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Stromdiebstahl durch Mieter berechtigt nicht ohne Weiteres zur Kündigung
Wegen der Ungewissheit über Ausmaß des Schadens
09.01.2015 (GE 24/2014, S. 1616) „Allgemein wird ein Kündigungsgrund bejaht, wenn ein Mieter Stromleitungen anzapft und auf diese Weise Energie verbraucht, ohne dafür zu bezahlen“ (Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Auflage 2014, Rn. 47 zu § 543 BGB). Die 67. Kammer des Landgerichts Berlin sieht das anders.
DER FALL: Die beklagte Mieterin wohnte in der obersten Etage des Hauses. Bei einer Begehung stellten Mitarbeiter der Hausverwaltung fest, dass die Mieterin von einer Steckdose im Treppenhaus ein Kabel in ihre Wohnung verlegt hatte. Der Vermieter kündigte am nächsten Tag fristlos, hilfsweise fristgerecht. Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab; die Berufung war erfolglos.


Die Entscheidung: Mit Beschluss vom 2. September 2014, bestätigt durch Beschluss vom 21. Oktober 2014, meinte das Landgericht Berlin, es liege zwar ein Stromdiebstahl vor, der mangels Abmahnung hier aber keine fristlose Kündigung rechtfertige. Es sei nicht bekannt, welche Menge an Strom die Mieterin entnommen habe oder wie lange die vorgefundene Situation bereits bestanden habe. Auch das Kammergericht habe einen Kündigungsgrund nur bejaht, wenn ein beträchtlicher Schaden dem Vermieter oder den Mitmietern entstanden sei. Das sei hier nicht ersichtlich.


ANMERKUNG: Nicht nur mehrere Amtsgerichte (AG Potsdam, WuM 1995, 40; AG Neukölln, GE 1995, 501) haben bei Stromdiebstahl eine fristlose Kündigung für gerechtfertigt gehalten; auch das Landgericht Berlin hat in solchen Fällen eine Abmahnung für entbehrlich gehalten (GE 1987, 517), wobei der Vermieter allerdings darlegen muss, dass dem Mieter ein Stromdiebstahl anzulasten ist. In dem entschiedenen Fall hatten die Beklagten vorgetragen, dass die Steckdose in ihrem Keller schon bei Beginn des Mietverhältnisses installiert gewesen sei. Auch das Landgericht Köln (NJW-RR 1994, 909) hat bei Stromdiebstahl des Mieters einen Kündigungsgrund bejaht. Eine Darlegung des Vermieters, wie lange der rechtswidrige Zustand schon bestanden hat (was ihm kaum möglich ist), wird ebenso wenig gefordert wie die Angabe der Menge des unbefugt entnommenen Stroms. Die Rechtsprechung der 67. Kammer beruft sich demgegenüber auf den Beschluss des Kammergerichts (GE 2004, 1588), wonach eine Kündigung dann ausscheidet, wenn der behauptete Stromverbrauch „so gut wie nicht messbar ist“. In dem Fall war unstreitig, dass der Mieter nur ein- bis zweimal im Monat den Keller aufsuchte und durch Einschalten des Lichts Strom verbrauchte. Dass hier nur eine geringfügige Pflichtverletzung vorlag, die eine Kündigung als letztes Mittel nicht rechtfertigte, ist nachvollziehbar. Es handelt sich aber eben um eine Ausnahme, die nur dann eingreift, wenn der Mieter ihre Voraussetzungen darlegt und beweist. Grundsätzlich muss der Vermieter nur den Stromdiebstahl durch den Mieter beweisen, um eine Kündigung aussprechen zu können; dass es sich um eine geringfügige Pflichtverletzung handelt, ist vom Mieter darzulegen. Die Auffassung der 67. Kammer führt dazu, dass der Vermieter verpflichtet ist, strafbare Handlungen sanktionslos
hinzunehmen.


(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2014, Seite 1653 und in unserer Datenbank)
Autor: Rudolf Beuermann


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