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Wer lange wartet, kann es nicht besonders eilig haben
Räumungsverfügung gegen Dritten

05.06.2015 (GE 9/2015, S. 482) Ein Verfügungsgrund liegt nicht vor, wenn der Vermieter mit seinem Antrag so lange wartet, dass man nicht mehr von einer Eilbedürftigkeit ausgehen kann. Der Antrag auf Erlass der Räumungsverfügung ist dann unbegründet.
Der Fall: Der Vermieter hatte einen Räumungstitel gegen den Mieter erwirkt. Die Räumungsvollstreckung konnte nicht durchgeführt werden, weil sich bei mehreren Räumungsversuchen gegen den Mieter stets ein Dritter dem Gerichtsvollzieher als Besitzer der Wohnung präsentierte. Daraufhin beantragte der Vermieter den Erlass einer Räumungsverfügung nach § 940 a Abs. 2 ZPO gegen die namentlich benannten Wohnungsinhaber.

Der Beschluss: Das AG Mitte wies den Antrag zurück. Es fehle die Eilbedürftigkeit nach §§ 917, 935, 940, 940 a Abs. 2 ZPO. Der Vermieter habe mit seinem Antrag zu lange zugewartet. Alle beteiligten Antragsgegner seien ihm schon vom 19. November 2013 an bekannt gewesen. Der Antrag auf Erlass der Räumungsverfügung sei vom 28. Januar 2014. Durch die Zeitspanne zwischen Kenntniserlangung von den hiesigen Antragsgegnern als weitere Besitzer/Nutzer habe der Vermieter die – besondere – Eilbedürftigkeit der Sache selbst widerlegt. Dagegen legte der Vermieter sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht half dieser mit Beschluss vom 7. Januar 2015 (!) nicht ab und legte die Sache dem Beschwerdegericht vor.
Das LG Berlin, ZK 67 (Einzelrichter), wies die Beschwerde zurück. Nach Erledigung der Hauptsache sei nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden gewesen. Insofern verbleibe es bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts. Der Einzelrichter schließe sich in vollem Umfang der Auffassung des Amtsgerichts an. § 940 a ZPO regele keine Aufweichung der allgemeinen Voraussetzungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern eine Beschränkung der Anwendbarkeit der Leistungsverfügung (§ 940 ZPO) beim Wohnraummietrecht von vornherein auf bestimmte Fälle. Das gelte ebenfalls für die Frage des Zuwartens.

Anmerkung: Prozessual nennt der Einzelrichter § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO (Hauptsachenerledigung nach übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien). Somit hatte das Gericht (nur noch) über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. In diesen Fällen wird dann formell nicht mehr über die sofortige Beschwerde entschieden.
In der Sache selbst geht es um die Frage, ob § 940 a Abs. 2 ZPO wie eine „normale“ einstweilige Verfügung eine besondere Eilbedürftigkeit voraussetzt (§ 935 ZPO: „... wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte“). In solchen Fällen ist das Argument der Selbstwiderlegung der Eilbedürftigkeit sehr wohl berechtigt (vgl. z. B. LG Berlin in GE 2015, 325). Die Konzeption des durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2013 eingefügten § 940 a Abs. 2 ZPO ist jedoch eine andere. Einzuräumen ist insofern allerdings, dass die räumliche Platzierung der neuen Regelung nicht gerade glücklich ist, weil Abs. 1 der Vorschrift eine Dringlichkeit voraussetzt. Sicher wäre es besser gewesen, die Regelung im jetzigen Abs. 2 in einem weiteren Paragraphen unterzubringen. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/10485, S. 34) zu § 940 a Abs. 2 ergibt sich, dass die Regelung einen gesetzlichen Fall einer Leistungsverfügung darstellt, der die Hauptsache – Räumung gegen den Dritten – regelmäßig vorwegnimmt (so schon Streyl vor Inkrafttreten der neuen Vorschrift in NZM 2012, 249, 253; Fleindl in ZMR 2013, 677, 679). Das haben auch die vom Amtsgericht zitierten Entscheidungen des AG Hanau und des LG Mönchengladbach so gesehen (vgl. auch Börstinghaus, jurisPR-MietR 2/2014, Anm. 5 in Besprechung der Entscheidung des LG Mönchengladbach).

Fazit: § 940 Abs. 2 ZPO regelt einzige und typisierte Bedingungen für den Verfügungsgrund, soweit und solange diese Voraussetzungen vorliegen.
Die Entscheidung des AG Mitte (sowie die bestätigende Entscheidung des LG Berlin, die dazu allerdings keine weitere Argumentation aufzeigt) ist abzulehnen.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 597 und in unserer Datenbank)
Autor: Klaus Schach


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