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Zweckwidrige Nutzung einer Teileigentumseinheit als Wohnung
Wann verjähren oder verwirken die Ansprüche?
15.07.2015 (GE 12/2015, S. 765) Die Nutzung einer in der Teilungserklärung als Teileigentum (Hobbyräume, Vorratskeller, Flur) ausgewiesenen Einheit zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken ist jedenfalls dann nicht gestattet, wenn sie die Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert. Die Wohnungseigentümer haben dann untereinander Unterlassungsansprüche wegen einer zweckwidrigen Nutzung des Sondereigentums. Solange die Nutzung anhält, tritt auch keine Verjährung ein, weil der Schwerpunkt der Störung nicht vornehmlich in der Aufnahme, sondern in der Aufrechterhaltung der zweckwidrigen Nutzung liegt. Dabei haftet der Sondereigentümer auch für seinen Mieter.
Der Fall: Die Parteien in dem zugrunde liegenden Verfahren bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Beklagten gehören die Einheiten Nr. 1 im Souterrain und Nr. 2 im Erdgeschoss. Der Klägerin steht seit dem Jahr 2007 das Sondereigentum an den Wohnungen Nr. 3 und Nr. 4 im Ober- und Dachgeschoss zu. Die Einheit Nr. 1 ist in der Teilungserklärung ausgewiesen als „Räumlichkeiten im Souterrain, bestehend aus drei Hobbyräumen, Vorratskeller, Flur und einem weiteren Kellerraum“.
Der Beklagte vermietet diese als Wohnraum und hat nach dem Jahr 2007 zwei Neuvermietungen vorgenommen. Die Klägerin will erreichen, dass es der Beklagte unterlassen muss, die Einheit Nr. 1 als Wohnraum zu nutzen oder nutzen zu lassen. Dieser beruft sich auf die Verjährung und Verwirkung des Anspruchs. Die Souterrainräume würden bereits seit 1980 als Wohnraum genutzt, zunächst durch ihn selbst und seit dem Jahr 1986 durch Mieter. Die Voreigentümer der Klägerin seien hiermit einverstanden gewesen. Weil die Nutzung als Wohnraum bei der ersten Beanstandung durch die Klägerin im Jahr 2008 seit 28 Jahren angedauert habe, habe er auf die dauerhafte Erzielung der Mieteinnahmen vertrauen dürfen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Das Landgericht hat seine Berufung zurückgewiesen.
Das Urteil: Der u. a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen: Im Ausgangspunkt ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegeben, weil die Nutzung von Hobbyräumen zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken jedenfalls dann nicht gestattet ist, wenn sie – wie hier – die Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert. Der Anspruch ist nicht verjährt. Solange die Nutzung anhält, tritt die Verjährung nicht ein, weil der Schwerpunkt der Störung nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung, sondern auch darin liegt, dass diese aufrechterhalten wird. Dabei ist unerheblich, ob die zweckwidrige Nutzung durch den Sondereigentümer selbst oder durch dessen Mieter erfolgt.
Dem Anspruch steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB in Gestalt der sogenannten Verwirkung entgegen. Voraussetzung hierfür ist u. a. eine ununterbrochene, dauerhafte Einwirkung. An einer solchen fehlt es jedenfalls deshalb, weil noch in jüngster Zeit zwei Neuvermietungen stattgefunden haben. Eine solche Neuvermietung stellt in der Regel aus Sicht aller Beteiligten eine Zäsur und damit eine neue Störung im Sinne von § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG dar. Der vermietende Wohnungseigentümer setzt eine neue Willensentscheidung hinsichtlich einer zweckwidrigen Nutzung um. Die übrigen Wohnungseigentümer haben Anlass, für die Zukunft eine der Teilungserklärung entsprechende Nutzung einzufordern, auch wenn sie hiervon zuvor – etwa aus Rücksicht auf das bestehende Mietverhältnis – Abstand genommen haben.
Anmerkung: Jahrzehntelang hat die Rechtspraxis herumgerätselt, wann bei ordnungswidriger Nutzung von Sondereigentum die Verjährung des Unterlassungsanspruchs eintritt, ob bei deren Beginn oder jeweils bei einem neuen Verstoß.
Der BGH lässt auch jetzt noch dahinstehen, ob eine einheitliche Dauerhandlung den rechtswidrigen Zustand fortlaufend auf- rechterhält und die Frist deshalb nicht in Gang gesetzt wird, oder ob wiederholte Störungen jeweils neue Ansprüche begründen. Sodann ruft der BGH den § 14 Nr. 2 WEG in Erinnerung, wonach der Wohnungseigentümer für den Mieter in gleicher Weise wie für die eigene Nutzung einzustehen hat. Da die zweckwidrige Nutzung der Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken hier durch Neuvermietungen erfolgte, haben jeweils weitere Gebrauchsüberlassungen stattgefunden.
Neben der Verjährung, die hier verneint ist, wird schulmäßig noch die Verwirkung geprüft, bei der neben dem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment vorliegen muss, nämlich dass der Unterlassungsschuldner berechtigterweise auf eine weitere Duldung hoffen durfte. In diesem Sinne hatte der BGH (GE 2010, 776) bei einem langjährigen Mietverhältnis eine Verwirkung bejaht, was im vorliegenden Fall schon wegen der Neuvermietungen ausschied.
Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob verwirkte Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer auch von späteren Wohnungserwerbern (also möglichen Unterlassungsgläubigern) hinzunehmen sind. Der BGH weist belehrend darauf hin, dass es neben dem von der Vorinstanz angewandten Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB konkurrierend sogar die Spezialvorschrift in § 15 Abs. 3 WEG gibt.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 795 und in unserer Datenbank)
Der Beklagte vermietet diese als Wohnraum und hat nach dem Jahr 2007 zwei Neuvermietungen vorgenommen. Die Klägerin will erreichen, dass es der Beklagte unterlassen muss, die Einheit Nr. 1 als Wohnraum zu nutzen oder nutzen zu lassen. Dieser beruft sich auf die Verjährung und Verwirkung des Anspruchs. Die Souterrainräume würden bereits seit 1980 als Wohnraum genutzt, zunächst durch ihn selbst und seit dem Jahr 1986 durch Mieter. Die Voreigentümer der Klägerin seien hiermit einverstanden gewesen. Weil die Nutzung als Wohnraum bei der ersten Beanstandung durch die Klägerin im Jahr 2008 seit 28 Jahren angedauert habe, habe er auf die dauerhafte Erzielung der Mieteinnahmen vertrauen dürfen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Das Landgericht hat seine Berufung zurückgewiesen.
Das Urteil: Der u. a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen: Im Ausgangspunkt ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegeben, weil die Nutzung von Hobbyräumen zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken jedenfalls dann nicht gestattet ist, wenn sie – wie hier – die Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert. Der Anspruch ist nicht verjährt. Solange die Nutzung anhält, tritt die Verjährung nicht ein, weil der Schwerpunkt der Störung nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung, sondern auch darin liegt, dass diese aufrechterhalten wird. Dabei ist unerheblich, ob die zweckwidrige Nutzung durch den Sondereigentümer selbst oder durch dessen Mieter erfolgt.
Dem Anspruch steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB in Gestalt der sogenannten Verwirkung entgegen. Voraussetzung hierfür ist u. a. eine ununterbrochene, dauerhafte Einwirkung. An einer solchen fehlt es jedenfalls deshalb, weil noch in jüngster Zeit zwei Neuvermietungen stattgefunden haben. Eine solche Neuvermietung stellt in der Regel aus Sicht aller Beteiligten eine Zäsur und damit eine neue Störung im Sinne von § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG dar. Der vermietende Wohnungseigentümer setzt eine neue Willensentscheidung hinsichtlich einer zweckwidrigen Nutzung um. Die übrigen Wohnungseigentümer haben Anlass, für die Zukunft eine der Teilungserklärung entsprechende Nutzung einzufordern, auch wenn sie hiervon zuvor – etwa aus Rücksicht auf das bestehende Mietverhältnis – Abstand genommen haben.
Anmerkung: Jahrzehntelang hat die Rechtspraxis herumgerätselt, wann bei ordnungswidriger Nutzung von Sondereigentum die Verjährung des Unterlassungsanspruchs eintritt, ob bei deren Beginn oder jeweils bei einem neuen Verstoß.
Der BGH lässt auch jetzt noch dahinstehen, ob eine einheitliche Dauerhandlung den rechtswidrigen Zustand fortlaufend auf- rechterhält und die Frist deshalb nicht in Gang gesetzt wird, oder ob wiederholte Störungen jeweils neue Ansprüche begründen. Sodann ruft der BGH den § 14 Nr. 2 WEG in Erinnerung, wonach der Wohnungseigentümer für den Mieter in gleicher Weise wie für die eigene Nutzung einzustehen hat. Da die zweckwidrige Nutzung der Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken hier durch Neuvermietungen erfolgte, haben jeweils weitere Gebrauchsüberlassungen stattgefunden.
Neben der Verjährung, die hier verneint ist, wird schulmäßig noch die Verwirkung geprüft, bei der neben dem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment vorliegen muss, nämlich dass der Unterlassungsschuldner berechtigterweise auf eine weitere Duldung hoffen durfte. In diesem Sinne hatte der BGH (GE 2010, 776) bei einem langjährigen Mietverhältnis eine Verwirkung bejaht, was im vorliegenden Fall schon wegen der Neuvermietungen ausschied.
Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob verwirkte Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer auch von späteren Wohnungserwerbern (also möglichen Unterlassungsgläubigern) hinzunehmen sind. Der BGH weist belehrend darauf hin, dass es neben dem von der Vorinstanz angewandten Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB konkurrierend sogar die Spezialvorschrift in § 15 Abs. 3 WEG gibt.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 795 und in unserer Datenbank)
Autor: VRiKG a.D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Dittert, Südhoff & Partner
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