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Baustopp wegen Besitzstörung
Einstweilige Verfügung gegen Balkonanbau
22.05.2015 (GE 8/2015, S. 484) Wann „überholt“ ein Duldungstitel gegen den Mieter auf Anbau eines Balkons wegen nachhaltiger Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache eine einstweilige Verfügung gegen den Vermieter auf Unterlassung des Balkonanbaus?
Der Fall: Der Vermieter kündigte dem Mieter eine Modernisierungsmaßnahme durch Anbau eines Balkons an der Mietwohnung an. Der Mieter erwirkte beim Amtsgericht durch Urteil eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung des Anbaus wegen Besitzstörung. Dagegen legte der Vermieter Berufung zum Landgericht ein. Parallel dazu war (bei einer anderen Abteilung des Amtsgerichts) eine Klage auf Duldung des Balkonanbaus rechtshängig; mit der Duldungsklage war der Vermieter – zeitlich nach Erlass der einstweiligen Verfügung – erfolgreich. Der Mieter erklärte vor dem Landgericht im einstweiligen Verfügungsrechtsstreit Hauptsachenerledigung, der Vermieter schloss sich dem nicht an.
Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 18 (Einzelrichter), wies die Berufung des Vermieters auf dessen Kosten mit der Maßgabe zurück, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Der Antrag des Mieters sei ursprünglich begründet gewesen und erst nachträglich infolge der Erledigung unbegründet geworden.
Dem Mieter habe ein Anspruch auf Unterlassung des Anbaus eines Balkons von außen an seine Wohnung gemäß §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB zugestanden, weil er durch den Anbau in seinem Besitz gestört werde, ohne dass es darauf ankomme, ob ihm auch Besitz oder Mitbesitz an der Außenfassade zustehe. Durch den Balkon werde das Erscheinungsbild der Wohnung selbst verändert, und es komme zu einer optischen Beeinträchtigung, da die Aussicht verändert werde und die Gefahr bestehe, dass sich Laub und Unrat auf dem Balkon ansammelten (!).
Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Besitzstörung ohne erforderlichen Duldungstitel eine verbotene Eigenmacht darstelle. Ob dem Vermieter ein (Modernisierungs-) Duldungsanspruch zustehe, sei für den Anspruch des Mieters aus Besitzstörung unerheblich (§ 863 BGB).
Der Verfügungsanspruch habe sich nachträglich infolge des nach dem Urteil des Amtsgerichts zur einstweiligen Verfügung verkündeten Duldungstitels der anderen Abteilung des Amtsgerichts erledigt, da wegen dieses Duldungs-Titels eine verbotene Eigenmacht nicht mehr vorgelegen habe. Der Mieter war gegen den Duldungstitel in die Berufung gegangen (LG Berlin - 18 S 224/14 -), diese hatte allerdings keinen Erfolg (§ 592 ZPO).
Anmerkung: Das (Kosten-) Urteil des Landgerichts ist kritisch zu hinterfragen. Prozessual sei zunächst angemerkt, dass nach einseitiger Hauptsachenerledigungserklärung festzustellen ist, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, ein erledigendes Ereignis liege vor, und der erledigte Anspruch sei begründet gewesen. Die Kostenentscheidung ergeht dann zu Lasten der Gegenpartei, hier also des Vermieters. Ein Urteil auf Zurückweisung der Berufung des Berufungsführers ergeht nicht. Vorliegend stellt sich nun die Frage, welchen Einfluss das Duldungsurteil des Amtsgerichts, das vor der Entscheidung des Landgerichts zur einstweiligen Verfügung ergangen ist, auf die Berufungsentscheidung hat. Die ZK 18 meint, der Verfügungsanspruch habe sich damit erledigt, da eine verbotene Eigenmacht nicht mehr vorgelegen habe. Damit wird eine ex-nunc-Rechtsfolge angenommen, was jedoch fehlerhaft sein dürfte. Nach § 863 BGB kann gegenüber den Besitzschutzansprüchen nur geltend gemacht werden, dass die Besitzstörung nicht verbotene Eigenmacht sei; damit ist nicht gemeint, dass die Besitzstörung nicht mehr verbotene Eigenmacht sei.
In § 858 Abs. 1 BGB heißt es zur verbotenen Eigenmacht: „(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).“
Ist die Störung demnach nach § 555 d Abs. 1 BGB zu dulden (hier hatte der Mieter nach dem Urteil des AG den Balkonanbau zu dulden), gilt das ohne die zeitliche Einschränkung, dass das erst ab der entsprechenden gerichtlichen Feststellung gilt. Das Landgericht hätte daher die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens dem Mieter auferlegen müssen (prozessual wäre dann keine Hauptsachenerledigung in Betracht gekommen, der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hätte zurückgewiesen werden müssen).
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 512 und in unserer Datenbank)
Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 18 (Einzelrichter), wies die Berufung des Vermieters auf dessen Kosten mit der Maßgabe zurück, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Der Antrag des Mieters sei ursprünglich begründet gewesen und erst nachträglich infolge der Erledigung unbegründet geworden.
Dem Mieter habe ein Anspruch auf Unterlassung des Anbaus eines Balkons von außen an seine Wohnung gemäß §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB zugestanden, weil er durch den Anbau in seinem Besitz gestört werde, ohne dass es darauf ankomme, ob ihm auch Besitz oder Mitbesitz an der Außenfassade zustehe. Durch den Balkon werde das Erscheinungsbild der Wohnung selbst verändert, und es komme zu einer optischen Beeinträchtigung, da die Aussicht verändert werde und die Gefahr bestehe, dass sich Laub und Unrat auf dem Balkon ansammelten (!).
Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Besitzstörung ohne erforderlichen Duldungstitel eine verbotene Eigenmacht darstelle. Ob dem Vermieter ein (Modernisierungs-) Duldungsanspruch zustehe, sei für den Anspruch des Mieters aus Besitzstörung unerheblich (§ 863 BGB).
Der Verfügungsanspruch habe sich nachträglich infolge des nach dem Urteil des Amtsgerichts zur einstweiligen Verfügung verkündeten Duldungstitels der anderen Abteilung des Amtsgerichts erledigt, da wegen dieses Duldungs-Titels eine verbotene Eigenmacht nicht mehr vorgelegen habe. Der Mieter war gegen den Duldungstitel in die Berufung gegangen (LG Berlin - 18 S 224/14 -), diese hatte allerdings keinen Erfolg (§ 592 ZPO).
Anmerkung: Das (Kosten-) Urteil des Landgerichts ist kritisch zu hinterfragen. Prozessual sei zunächst angemerkt, dass nach einseitiger Hauptsachenerledigungserklärung festzustellen ist, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, ein erledigendes Ereignis liege vor, und der erledigte Anspruch sei begründet gewesen. Die Kostenentscheidung ergeht dann zu Lasten der Gegenpartei, hier also des Vermieters. Ein Urteil auf Zurückweisung der Berufung des Berufungsführers ergeht nicht. Vorliegend stellt sich nun die Frage, welchen Einfluss das Duldungsurteil des Amtsgerichts, das vor der Entscheidung des Landgerichts zur einstweiligen Verfügung ergangen ist, auf die Berufungsentscheidung hat. Die ZK 18 meint, der Verfügungsanspruch habe sich damit erledigt, da eine verbotene Eigenmacht nicht mehr vorgelegen habe. Damit wird eine ex-nunc-Rechtsfolge angenommen, was jedoch fehlerhaft sein dürfte. Nach § 863 BGB kann gegenüber den Besitzschutzansprüchen nur geltend gemacht werden, dass die Besitzstörung nicht verbotene Eigenmacht sei; damit ist nicht gemeint, dass die Besitzstörung nicht mehr verbotene Eigenmacht sei.
In § 858 Abs. 1 BGB heißt es zur verbotenen Eigenmacht: „(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).“
Ist die Störung demnach nach § 555 d Abs. 1 BGB zu dulden (hier hatte der Mieter nach dem Urteil des AG den Balkonanbau zu dulden), gilt das ohne die zeitliche Einschränkung, dass das erst ab der entsprechenden gerichtlichen Feststellung gilt. Das Landgericht hätte daher die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens dem Mieter auferlegen müssen (prozessual wäre dann keine Hauptsachenerledigung in Betracht gekommen, der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hätte zurückgewiesen werden müssen).
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 512 und in unserer Datenbank)
Autor: Klaus Schach
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