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Mietschuldenausgleich hilft dem Mieter nicht immer

Auswirkung der Zahlung auf ordentliche Kündigung
10.11.2014 (GE 20/2014, S. 1308) Der unverzügliche Ausgleich der Mietschulden nach Zugang der Kündigung allein macht das Festhalten des Vermieters an der ordentlichen Kündigung nicht treuwidrig.
DER FALL: Der Mieter geriet in einen kündigungsbegründenden Mietzahlungsrückstand. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis außerordentlich fristlos und daneben auch ordentlich. Der Mieter glich die Mietschulden innerhalb der Schonfrist aus; der Vermieter hielt an seiner ordentlichen Kündigung fest und klagte auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung. Das Amtsgericht wies die Klage ab, wogegen der Vermieter in die Berufung ging.


DAS URTEIL: Das LG Berlin, ZK 67 (Einzelrichter) änderte das Urteil ab und verurteilte den Mieter dem Klageantrag gemäß. Das Mietverhältnis sei aufgrund der ordentlichen Kündigung des Vermieters beendet. Befinde sich der Mieter in einem Zahlungsrückstand, der sogar zur fristlosen Kündigung berechtige, begründe das auch ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (BGH GE 2007, 46). Der eingetretene Zahlungsrückstand (vollständige Mieten September und Oktober 2013) sei von dem Mieter zu vertreten. Der Beklagte habe in seiner im Berufungsverfahren vorgenommenen Anhörung nach § 141 ZPO erklärt, durch seine erstinstanzlich behauptete Erkrankung nach Entlassung aus dem Krankenhaus am 31. August 2013 geistig in keinerlei Weise beeinträchtigt gewesen zu sein. Damit sei ihm die rechtzeitige Zahlung der zum Gegenstand der Kündigung erhobenen Mieten tatsächlich möglich gewesen. Die gleichwohl unterlassene Zahlung gereiche ihm zum Verschulden.
Die Schonfristzahlung habe nicht zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung geführt, da § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB (= Schonfristzahlung) nur auf die außerordentliche, nicht hingegen auf die ordentliche Kündigung anwendbar sei (BGH GE 2012, 1629). Das Festhalten des Vermieters an der ordentlichen Kündigung sei vorliegend auch nicht rechtsmissbräuchlich. Halte der Vermieter an der ordentlichen Zahlungsverzugskündigung fest, sei dies nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar, da andernfalls eine unzulässige Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf die ordentliche Kündigung vorgenommen würde. § 242 BGB (Treu und Glaube) könne bei nachträglicher Zahlung des Kündigungsrückstandes die Durchsetzung eines
auf eine ordentliche Kündigung gestützten Räumungsanspruchs deshalb nur ganz ausnahmsweise hindern, etwa dann, wenn die nachträgliche Zahlung ganz kurz nach dem Ausspruch der Kündigung erfolge und der Mieter nachvollziehbare Gründe für seine Säumnis angeben könne. An diesen Ausnahmevoraussetzungen fehle es: Zwar habe der Mieter den Kündigungsrückstand zeitnah nach Kündigungszugang beglichen. Er habe jedoch in offenkundigem Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen, er sei gesundheitsbedingt zur Bewältigung von Bankgeschäften nicht in der Lage gewesen, im zweiten Rechtszug auf Befragen keine stichhaltigen und durch die Anwendung des § 242 BGB schützenswerten Gründe mehr vorbringen können, wieso er trotz Entlassung und uneingeschränkter intellektueller Handlungsfähigkeit im gesamten September sowie bis zum 8. Oktober 2013 keine Mietzahlungen für diese Monate vorgenommen habe. Das gelte erst recht angesichts des in die Gesamtabwägung einzubeziehenden sonstigen vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten. Denn der Beklagte habe vor Kündigungsausspruch nicht nur eine vom Vermieter zu Recht beanspruchte Zustimmung zur Mieterhöhung verweigert, sondern die sich daraus ergebenden Erhöhungsbeträge selbst noch nach Eintritt der Rechtskraft des entsprechenden Berufungsurteils im Zustimmungsprozess sowie Ausspruch der Zahlungsverzugskündigung über einen Zeitraum von mehreren Monaten nicht beglichen.


ANMERKUNG: In der Rechtsprechung (z. B. BGH GE 2012,1629) ist die „Floskel” kreiert worden, dass die Schonfristzahlung zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs habe, die Schonfristzahlung jedoch den Zahlungsverzug des Mieters in einem „milderen Licht” erscheinen lassen könne. Diese Möglichkeit,„ein Auge zuzudrücken”, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nachträgliche Zahlung die Durchsetzung eines auf eine ordentliche Kündigung gestützten Räumungsanspruchs nur in Ausnahmefällen hindern kann (vgl. Milger in NZM 2013, 553, 555).


(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2014, Seite 1337 und in unserer Datenbank)
Autor: Klaus Schach


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