stadshus“, von dorischen Säulen über Rokoko bis hin zum norddeutschen Barock findet man alles) vorgefunden habe, kann man heutzutage nur träumen. Vor allem, wenn man es beispielsweise mit dem Mist vergleicht, der im Berliner Museum für Verkehr und Technik verlegt ist und eine tödliche Gefahr für jeden Stiletto darstellt. 100 Jahre alt ist das im Stockholmer Rathaus verlegte Parkett. Und noch heute kriegt man kein Blatt Papier in irgendeine Fuge. Gebaut hat das Rathaus übrigens eine der Firmen eines gewissen Ivar Kreuger, der später als „Zündholzkönig“ berühmt geworden ist. Der Mann verstand was von Holz.