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Flucht in die "Umfassende Modernisierung"?
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01.05.2015 (GE 7/2015, S. 402) Das mit Abstand größte Problem unseres Landes ist, dass immer mehr seiner Einwohner ihren gottgegebenen Verstand nicht mehr nutzen, sondern sich aus Bequemlichkeit lieber der Diktatur der Parolen beugen. Anders ist die nach Verabschiedung der „Mietpreisbremse“ aufgekommene Diskussion um bevorstehende Luxusmodernisierungen nicht zu verstehen, die von Politikern fast aller Lager angezettelt worden ist.
Bekanntlich gilt die Mietpreisbremse nicht für „umfassend modernisierte Wohnungen“. Und hier wittern Berliner Politiker Ungemach. Das lade Vermieter geradezu ein, „Luxusmodernisierungen“ durchzuführen, heizt die grüne Fraktionsvorsitzende Antje Kappek die Stimmung an, ihre in den Zeitungen als„Mietenexpertin“ gehandelte Fraktionskollegin Katrin Schmidberger findet in der Regelung reflexhaft sofort eine „Gerechtigkeitslücke“, und Iris Spranger, der wohnungsbaupolitischen Sprecherin der SPD, schwant, dass Vermieter die umfassende Modernisierung nutzen könnten, um die Mietpreisbremse zu umgehen. Was Letzteres betrifft, hätte bei Iris Spranger ein kurzes Nachdenken immerhin zur Erkenntnis verhelfen können, dass es maßgeblich ihre Partei war, die das Mietpreisbremsengesetz durchgesetzt hat. Wenn der Gesetzgeber aber bestimmte Ausnahmetatbestände normiert und die Gesetzesbefolger sie in Anspruch nehmen, kann man doch nicht ernsthaft von „Umgehung“ sprechen. Wenn die aufgeregten„Mietrechtsexperten“ noch ein wenig mehr nachgedacht hätten, wären sie vielleicht von selbst darauf gekommen, dass nur Eigentümer, die nicht rechnen können, sich auf solche Umwege machen. Die meisten Eigentümer können aber rechnen. Der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass
für eine umfassende Sanierung ein Drittel vergleichbarer Neubaukosten aufgewendet werden müssen. Bei Neubaukosten (ohne Grundstücksanteile) von um die 2.000 €/m2 müssten also knapp 700 €/m2 in die Modernisierung gesteckt werden. Damit landet man bei einer Mieterhöhung von rund 6,40 €/m2 monatlich. Abgesehen davon, dass die Mieter, die eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Miete bezahlen könnten, in Berlin sehr dünn gesät sind: Was hätte denn
ein Vermieter davon? Die Folge seiner Investition wäre, dass er für den Rest seines Lebens von jeder Mieterhöhung ausgeschlossen wäre. Er hätte nämlich schon jetzt ein Mietniveau erreicht, für das die ortsübliche Miete noch 30 Jahre braucht. Und im Bestand kann man maximal bis zur Höhe der ortsüblichen Miete anheben, und bei der Neuvermietung bliebe die Miete jedenfalls in den nächsten
fünf Jahren eingefroren. Da wartet man doch besser ab und macht nichts. Hinzu kommt, dass seit der Mietrechtsreform von 2013 der Mieter im Regelfall jede Maßnahme dulden, aber keine Mieterhöhung bezahlen muss, wenn sie für ihn eine Härte darstellen würde. Wenn ein Vermieter aber mit 20 % oder 30 % oder gar noch mehr an Mieterhöhungsaus-
fall nach einer Modernisierung rechnen muss, setzt er mit umfassender Modernisierung deutlich mehr Geld in den Sand als mit maßvollen Baumaßnahmen. Auch ein Blick zurück macht manchmal schlauer. Zu Zeiten der Mietpreisbindung für Altbauten gab es über die §§ 16, 17 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes die Möglichkeit, durch umfassenden Bauaufwand aus Altbauwohnungen Neubauwohnungen zu machen und auf diese Weise aus der Mietpreisbindung für Altbauten zu flüchten. Die Rechtsprechung forderte
damals auch, dass ein Drittel vergleichbarer Neubaukosten dafür aufgewendet werden musste. Kaum einem ist in damaliger Zeit die Flucht gelungen, weil diese Schwelle praktisch nie erreicht wurde. Und so wird auch diese angebliche Lücke im Gesetz durch sich selbst geschlossen und auf absolute Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Das hinderte den Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, nicht, zu erklären, er habe „ausgerechnet“, dass in den nächsten fünf Jahren 8.700 Wohnungen umfassend modernisiert würden. Nicht jeder, der von sich behauptet, rechnen zu können, kann es auch.
Autor: Dieter Blümmel