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Damentausch bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben
Namen & Nachrichten
27.10.2014 (GE 19/2014, S. 1218) Auf Vera Gäde-Butzlaff, die seit 2003 dem Vorstand der BSR angehörte und 2007
an die Spitze des Unternehmens rückte, weil ihr Vorgänger, der Österreicher Gerhard Gamperl, vom damaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) fristlos gefeuert worden war, folgt die der breiteren Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannte Unternehmensberaterin
Dr. Tanja Wielgoß.
Die aus dem Allgäu stammende promovierte Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin hatte nach ihren Universitätsabschlüssen zunächst bei der Unternehmensberatung Roland Berger gearbeitet und war vier Jahre später als geschäftsführendes Vorstandsmitglied zum Bundesverband
der Deutschen Fluggesellschaften gewechselt, danach zur Unternehmensberatung A.T. Kearney GmbH, wo sie als Partnerin insbesondere für die Bereiche Transport, Touristik und Infrastruktur zuständig war. So ganz grün kommt Tanja Wielgoß also nicht zur BSR, wo Transport und Logistik ja zu den Kernthemen gehören. Ihre Vorgängerin Gäde-Butzlaff hatte da als ehemalige Verwaltungsrichterin und Staatssekretärin für Umwelt und Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt vom Wissenshintergrund her schlechtere Startbedingungen. Der Wechsel an der BSR-Spitze erfolgt zum November 2014. Die Noch-Vorstandsvorsitzende Vera Gäde-Butzlaff hatte, wie berichtet, „aus persönlichen Gründen“ im vergangenen Jahr ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Unternehmen angekündigt, obwohl ihr damaliger Vertrag gerade verlängert worden war – allerdings hatte Gäde-Butzlaff damals schon eine kürzere als die übliche fünfjährige Vertragsdauer angestrebt, was offenbar an Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum, mit dem sie sicher keine wunderbare Freundschaft verbunden hat, gescheitert war – jedenfalls zunächst, denn die „durchsetzungsstarke und geschätzte Managerin“ (Originalton Nußbaum) fand letztlich auf schwejksche Art den Weg, ihre Vorstellung von Vertragsverlängerung durchzusetzen. In den elf Jahren, in denen Vera Gäde-Butzlaff für das Unternehmen BSR tätig war, hat sie in ihrer zähen, stillen und freundlichen Art aus der früheren Skandalnudel BSR „das effizienteste kommunale Entsorgungsunternehmen Deutschlands gemacht“ – das sagt über sie kein Geringerer als ihr großer Mitbewerber Dr. Eric Schweitzer, Präsident der Berliner IHK und des DIHK und Vorstand des Wettbewerbers ALBA. Gäde-Butzlaffs Nachfolgerin Tanja Wielgoß muss also in ziemlich große Schuhe schlüpfen, allerdings hinterlässt ihre Vorgängerin ein wohlbestelltes
Haus und hat die Themen der näheren Zukunft (ab 1. Januar 2015 wird bekanntlich auf ein neues Abfall-Tarifsystem durch Einführung einer Grundgebühr umgestellt) gelöst – jedenfalls im Prinzip. Trotzdem könnte auf die „Neue“ die erste Bewährungsprobe schon mit Amtsantritt am 1. November zukommen, denn der Winter steht vor der Tür. Und nach den Gesetzen der Evolution entscheidet der Winter über das Überleben. Warum? Die Evolutionsbiologen bemühen da häufig das Beispiel von den fetten und den mageren Hasen. Die fetten Hasen sind die, die bei der Futtersuche größeres Risiko gehen und sich häufiger aus der Deckung wagen – dafür werden sie auch vermehrt zur Beute der Füchse. Die mageren Hasen wagen sich seltener aufs Kohlfeld und laufen den Füchsen nicht so oft vor die Beißer. Wer von beiden Populationen seine Gene im nächsten Frühjahr öfter weitergeben darf, entscheidet alleine der Winter. Wird er lang und kalt, haben die fetteren Hasen die bessere Überlebenschance. Bleibt er kurz und mild, sind die mageren Hasen im Frühjahr zahlreicher. Wünschen wir also Tanja Wielgoß und uns, dass der kommende Winter kurz und warm wird und – um es in Abwandlung eines legendären Satzes von Klaus Wowereit zu formulieren – dass Berlin doch Haiti ist.