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Mieter stoppt Balkonanbau – auch beim Nachbarn
Besitzstörung: Einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Modernisierung
03.06.2015 (GE 9/2015, S. 549) Liegt eine erhebliche Besitzstörung durch Modernisierungsarbeiten an der Fassade vor, hat der in seinem Besitzrecht beeinträchtigte Mieter einen Anspruch auf Unterlassung des Anbaus von Balkonen auch neben oder oberhalb der Mietwohnung.
Der Fall: Der Mieter begehrte von dem Vermieter durch einstweilige Verfügung die Unterlassung des Anbaus von Balkonen nicht nur vor seiner Wohnung, sondern auch daneben und in Obergeschossen, ferner auch den Rückbau schon bereits montierter Balkonteile. Das Amtsgericht erließ die einstweilige Verfügung auf Unterlassung des Anbaus im 2. bis 4. OG, wies den Antrag im Übrigen jedoch zurück. Dagegen legten beide Parteien sofortige Beschwerde ein.
Der Beschwerdebeschluss: Das LG Berlin, ZK 65 (originärer Einzelrichter), wies die Beschwerden zurück. Der antragstellende Mieter habe einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Arbeiten zum Anbau der Balkone im 2. bis 4. OG. Zwar sei anerkannt, dass unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 906 BGB nur erhebliche Beeinträchtigungen der Besitzausübung Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach §§ 858 ff. auslösen könnten, während unerhebliche Beeinträchtigungen des Gebrauchs hinzunehmen seien. Nach diesen Maßstäben sei jedoch vorliegend eine Besitzstörung durch die bevorstehende „Anarbeitung“ der Balkone an die Fassade vor den vom Antragssteller gemieteten Räumlichkeiten und den darüber befindlichen Geschossen gegeben. Das ergebe sich hier bereits aus dem Umstand, dass die unmittelbar nebeneinander liegenden Balkone zum Zwecke der Befestigung ebenso betreten werden müssten wie das vor den Fenstern der Wohnung des Mieters stehende Baugerüst. Letzteres gelte weiter gehend für die Ausführung der Arbeiten im 3. und 4. OG, nicht hingegen des 1. Geschosses. Die Möglichkeit des Einblicks in die Wohnung vom Baugerüst aus störe den Antragsteller in seinem Besitz an der Wohnung unter dem Gesichtspunkt ihrer Privatheit. Hinzu komme, dass eine immissionsfreie „Anarbeitung“ der Balkone an die Fassade nicht vorstellbar sei. Die Beeinträchtigung durch Immissionen betreffe mangels konkreten Vortrags des Antragstellers jedoch vordergründig Arbeiten, die unmittelbar vor seinen Räumlichkeiten, also im 2. OG ausgeführt würden, nicht hingegen das 1. sowie das 3. bis 4. OG.
Die Widerrechtlichkeit der Besitzstörung entfalle nur dann, wenn das Gesetz die Störung gestatte, wobei gesetzliche Gestattungen sich aus jeder Rechtsnorm ergeben könnten. Die Rechtsnorm müsse allerdings die eigenmächtige Störung gestatten; Normen, die lediglich einen entsprechenden Anspruch gewährten, rechtfertigten nicht die eigenmächtige Durchsetzung. Sie seien – im Zweifel – durch Beschreiten des Rechtsweges durchzusetzen. § 555 d BGB möge dem Vermieter einen Anspruch auf Duldung der hier gegenständlichen Maßnahmen geben; der Regelung lasse sich hingegen nicht die Gestattung einer eigenmächtigen Störung entnehmen. Das lasse sich vielmehr nicht mit dem Zweck des Regelungsgefüges der §§ 555 b ff. BGB vereinbaren.
Vorliegend sei der Eintritt von weiteren Störungen auch tatsächlich zu besorgen, da der Vermieter auch die bisherigen Arbeiten ohne bzw. gegen den Willen des Mieters begonnen und durchgeführt habe.
Ein weiter gegebener Anspruch des Mieters bestehe hingegen nicht. Es bestehe unter den gegebenen Umständen kein Anspruch auf Beseitigung der bereits montierten Balkonteile und – damit einhergehend – des Gerüstes. Das Begehren des Mieters gehe mit dem Rückbauverlangen die Balkone betreffend bereits über eine einfache Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, da dieses auch Belange Dritter betreffe, nämlich die der anderen Mieter des Gebäudes. Im Übrigen habe der Mieter Kenntnis vom Beginn der Maßnahmen gehabt, deren Durchführung aber bis zu ihrem nahezu vollständigen Abschluss abgewartet, um nunmehr den Rückbau des Gerüstes und der weitgehend vollständig errichteten Balkone zu verlangen. Infolge seines Abwartens wäre ein solcher Rückbau mit einem beträchtlich erhöhten Kostenaufwand – bis hin zu einer Verdoppelung der Kosten – verbunden; nicht etwa wegen des Abbaus des Gerüstes, von dem allein eine Besitzstörung ausgehe, sondern wegen der damit verbundenen Erfordernisse der Sicherung der Balkone durch deren Abbau.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 595 und in unserer Datenbank)
Der Beschwerdebeschluss: Das LG Berlin, ZK 65 (originärer Einzelrichter), wies die Beschwerden zurück. Der antragstellende Mieter habe einen Anspruch auf Unterlassung der weiteren Arbeiten zum Anbau der Balkone im 2. bis 4. OG. Zwar sei anerkannt, dass unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 906 BGB nur erhebliche Beeinträchtigungen der Besitzausübung Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach §§ 858 ff. auslösen könnten, während unerhebliche Beeinträchtigungen des Gebrauchs hinzunehmen seien. Nach diesen Maßstäben sei jedoch vorliegend eine Besitzstörung durch die bevorstehende „Anarbeitung“ der Balkone an die Fassade vor den vom Antragssteller gemieteten Räumlichkeiten und den darüber befindlichen Geschossen gegeben. Das ergebe sich hier bereits aus dem Umstand, dass die unmittelbar nebeneinander liegenden Balkone zum Zwecke der Befestigung ebenso betreten werden müssten wie das vor den Fenstern der Wohnung des Mieters stehende Baugerüst. Letzteres gelte weiter gehend für die Ausführung der Arbeiten im 3. und 4. OG, nicht hingegen des 1. Geschosses. Die Möglichkeit des Einblicks in die Wohnung vom Baugerüst aus störe den Antragsteller in seinem Besitz an der Wohnung unter dem Gesichtspunkt ihrer Privatheit. Hinzu komme, dass eine immissionsfreie „Anarbeitung“ der Balkone an die Fassade nicht vorstellbar sei. Die Beeinträchtigung durch Immissionen betreffe mangels konkreten Vortrags des Antragstellers jedoch vordergründig Arbeiten, die unmittelbar vor seinen Räumlichkeiten, also im 2. OG ausgeführt würden, nicht hingegen das 1. sowie das 3. bis 4. OG.
Die Widerrechtlichkeit der Besitzstörung entfalle nur dann, wenn das Gesetz die Störung gestatte, wobei gesetzliche Gestattungen sich aus jeder Rechtsnorm ergeben könnten. Die Rechtsnorm müsse allerdings die eigenmächtige Störung gestatten; Normen, die lediglich einen entsprechenden Anspruch gewährten, rechtfertigten nicht die eigenmächtige Durchsetzung. Sie seien – im Zweifel – durch Beschreiten des Rechtsweges durchzusetzen. § 555 d BGB möge dem Vermieter einen Anspruch auf Duldung der hier gegenständlichen Maßnahmen geben; der Regelung lasse sich hingegen nicht die Gestattung einer eigenmächtigen Störung entnehmen. Das lasse sich vielmehr nicht mit dem Zweck des Regelungsgefüges der §§ 555 b ff. BGB vereinbaren.
Vorliegend sei der Eintritt von weiteren Störungen auch tatsächlich zu besorgen, da der Vermieter auch die bisherigen Arbeiten ohne bzw. gegen den Willen des Mieters begonnen und durchgeführt habe.
Ein weiter gegebener Anspruch des Mieters bestehe hingegen nicht. Es bestehe unter den gegebenen Umständen kein Anspruch auf Beseitigung der bereits montierten Balkonteile und – damit einhergehend – des Gerüstes. Das Begehren des Mieters gehe mit dem Rückbauverlangen die Balkone betreffend bereits über eine einfache Vorwegnahme der Hauptsache hinaus, da dieses auch Belange Dritter betreffe, nämlich die der anderen Mieter des Gebäudes. Im Übrigen habe der Mieter Kenntnis vom Beginn der Maßnahmen gehabt, deren Durchführung aber bis zu ihrem nahezu vollständigen Abschluss abgewartet, um nunmehr den Rückbau des Gerüstes und der weitgehend vollständig errichteten Balkone zu verlangen. Infolge seines Abwartens wäre ein solcher Rückbau mit einem beträchtlich erhöhten Kostenaufwand – bis hin zu einer Verdoppelung der Kosten – verbunden; nicht etwa wegen des Abbaus des Gerüstes, von dem allein eine Besitzstörung ausgehe, sondern wegen der damit verbundenen Erfordernisse der Sicherung der Balkone durch deren Abbau.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 595 und in unserer Datenbank)
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