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03.02.2015 (GE 2/2015, S. 75) Recht schmallippig beantworte der Berliner Senat eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Antje Kapek und Dr. Turgut Altug (GRÜNE) zum Kaufpreis eines Teils der Kleingartenkolonie Oeynhausen an der Forckenbeckstraße/Kissinger Straße, der bekanntlich bebaut werden soll.
Die beiden Abgeordneten wollten wissen, ob es zutreffe, dass die derzeitige Eigentümerin, die Lorac Investment Management S.à.r.I., das Grundstück 2008 für 598.068 € gekauft habe und nun für mindestens 40,290 Mio. € an einen Investor verkaufen wolle. Den Kaufpreis bestätigte der Senat, zum beabsichtigten Verkaufspreis wollte er sich nicht äußern. Die Absichten der Eigentümerin seien weder dem Senat noch dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf bekannt (obwohl die Spatzen es vom Dach pfeifen), und zwischen Privaten vereinbarte Grundstückspreise könne man sowieso nicht beeinflussen – das stimmt. Der Streit um die Bebauung der Kleingartenkolonie Oeynhausen in Schmargendorf ist weiter ungeklärt. Das Landgericht Berlin hatte kürzlich über eine Kündigungsschutzklage der Kleingärtner zu befinden und sich vorerst vertagt. Gegen die von der Groth-Gruppe geplante Wohnbebauung des Grundstücks gibt es erhebliche Widerstände. 2014 gab es in einem Bürgerentscheid eine Mehrheit gegen die Bebauung, die BVV hatte sich dem Votum angeschlossen. Das Bezirksamt unter Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) wehrt sich mit Verweis auf eine drohende Entschädigungszahlung in zweistelliger Millionenhöhe an Lorac. Der Grundstückssachverständige Dr.-Ing. Walter Schwenk hatte in einem vom Bezirksamt in Auftrag gegebenen Gutachten einen Verkehrswert zwischen 29,6 und 35,5 Mio. € ermittelt. Der Bezirk hat das Geld für eine Entschädigung nicht, und auch der Senat will dafür nicht geradestehen, außerdem braucht Berlin neue Wohnungen; ein Einknicken gegenüber den Individualinteressen der Kleingärtner, die ihre rund 300 Parzellen zum Jahresende 2014 hätten räumen sollen, käme deshalb doppelt so teuer, zumal die Vorplanung und Tiefbauplanung schon vorliegen. Der Fall der Kleingartenkolonie Oeynhausen ist allerdings nur ein Glied in einer ganzen Kette von Bürgerinitiativen und -protesten, die sich gegen eine Wohnbebauung nebenan wehren. Das beginnt bereits in der unmittelbaren Nachbarschaft der Kleingartenkolonie Oeynhausen: Am Franz-Cornelsen-Weg wollen Becker & Kries rund 70 Wohnungen bauen, flugs waren 2.000 Stimmen gesammelt, um einen Einwohnerantrag bei der BVV zu stellen, der das verhindern soll. Einen Steinwurf weit weg liegt das inzwischen nach der Schließung 2012 verwaiste Gelände der ehemaligen Zigarettenfabrik Reemtsma, das kürzlich von der – nomen est omen – „Die Wohnkompanie“ gekauft wurde; hier sperrt sich der Bezirk gegen eine Umwidmung in Wohnbauflächen. Die Elisabethaue im Pankower Norden, die dem Land Berlin gehört und schon seit ewigen Zeiten im Flächennutzungsplan als Wohnbaugebiet ausgewiesen ist, könnte, wie vor mehr als einer Dekade schon mal geplant, Platz für mindestens 3.000 Wohnungen und Einfamilienhäuser bieten, doch die Anrainer fürchten um ihre ländliche Idylle und verweisen mit der typischen St. Florians-Mentalität auf angeblich besser erschlossene Flächen. Wo? Klar: „anderswo“. Und es nimmt nicht wunder, dass auch der Bezirk einer Bebauung alles andere als aufgeschlossen gegenüber steht. Berlins neuer Regierender Bürgermeister Michael Müller hatte kürzlich im Zusammenhang mit dem Senatsbeschluss, die Bebauungsplanung für einen Teil der Buckower Felder wegen ihrer besonderen stadtpolitischen Bedeutung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu übertragen, darauf verwiesen, dass er von Neuköllner Bezirkspolitikern vor dem Beschluss dazu ermutigt und nach dem Beschluss von denselben kritisiert wurde – eine Petitesse, die sogar Eingang in Müllers erste Regierungserklärung fand. Der Mann vergisst nicht die kleinste Kränkung. So etwas erschwert das Regieren.
Autor: Dieter Blümmel