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Mieter sollen sich künftig ihre Wohnung „ersteigern“ – erste Reaktion auf das künftige Bestellerprinzip
Erste Online-Auktionsplattform für Mietimmobilien
04.05.2015 (GE 7/2015, S. 407) Ende März ist die von der smmove Deutschland GmbH getragene „weltweit erste Online-Auktionsplattform für Mietimmobilien“ in Deutschland an den Start gegangen. smmove startet mit – zunächst noch – mageren 8.000 deutschlandweiten Wohnungsinseraten, hat aber nach eigenen Angaben namhafte Vermieter wie die Deutsche Annington, Strabag RPS und Vegis Unternehmensgruppe als Erstkunden gewinnen können. Die Plattform ist als Antwort auf das Bestellerprinzip zu verstehen. Makler bleiben außen vor, dafür kassiert die Auktionsplattform, die nach dem Prinzip der Wohnungsversteigerung funktionieren soll.
Und so soll das gehen: Zunächst stellen Vermieter ihre zu vermietenden Wohnungen inklusive Exposé und Bildmaterial online und legen fest, welchen„Bonitätslevel“ sie sich von ihrem künftigen Mieter wünschen. In den für jedermann offenen Online-Auktionen geben dann Mietinteressenten nach Registrierung und dem Nachweis der Bonität ihr individuelles Höchstgebot auf eine Mietwohnung ab und bestimmen so den aus ihrer Sicht passenden Mietpreis für das Objekt.
Vermieter bestimmen ihr Wunschgebot und Mietinteressenten durch Gebotsabgabe mit der für gerechtfertigt gehaltenen Miethöhe. Sie können dabei eine Höchstmiete festlegen, die ein faires Niveau abbildet „oder dem gesetzlich zulässigen Rahmen entspreche“. Mietinteressenten können ihrerseits ein Gebot abgeben, das unter oder über dem Wunschgebot des Vermieters liege oder genau seinen Vorstellungen entspreche. smmove qualifiziere alle Gebote und präsentiere dem Vermieter die fünf Höchstgebote.
Eines der Hauptkriterien dafür, ob man mitbieten und mieten könne, sei die Solvenz und Bonität (wo ist der Unterschied?) des künftigen Mieters. Jeder Mietinteressent werde automatisch und für den Vermieter kostenlos von Wirtschaftsauskunftsdateien (wie Schufa, Creditreform und anderen) auf seine Bonität geprüft (der verlässlichste Nachweis, die Vorvermieterbescheinigung, bleibt bei diesem Prozess außen vor). Während des Auktionsverlaufes werde mittels eines automatisierten Monitorings kontinuierlich die Relation zwischen abgegebenem Mietpreisgebot und angegebenem Haushalts-Nettoeinkommen geprüft.
Ein zusätzliches „qualitatives Matching nach dem Dating-Prinzip“ optimiere die Wohnungssuche. Hierbei können Mietinteressenten bevorzugte Mietkriterien wie z. B. „Spielplatz- oder Schulnähe“,„familienfreundliche Wohngegend“,„Studentenviertel“ oder „Haustiere erlaubt“ auswählen, so dass sie direkt auf Objekte böten, die ihren Kriterien und zugleich denen des Vermieters entsprächen. So können spätere eventuelle Schwierigkeiten mit der Nachbarschaft o. Ä. direkt ausgeschlossen werden. Zudem können sich Mietinteressenten erstmals mit einem speziellen Tool bestmöglich (wie auch sonst) selbst beschreiben.
Eine Auktion laufe maximal 14 Tage. Nach Auktionsende könne sich der Vermieter innerhalb einer Woche unter den höchstbietenden Mietern entscheiden. Dabei stehe es ihm frei, die von smmove präsentierten Kandidaten persönlich einzuladen oder via Video-Chat kennenzulernen. Wer trotzdem Wert auf die Besichtigung der Wohnung lege, könne das jederzeit (während der Auktion oder am Auktionsende) vereinbaren. Sollte unter den fünf präsentierten Mietern kein passender dabei sein, stehe es dem Wohnungsanbieter frei, sich auch alle anderen Gebote anzuschauen und aus diesem Pool von Interessenten den für ihn Richtigen auszuwählen.
Die Auktionsgebühren dafür liegen bei 25 % einer Nettokaltmiete, die ausschließlich im Erfolgsfall (nach Abschluss eines Mietvertrages), und zwar vom Vermieter zu zahlen ist. Wer ein wenig mehr haben will als den Basisdienst, kann den Fotoservice buchen und sich Wohnungsbilder für eine Präsentation anfertigen lassen (149 € aufwärts). smmove übernimmt auf Wunsch des Vermieters auch die Wohnungsbesichtigungen (1. Besichtigung 199 €, jede weitere 99 €). Daneben können Inserate gegen Entgelt hervorgehoben werden (ab 3,33 € pro gebuchtem Tag).
Für den Mietinteressenten entstehen im ganzen Auktionsprozess bis hin zum Vertragsabschluss keine Gebühren, da Profilerstellung, Bonitätsprüfung und Teilnahme an Auktionen etc. für ihn kostenlos sind. Zudem bietet smmove die Möglichkeit, einen Mietvertrag online abzuschließen – wovor allerdings ausdrücklich zu warnen ist. Vermieter und Verwalter sollten Mietverträge grundsätzlich erst abschließen, wenn sie den Mieter persönlich in Augenschein genommen haben, denn nichts, schon gar nicht geduldiges Papier oder Dateien, kann den persönlichen Erstkontakt ersetzen; wer darauf verzichtet, holt sich mehr Probleme ins Haus, als ihm lieb ist. Abgesehen davon müssen Mietverträge, die für mehr als ein Jahr gelten, immer schriftlich (eigenhändige Unterschrift) abgeschlossen werden. Das Unternehmen wirbt u. a. damit, dass Mieter und Vermieter online zueinander fänden – „ohne lästige Massenbesichtigungen und dank Online-Mietvertragsabschluss bequem und auf Wunsch von überall auf der Welt“. Da werden dann schnell findige Juristen auf die Idee kommen, den Mietern ein Widerrufsrecht zuzugestehen, man braucht im Prinzip nur die Plattform als virtuelles Vermieter-/Verwalterbüro zu definieren. Wenn dann die Wohnung, dank üppiger Bebilderung auf der Website, erst gar nicht besichtigt wird, sind, wenn der Vertrag online abgeschlossen wird, alle im virtuellen Raum zusammen, und das Widerrufsrecht könnte greifen.
Der komplette Vermietungsprozess werde online abgebildet, wirbt die Firma – von der Anfrage bis zum Vertragsabschluss. Summiere man die Kostenvorteile von automatischer Bonitätsprüfung, Vorauswahl der Mieter, Online-Mietvertrag etc., so könnten Vermieter bis zu 75 % der Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Vermarktungswegen einsparen, heißt es. Wenn man beim Vertragsabschluss abe rauf die eigene Menschenkenntnis verzichtet, schlagen diese minimalen Vorteile ziemlich schnell in deftige Verluste um.
Prinzipiell ist die Grundidee, Mietverträge „ersteigern“ zu lassen, gerade nach Einführung des Bestellerprinzips für Vermieter attraktiv. Nicht ohne Grund hat der Berliner Mieterverein sie sofort und rundweg abgelehnt, weil er fürchtet, mit Auktionen werde der Mietpreis in angespannten Wohnungsmärkten noch weiter in die Höhe getrieben. Deshalb empfehle man die Nutzung des Angebots nicht. Dabei wird allerdings verkannt, dass nicht solche Auktionen, sondern das Verhältnis von Angebot und Nachfrage letztlich den Preis bestimmt. Im Übrigen handelt es sich nicht um echte Auktionen, weil ihnen das Moment des Zuschlags fehlt; es ist vielmehr nur eine Art Immobilienbörse mit einigen vorgelagerten Auswahlmodi. Prinzipiell ließen sich solche „Auktionen“ in Form der Holländischen (Rückwärts-) Auktion auch in nachfrageschwachen Märkten einsetzen.
Wenn die aufgezeigten Baustellen noch bereinigt werden, wird die neue Plattform (www.smmove.de) sicherlich ihre Nutzer finden. Allerdings werden auch die etablierten Plattformen wie immoscout oder immonet darauf reagieren.
Autor: D.B.


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