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Stillschweigende Annahme durch Stromverbrauch: Mieter, nicht Eigentümer, sind Vertragspartner
Grundsätzlich müssen Verfügungsberechtigte zahlen
07.10.2014 (GE 18/2014, S. 1169) Zwischen einem Stromversorger und demjenigen, der „an der Steckdose“ den Strom entnimmt, kommt durch die Entnahme von Energie ein Vertrag zustande, auch wenn kein schriftlicher Liefervertrag abgeschlossen worden ist. Dass der Stromversorger den Strom bis an die Steckdose bringt und damit die Möglichkeit eröffnet, Strom zu verbrauchen, nennt man „Realofferte“. Wird Strom gezapft, ist der Vertrag – konkludent – geschlossen, weil zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen: Der eine will Strom verkaufen, der andere will ihn verbrauchen. Kompliziert kann es werden, wenn das mit Energie versorgte Grundstück vermietet oder verpachtet ist. Der BGH hat jetzt grundsätzlich entschieden: Wenn ein Mieter oder Pächter vorhanden ist, richtet sich die Realofferte an ihn und nicht an den Grundstückseigentümer, der im entschiedenen Fall vergeblich auf Zahlung verklagt wurde. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Grundstückseigentümer einige wenige Tage zwischen Erwerb des Grundstücks und Verpachtung selber Strom entnommen hatte.
DER FALL: Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, begehrt von dem Beklagten als Grundstückseigentümer eine Vergütung für Stromlieferungen in Höhe von 32.539,09 €. Der Beklagte hatte das versorgte Grundstück am 29. Januar 2007 erworben und am 2. Februar 2007 an seinen Sohn verpachtet. Nach dem Pachtvertrag war der Pächter verpflichtet, die Stromkosten aufgrund eines eigenen Vertrags mit dem Versorgungsunternehmen zu tragen. Der Pächter verbrauchte erhebliche Mengen an Strom, schloss jedoch keinen Stromversorgungsvertrag ab und teilte der Klägerin auch nicht mit, dass er Strom verbrauche. Die Klägerin ließ mehrfach auf dem Grundstück den Stromverbrauch ablesen und schickte die entsprechenden Rechnungen zunächst an die frühere Grundstückseigentümerin, die der Klägerin jeweils mitteilte, dass sie mit dem Grundbesitz nichts mehr zu tun habe. Am 14. Dezember 2012 erstellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten als Grundstückseigentümer eine Rechnung für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 30. November 2010 in Höhe von 32.539,09 €. Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung sowie die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben.


DAS URTEIL: Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Energieversorgungsvertrag zustande gekommen ist. Denn die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens richtet sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Da es nicht maßgeblich auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am
Übergabepunkt ankommt, ist im Streitfall der Pächter des Grundstücks als Adressat des Vertragsangebots anzusehen, nicht der beklagte Eigentümer. Indem der Pächter Strom verbrauchte, nahm er aus objektiver Sicht des Energieversorgungsunternehmens die an ihn gerichtete Realofferte konkludent an.
Die von der Klägerin behauptete, ganz geringfügige Energieentnahme durch den Beklagten in dem kurzen Zeitraum von wenigen Tagen zwischen Eigentumserwerb des Beklagten und Übergabe des Grundstücks an den Pächter führt zu keiner anderen Beurteilung. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an stabilen Vertragsbeziehungen, deren Parteien mit angemessenem Aufwand zu ermitteln sind, sind derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen bei der Feststellung der Vertragsparteien zu vernachlässigen, meint der BGH.



(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2014, Seite 1197 und in unserer Datenbank)


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