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Mieter darf Vormieter mit eigenen Prozessunterlagen für gezielte Vermieter-Schikane munitionieren
Rachsucht ist kein Kündigungsgrund
02.10.2015 (GE 17/2015, S. 1067) Auch wenn der Mieter aus reiner Rachsucht Unterlagen aus einem gegen den Vermieter gewonnenen Prozess an den Vormieter weitergibt, damit dieser seinerseits seinen ehemaligen Vermieter „ausnehmen“ kann, verletzt der Mieter keine mietvertraglichen Pflichten, die eine – fristlose oder ordentliche – Kündigung rechtfertigen. Das jedenfalls meint das AG München.
Der Fall: Die Klägerin vermietete ihre Doppelhaushälfte mit Mietvertrag vom 5. August 2009 an die beiden beklagten Mieter. Darin war eine Miete von 1.950 € monatlich vereinbart. Die Wohnfläche sollte angeblich 185 m2 betragen. In der Folgezeit minderten die Mieter den Mietzins, nachdem sie eine Wohnflächenberechnung erstellen ließen, die eine Wohnfläche von nur 148,46 m2 ergab. Es kam zwischen den Parteien zu einem Prozess über die richtige Miethöhe, bei dem ein Sachverständigengutachten zur Größe des Hauses eingeholt wurde. Der Sachverständige errechnete eine Wohnfläche von 158,46 m2 und eine daraus geschuldete Monatsmiete von 1.670,25 €.
Die Prozessunterlagen samt der Wohnflächenberechnung haben die beklagten Mieter an ihre Vormieter herausgegeben, die nach Berlin gezogen sind. Die vormaligen Mieter haben daraufhin gegenüber der Vermieterin auch die Flächenabweichung geltend gemacht und von ihr den Ersatz des Differenzschadens gefordert. Sie verklagten ihre ehemalige Vermieterin, die im Prozess rechtskräftig zur Rückzahlung von 15.000 € überzahlter Miete aufgrund der Wohnflächenabweichung verurteilt wurde. Die Vermieterin kündigte wegen dieser rachsüchtigen Vorgehensweise den aktuellen Mietern außerordentlich und fristlos und auch ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und den beklagten Mietern sei durch die Herausgabe vertraulicher Prozessunterlagen an die Vormieter aus einem Verfahren zwischen den Parteien wegen der Wohnflächenabweichung gänzlich zerstört. Das Verhalten der Mieter ist nach Ansicht der Klägerin allein darauf gerichtet, der Vermieterin in jeder Hinsicht zu schaden. Das Verhalten sei verwerflich, da die Mieter wirtschaftlich davon überhaupt nicht profitierten.

Das Urteil: Das AG wies die Räumungsklage ab. Das Mietverhältnis ist durch die Kündigungen der Vermieterin nicht wirksam beendet.
Die von der Vermieterin vorgetragenen Kündigungsgründe rechtfertigten weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung. Es liege weder ein wichtiger Grund vor, noch ein berechtigtes Interesse der Vermieterin noch eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Mieter.
Die Weitergabe der Prozessunterlagen einschließlich des Gutachtens und der sonstigen Beweismittel an die Vormieter, damit diese ihre – offenbar berechtigten – Ansprüche gegen die Vermieterin durchsetzen konnten, stelle keine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar. Die Vormieter hätten ein Recht zur Akteneinsicht nach § 299 ZPO gehabt, da sie ein rechtliches Interesse daran besaßen, die Unterlagen in ihrem eigenen Prozess zu verwenden.

Anmerkung: Der Amtsrichter könnte problemlos auch in Ankara Recht sprechen. Ein solches Mietverhältnis ist letztlich auch nichts anderes als eine Zwangsheirat, wobei es bei Letzterer schon mal vorkommen kann, dass sich alles zum Guten wendet. Bei einer solchen Vorgeschichte – zu der möglicherweise auch die Vermieterin das Ihrige beigetragen haben mag – kann doch kein ernsthaft denkender Mensch davon ausgehen, dass daraus jemals wieder ein „von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägtes Dauerschuldverhältnis“ – das ist die gängige Grunddefinition für ein Mietverhältnis – wird.
Schließlich ging es der Vermieterin im vorliegenden Fall doch nicht darum, Schadensersatz von den beiden Petzen zu verlangen – obwohl ein redlich denkender Mensch auch dafür durchaus Verständnis aufbringen könnte, denn wer eine Doppelhaushälfte mietet, mietet eine Doppelhaushälfte und keine genau abgewogene und abgemessene Wohnfläche. An solchen Beispielen wird besonders deutlich, wie sehr die BGH-Rechtsprechung zum Mangelbegriff bei Minderfläche lebensfremd ist. Vorliegend wollte sich die Vermieterin mit der Begründung, ihr Vertrauensverhältnis zu ihren Mietern sei restlos zerstört, aus dem Mietverhältnis lösen. Um dieses subjektive Empfinden als zutreffend zu unterstellen, braucht es keinen Psychologen. Hier war es geboten, der Zerrüttungskündigung stattzugeben, denn unter diesem Dach kehrt kein Friede mehr ein.
Autor: D.B.