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Seit 28. August gilt das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung
Neue Leitlinie für Bebauungsplanverfahren
30.10.2014 (GE 19/2014, S. 1226) Am 28. August 2014 hat der Stadtentwicklungs- und Umweltsenator Michael Müller die Leitlinie für den Abschluss städtebaulicher Verträge in Berlin „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ unterzeichnet. Die Leitlinie tritt sofort in Kraft und gilt für alle Bebauungsplanverfahren, bei denen noch keine öffentliche Auslegung des Plans gemäß § 3 Abs. 2 BauGB stattgefunden hat, wenn mit ihnen erstmals oder vermehrt Wohnbauland geschaffen wird.
Inhalt der Leitlinien
Die Leitlinien orientieren sich im Wesentlichen am bisherigen Verfahren des Abschlusses von städtebaulichen Verträgen und Durchführungsverträgen und sehen die entsprechenden Leistungen des Vorhabenträgers gemäß § 11 BauGB vor. Neu ist, dass ein verbindlicher „Abschöpfungs-Rahmen“ festgelegt wird, der in den Jahren 2015 und 2016 40 % und danach 50 % des „Zielwertes“ beträgt. Der Zielwert ist der zukünftige Bodenrichtwert der Netto-Baulandflächen.
Bis zur Grenze dieses Betrages sind folgende Kosten vom Vorhabenträger zu übernehmen:

▪ alle Wettbewerbs- und Planungskosten,
▪ alle Kosten der Bodenneuordnung,
▪ alle Kosten der erforderlichen Flächenbereitstellung für Infrastruktur; dabei werden jedoch nur die üblichen Preise (5,00 €/m2 Straßenland und 30,00 €/m2 Grünflächen) zugrunde gelegt,
▪ alle Erschließungskosten,
▪ Ablösung der erforderlichen Grundschulplätze,
▪ Bau- oder Ablösung der erforderlichen 
Kinderbetreuungsplätze,
▪ ggf. Kosten für denkmalpflegerische 
Maßnahmen.


Vorlaufende Kosten für Ordnungsmaßnahmen (Abbruch, Altlasten) werden nicht berücksichtigt, es sei denn, der Vorhabenträger weist durch Anfangswertgutachten und Wirtschaftlichkeitsberechnung nach, dass das Gesamtvorhaben defizitär sein wird. Unklar ist dabei, wie bei der Umwidmung von Gewerbebau- in Wohnungsbauflächen zu verfahren ist. Hier spiegeln die Bodenrichtwerte der letzten Jahre deren gestiegene „Umwidmungserwartung“ oft nicht wider, so dass viele Investoren in den Jahren 2013/2014 nach Maßgabe der Richtlinie„zu teuer“ gekauft haben dürften. Soweit der Rahmen von 40 % (50 %) des „Zielwertes“ durch übernommene Kosten noch nicht ausgeschöpft ist, soll der jeweilige Bezirk unter bestimmten – sehr weit definierten – Voraussetzungen verlangen, dass für insgesamt 10 bis 33 % der zu errichtenden Wohnungen Mietpreis- und Belegungsbindungen eingeräumt werden. Maßgeblich für die Anrechnung auf den Abschöpfungsbetrag sind weitgehend nicht die tatsächlichen Kosten, sondern die sich aus den „Berechnungstools“, die den Leitlinien beigefügt sind, ergebenden Standardkosten. Dies gilt auch für die Bewertung der Mietpreisbindung.


Verfahren
In Zukunft muss jeder Vorhabenträger bereits vor Eröffnung des Bebauungsplanverfahrens den sich auf dieser Grundlage ergebenden„Abschöpfungsrahmen“ durch seine Unterschrift bestätigen und sich bereit erklären, die Planungskosten zu übernehmen. Kommt es am Ende nicht zum Abschluss des städtebaulichen Vertrages, soll der Bezirk das Bebauungsplanverfahren „zurückstellen“ und sich anderen Verfahren widmen.
Da die Leitlinien weitgehend ohne flächendeckende Mitwirkung der Bezirke entstanden sind, gibt es in den Bezirken bisher keinerlei Handhabungspraxis hinsichtlich ihrer konkreten Regelungen. Dementsprechend ist damit zu rechnen, dass es eine erhebliche Zeit der Unsicherheit und der Einarbeitung in die Leitlinien gibt, was mit Sicherheit zur weiteren Verzögerung des Abschlusses von städtebaulichen Verträgen und Durchführungsverträgen in den laufenden Verfahren führt.
Im Übrigen wird – wie bisher auch – verfahrensbegleitend an dem Vertrag gearbeitet. Parallel dazu muss zukünftig jeweils gerechnet werden, um festzustellen, ob die Ablösesumme noch stimmt und ob sie erreicht oder gar überschritten wird.


Verbindlichkeit
Die Leitlinien sind keine Rechtsnorm und auch keine verbindliche Weisung. Rein rechtlich könnten sich die Bezirke in laufenden Verfahren wegen zu befürchtender Verzögerungen über die Leitlinien ganz oder teilweise hinweg setzen. Ob sie dies tun werden, bleibt abzuwarten. Bei neu einzuleitenden Verfahren ist damit zu rechnen, dass die Bezirke zukünftig entsprechend der Leitlinie vorgehen.


Bewertung
Schon bisher waren die Verhandlung und der Abschluss von städtebaulichen Verträgen und Durchführungsverträgen ein schwieriges Geschäft. Positiv ist, dass nunmehr die Frage der mit den vielfältigen Forderungen, die die Bezirke in diesem Zusammenhang erheben, verbundenen Kosten einheitlich für Berlin geklärt ist. Die Regelung passt allerdings nur für den „Standard-Fall“ der Qualifizierung von Bauerwartungsland zu Wohnbauland. Die Umwidmung von Gewerbeflächen und die „Aufwertung“ von Flächen nach § 34 BauGB lässt sich dagegen mit dem „Zielwert“ nicht angemessen erfassen und wird jeweils zu einer Vielzahl von Konflikten über die „Angemessenheit“ der Forderungen der Bezirke führen. Absehbar ist, dass die erstmalige Ermittlung des „Zielwertes“ (vor Beginn des Verfahrens) und seine (ggf. mehrfache) Korrektur im Verfahren je nach Stand der Planung zu erheblichen Verzögerungen der Verfahren führen werden. Da sich der Zielwert auf die zukünftigen„Netto-Bauflächen“ bezieht, wird es langwierige Diskussionen geben, welche privaten Erschließungs- und Grünflächen, die nach der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg aus der Berechnung des Nutzungsmaßes auszunehmen sind, auch als„Netto-Bauflächen“ nicht berücksichtigt werden. Hierbei geht es um viel Geld, denn die Schulverwaltungen der Bezirke stehen schon jetzt bereit, jeden möglichen Euro für Schulinvestitionen „abzuschöpfen“. Das führt nicht zu einer schnelleren Bereitstellung von Wohnungen. Schon jetzt ist deshalb die Prognose angezeigt, dass diese „Leitlinie“ nicht die letzte sein wird, mit der sich der Senat beschäftigen muss, um zu mehr Wohnungsbau zu kommen. Hinweise der Redaktion: In der nächsten Ausgabe lesen Sie zum Thema einen Beitrag von Hellriegel/Wild, der sich mit den Voraussetzungen und Grenzen der Folgekostenüberwälzung bei Wohnbauvorhaben beschäftigt (u. a. Kita- und Schulplätze). Gaßner, Groth, Siederer & Coll. veranstalten zusammen mit Kurs und Gut Berliner Fachseminare am 18. November eine halbtägige Fachveranstaltung zu der Leitlinie. Infos unter 030/4115747.
Autor: RA Dr. Klaus-Martin Groth (Namenspartner des umfassend in Umwelt- und Planungsrecht tätigen Anwaltsbüros [Gaßner, Groth, Siederer & Coll.] in Berlin)