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Kein Schadensersatz nach Räumung durch Vermieter
Das Urteil des Monats: Mieter hatte nicht vermieteten zweiten Keller vollgemüllt
25.01.2015 (GE 1/2015, S. 21) Bei einer „kalten“ Räumung durch den Vermieter (Räumung ohne Räumungstitel) haftet dieser für die unerlaubte Selbsthilfe ohne Verschulden für abhandengekommene Gegenstände des Mieters. Er muss dazu auch ein Inventarverzeichnis mit Angaben zum Wert der Gegenstände anfertigen. Nach Auffassung des AG Mitte gilt das nicht, wenn der Raum dem Mieter nicht vom Vermieter zugewiesen worden war, sondern er ihn eigenmächtig in Besitz genommen hatte. Ein lesenswertes Urteil eines aufgebrachten Amtsrichters.
DER FALL: Die Mieter hatten eine Wohnung mit einem Kellerabteil gemietet. Im Zuge von Sanierungsarbeiten nahmen die Mieter ein weiteres Kellerabteil in Besitz, nach ihrer Behauptung in Absprache mit dem Architekten und dem Hausmeister, lagerten dort zahlreiche Gegenstände ein und verschlossen das Kellerabteil mit einem Vorhängeschloss. Monate später stellten sie fest, dass die Vermieterin den Kellerverschlag aufgebrochen und geräumt hatte; die Gegenstände waren entsorgt worden. Die Mieter verlangten Schadensersatz in Höhe von mehr als 4.500 €.

DAS URTEIL: Das AG Mitte wies die Klage ab, da die Vermieterin hier den Kellerraum im Wege der zulässigen Selbsthilfe geöffnet habe. Eine verbotene Selbsthilfe hätte nur dann vorgelegen, wenn die Mieter berechtigte Besitzer des Kellerraums gewesen seien, was nach der Beweisaufnahme nicht erwiesen sei. Sie hätten vielmehr den Kellerraum im Wege der verbotenen Eigenmacht in Besitz genommen, so dass die Vermieterin auch keine Obhutspflicht an den ausgeräumten Sachen gehabt habe. Unabhängig davon seien auch die Angaben der Kläger zu den Gegenständen und deren Wert unglaubhaft, da z. B. die Klägerin trotz geringen Einkommens elf Paar hochwertige Schuhe dort gelagert haben will. Auch sonst, heißt es im Urteil ironisch, seien offenbar beide Kläger „aktive Liebhaber“ hochwertiger Gegenstände, gleichzeitig hätten sie Prozesskostenhilfe beansprucht. Diese Angaben seien unglaubhaft, so dass die Klage abzuweisen sei.

ANMERKUNG: Vermieter sollten ihre Praxis nicht nach diesem Urteil ausrichten. Zwar sind die Ausführungen des Amtsgerichts zur behaupteten Schadenshöhe nachvollziehbar; ein Richter muss nicht alles glauben, was Parteien unter Verletzung der Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO in einem Prozess vorbringen. Unzutreffend sind allerdings die Entscheidungsgründe zur angeblich berechtigten Selbsthilfe des Vermieters. Auch wenn man annimmt, dass die Mieter den Kellerverschlag im Wege der verbotenen Eigenmacht nach § 858 BGB in Besitz genommen hatten, war eine Selbsthilfe des Vermieters nach § 859 Abs. 3 BGB als Besitzkehr nur zulässig, wenn dies„sofort nach der Entziehung“ geschehen wäre. Das war hier nicht der Fall, denn„sofort“ ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Entziehung. Das OLG Brandenburg hat deshalb eine Besitzkehr zwei Wochen nach einer Hausbesetzung für unzulässig gehalten und ein Selbsthilferecht nach § 229 BGB verneint (NJW 1998, 1717). Schließlich ist auch Voraussetzung der Selbsthilfe, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des eigenen Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Auch wenn offenbar kein Name an dem Kellerabteil angebracht war, wäre die Vermieterin gehalten gewesen, vor dem Aufbrechen des Schlosses zunächst im Wege des Aushangs im Treppenhaus und an dem betreffenden Keller, möglicherweise auch mit Rundschreiben an die Mieter, auf eine Räumungspflicht hinzuweisen (vgl. AG Charlottenburg, GE 2013, 1281), was hier offenbar nicht geschah. Auch war keine Gefahr im Verzug, weil der Raum dringend benötigt wurde, etwa als Heizungsraum. Eine verschuldensunabhängige Haftung wegen irrtümlicher Selbsthilfe nach § 231 BGB wäre hier daher zu bejahen gewesen.


(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2015, Seite 60 und in unserer Datenbank)


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