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Gemeinsam auf Dauer – oder nicht?
Verträge mit Mietergemeinschaften
15.10.2014 (GE 18/2014, S. 1178) Vermieter von großen Wohnungen sind nicht selten mit mehreren Personen konfrontiert, die sich für eine gemeinsame Begründung des Mietvertragsverhältnisses interessieren. Was ist bei der Vermietung an eine Wohngemeinschaft zu beachten?
In Berlin nimmt die Anzahl von Singlehaushalten stetig zu. Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg gab es im Jahr 2013 in Berlin 1.102,7 Millionen Einpersonenhaushalte. An allen Haushaltsformen betrug damit der Anteil ca. 55 %. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes entfielen im Jahr 2011 auf alle in Deutschland angenommenen ca. 40,4 Millionen Haushalte allein ca. 16,3 Millionen auf solche mit nur einer Person. Der Platzbedarf von Singlehaushalten ist begrenzt. Große Wohnungen, insbesondere mit mehr als zwei oder auch drei Zimmern, werden in der Regel für solche Haushalte nicht von Interesse sein. An Vermieter großer Wohnungen mit vielen Zimmern treten daher oftmals mehrere Personen heran, die eine gemeinsame Begründung des Mietvertragsverhältnisses beabsichtigen.
Im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Wohnraummietvertragsverhältnisses mit mehreren Personen muss der Vermieter darauf achten, dass er keine Nachteile im laufenden Mietverhältnis erfährt und sich auch keine Rechtsfolgen ergeben, die von einer oder auch beiden Mietvertragsparteien nicht gewollt sind.
Die Mietvertragsparteien können Inhalt und Voraussetzungen für Rechtsfolgen aus dem Mietverhältnis selbst regeln. Vor allem bei Vertragsschluss sollte der Vermieter seine Vorstellungen vom Mietverhältnis durchsetzen. Spätere Änderungen lassen sich nur mit Zustimmung der Mieter erreichen. Schließt der Vermieter mit mehreren Personen einen Wohnraummietvertrag ab, kann im Falle des Fehlens klarer Regelungen die Zusammensetzung der Mieterschaft während der Mietzeit Änderungen unterworfen sein, wenn einige der Mieter das Mietverhältnis nicht fortsetzen wollen. Aus den Umständen des Vertragsschlusses kann sich ergeben, so das LG Berlin in einer Festlegung, dass ein Mietvertrag nicht mit einzelnen Mietern geschlossen wird, sondern mit einer Gemeinschaft aus mehreren Personen, die sich zu einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft innerhalb einer Wohnung zusammengeschlossen haben (Urteil vom 9. Februar 2010 - 65 S 475/07, GE 2012, 1379, 1380). Gegenstück hierzu
ist die eheliche oder eheähnliche Lebensgemeinschaft innerhalb einer Wohnung. Der Vermieter muss also darauf achten, ob er Anhaltspunkte dafür hat, dass es sich bei dem beabsichtigten Mietvertragsverhältnis mieterseitig um eine dauerhafte Gemeinschaft handelt, die auf einer langfristigen Lebensplanung beruht, oder ob sie vielmehr von Lebensphasen abhängig begründet und beendet wird. Letzteres ist in rechtlicher Hinsicht eine so genannte BGB-Innengesellschaft.

Beispiel 1: Frau F und Herr H interessieren sich für eine Wohnung beim Vermieter V. Sie berichten während der Vertragsgespräche, dass dies ihre erste gemeinsame Wohnung sei und diese auch groß genug für den in Kürze erwarteten Nachwuchs sein dürfte. Nach zwei Jahren Mietzeit zieht H aus der Wohnung aus und erklärt (allein) die Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber V. Er bittet um Entlassung aus dem Mietverhältnis.

Beispiel 2: Der Vermieter möchte eine Wohnung – bestehend aus vielen Zimmern – vermieten. Als Mieter interessieren sich zwei Studentinnen und zwei Studenten, die zur Besichtigung der Wohnung noch weitere Freunde mitbringen. Nach zwei Jahren Mietzeit zieht einer der vier Mieter aus. Die drei verbliebenen Mieter möchten erneut eine vierte Person in die Wohnung und in den Mietvertrag aufnehmen und treten mit dieser Bitte an den Vermieter heran.

Hat der Vermieter an eine Mietergemeinschaft vermietet, besteht nach überwiegender Ansicht ein Anspruch aller Mitglieder der Wohngemeinschaft (WG) gegen den Vermieter, einer Auswechslung von Mietern zuzustimmen, d. h. der Entlassung eines ausscheidenden und der Aufnahme eines neuen Mitglieds. Denn dem Vermieter soll von Anfang an klar sein, dass eine WG aufgrund möglicher Wohnsitzwechsel oder aus anderen Gründen nicht auf Dauer angelegt ist.
Die Mieter trifft eine Anzeigepflicht, wenn es zum Personenwechsel innerhalb der WG kommt. Eine Verletzung der Anzeigepflicht rechtfertigt nicht die Kündigung des Mietverhältnisses, wenn ein Anspruch auf Zustimmung zum Vertragseintritt bezüglich einer weiteren Person besteht.
Das LG stellt weiterhin fest, dass an die Solvenz der eintretenden Mitglieder in eine Wohngemeinschaft keine höheren Anforderungen gestellt werden können als an die der ausscheidenden Mitglieder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Das kann aber nur dann in dieser Allgemeinheit gelten, wenn die Mietvertragsparteien hierzu nichts anderes regeln. Im Beispiel 1 kann Mieter H das Mietverhältnis nicht allein kündigen. Wenn zwei Personen einen Mietvertrag gemeinsam als Mietvertragspartei abschließen, dann können sie den Mietvertrag auch nur gemeinsam beenden. Die von H ausgesprochene Kündigung ist, solange er sie nicht gemeinsam mit F erklärt, unwirksam. Der Vermieter kann auch nicht wirksam mit (nur) einer Person auf Mieterseite eine Vereinbarung betreffend den Fortbestand des Mietverhältnisses treffen. Hierfür bedarf es auch der Mitwirkung des anderen Mieters. Im Beispiel 2 können die Mieter nicht nur die Entlassung des einen Mieters verlangen (wobei davon auszugehen ist, dass der Anspruch auf Entlassung lediglich dem ausziehenden Mieter zustehen dürfte, da anderenfalls nicht nur der Vermieter, sondern auch die Mieter den wechselwilligen Mieter „gegen seinen Willen festhalten“ könnten), sondern auch der Aufnahme eines weiteren/neuen Mieters in den Mietvertrag. Das Landgericht verlangt hier nicht einmal Willenserklärungen der Mietvertragsparteien, sondern geht davon aus, dass die Mieter den Vermieter lediglich von dem Wechsel der Mietperson informieren müssen.
Inhalt dieser Information sind zumindest solche Angaben, die erkennbar dem Vermieter bei der erstmaligen Begründung des Mietverhältnisses wichtig waren, z. B. persönliche Daten des Mieters, Einkommensverhältnisse, ggf. Mietsicherheiten, wenn diese durch den ausziehenden Mieter gestellt wurden. Der Vermieter hat bei Abschluss des Mietverhältnisses die Möglichkeit, etwaige Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Wechsel eines Mieters aus einer WG auszuschließen, indem er entsprechende Formulierungen in den Mietvertrag aufnimmt. Möchte der Vermieter in dem von ihm abgeschlossenen Mietverhältnis keinen von ihm nicht zu beeinflussenden Mieterwechsel erleben, hat er lediglich die Möglichkeit, das Mietverhältnis mit einem Hauptmieter abzuschließen, der dann nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen die Möglichkeit erhalten soll, einige Räume der Mietsache unterzuvermieten.
Autor: RA Dr. CARSTEN BRÜCKNER (Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht)