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Stillschweigender Verzicht durch ein vorangegangenes Mieterhöhungsverlangen?
Wahlmöglichkeiten nach Modernisierung: Schließt eine die andere aus?
16.09.2015 (GE 16/2015, S. 1000) Nach einer Modernisierung hat der Vermieter nicht nur das einseitige Mieterhöhungsrecht nach § 559 BGB, sondern kann auch Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558 BGB verlangen. Auch eine Kombination aus beiden Mieterhöhungsmöglichkeiten ist zulässig, sofern die Modernisierung nicht doppelt gewertet wird (zu den Einzelheiten vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Vorbemerkung 7 ff. zu § 558 BGB). Das Landgericht Berlin meint, nach einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB könne unter Umständen ein stillschweigender Verzicht auf weitere Mieterhöhungsmöglichkeiten angenommen werden.
Der Fall: Die Vermieterin hatte nach Modernisierung Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558 BGB verlangt und sich dabei auf Vergleichswohnungen mit dem durch die Modernisierung erreichten Standard berufen; eine Mieterhöhung nach § 558 BGB (11-%-Erhöhung) behielt sie sich nicht vor. Die Mieterin kam dem nach und zahlte die erhöhte Miete. Knapp ein Jahr später machte die Vermieterin eine Mieterhöhung wegen der Modernisierungsmaßnahmen geltend, die von der Mieterin zunächst unter Vorbehalt gezahlt wurde. Nach über zwei Jahren klagte die Mieterin auf Rückzahlung dieser Erhöhungsbeträge und auf Feststellung, dass der Modernisierungszuschlag nicht geschuldet sei.

Das Urteil: Mit Urteil vom 16. Juli 2015 gab die 67. Kammer des Landgerichts Berlin der Klage statt. In dem Verhalten der Vermieterin sei ein Verzicht auf weitere Erhöhungsansprüche zu sehen, da das Zustimmungsverlangen unmittelbar nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen gestellt und die Erhöhung der Miete verlangt worden sei unter Zugrundelegung des durch die Modernisierung geschaffen Ausstattungsstandards. Auch aus dem späteren Verhalten der Vermieterin, die über einen längeren Zeitraum keine weiteren Ansprüche geltend gemacht habe, sei ein stillschweigender Verzicht anzunehmen. Diesen Verzicht habe die Mieterin durch schlüssiges Verhalten angenommen, indem sie dem Mieterhöhungsverlangen vom 29. Oktober 2010 zugestimmt habe. Auf die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage des Verhältnisses zwischen den Mieterhöhungsmöglichkeiten nach §§ 558 und 559 BGB komme es daher nicht an.

Anmerkung: Das Urteil ist zweifelhaft; die tragende Begründung mit Treu und Glauben ist brüchig. Der auch von der Kammer zitierte BGH führt in seinem Urteil vom 10. Juni 2015 ausdrücklich aus, dass nach ständiger Rechtsprechung „der Verzichtswille – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein muss“. Für die Annahme eines stillschweigenden Verzichts bedürfe es bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen. Aus der bloßen Tatsache eines Mieterhöhungsverlangens, das mit Vergleichswohnungen im Modernisierungsstandard begründet wird und aus einem längeren Zuwarten mit einer weiteren Mieterhöhung einen stillschweigenden Verzicht herzuleiten, ist kaum überzeugend.
Die Kammer hätte daher die Frage prüfen müssen, ob das erste Mieterhöhungsverlangen nur auf der Basis einer modernisierten Wohnung begründet war, weil dann eine weitere Modernisierungsmieterhöhung ausschied (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Vorbemerkung 6 zu § 558 BGB). Maßgeblich ist dabei nicht die Begründung des Mieterhöhungsverlangens (etwa mit modernisierten Vergleichswohnungen), sondern die tatsächlich ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete. Wenn diese auch ohne Modernisierungsmaßnahmen in der verlangten Höhe liegt, scheidet eine unzulässige Doppelberücksichtigung aus (vgl. im Einzelnen Paschke, GE 2013, 102 f.), da es nur darauf ankommt, ob die im Vorprozess nach § 558 BGB vom Gericht als berechtigt angesehen erhöhte Miete, zu deren Zustimmung verurteilt wurde, auch ohne die jetzt nach § 559 BGB geltend gemachte Modernisierung berechtigt gewesen wäre, um die Doppelberücksichtigung der Modernisierungsmaßnahme zu vermeiden (so wörtlich Paschke aaO.).
Vermieter tun allerdings gut daran, sich nach einer Modernisierung weitere Mieterhöhungsmöglichkeiten ausdrücklich vorzubehalten, wenn sie nicht ohnehin nur die einseitige Mieterhöhung nach § 559 BGB wählen (vgl. Schmidt-Futterer/ Börstinghaus, Vorbemerkung 12 zu § 558 BGB).

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 1033 und in unserer Datenbank)
Autor: Rudolf Beuermann


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