Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Baustopp bei Modernisierungsarbeiten
Neue Berliner Welle: Einstweilige Verfügung wegen Besitzstörung des Mieters
23.09.2014 (GE 17/2014, S. 1091) Wirkt der Vermieter ohne vorherige Schaffung eines Duldungstitels zur Modernisierung der Mietsache auf die Mietsache ein (hier: Installation einer neuen Heizungsanlage nebst neuer Versorgungsleitungen und Anschluss an die zentrale Warmwasseraufbereitung), trägt im auf Besitzschutz gerichteten (einstweiligen Verfügungs-) Verfahren nicht der Mieter die Darlegungs- und Beweislast für die Erheblichkeit der Einwirkung, sondern der Vermieter muss dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass die Einwirkung lediglich unerheblich und deshalb vom Mieter ausnahmsweise auch ohne vorherige Erwirkung eines Duldungstitels zu dulden ist.
DER FALL: Der Vermieter kündigte umfassende Modernisierungsarbeiten bezüglich Heizung und Warmwasserversorgung an und begann auch mehr als zwei Monate nach Zugang der Ankündigung mit den Arbeiten. Weniger als zwei Monate nach dem Beginn vereinzelter Maßnahmen beantragte der Mieter beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Arbeiten. Diese erließ das Amtsgericht (offenbar nach mündlicher Verhandlung mit Beweisaufnahme), was zur Berufung des Vermieters zum Landgericht führte.


DER BESCHLUSS: Das LG Berlin, ZK 67, teilte durch Beschluss mit, die Kammer beabsichtige, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Dem Mieter stehe der zuerkannte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 858 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu, da ihn die zum Gegenstand des Unterlassungstenors erhobenen Arbeiten sämtlich in seinem Besitz stören. Er sei in seinem Besitz an der streitgegenständlichen Wohnung durch die vom Vermieter bereits begonnenen Maßnahmen beeinträchtigt. Ausreichend seien insoweit bereits nicht lediglich unerhebliche Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen oder sonstige nicht lediglich unwesentliche Gebrauchsbeeinträchtigungen. Solchen sei und wäre der Mieter auch zukünftig ausweislich seines hinreichend glaubhaft gemachten Vorbringens ausgesetzt. Die vom Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung sei insoweit nicht zu beanstanden. Davon abgesehen verkenne die Berufung, dass die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung zur Darlegungs- und Beweislast des Störers stehe, hier also des Vermieters als Veranlasser der streitgegenständlichen Maßnahmen. Unsicherheit bei der Beurteilung der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit der Störung gingen dabei zu Lasten des Störers.
Ob der Mieter materiell-rechtlich zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet sei, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung der Kammer. Selbst wenn sich danach eine Duldungspflicht ergäbe, handele es sich dabei lediglich um petitorische Einwendungen des Verfügungsbeklagten nach § 863 BGB, die den Besitzanspruch des Verfügungsklägers bereits grundsätzlich nicht entfallen ließen. Eine andere Beurteilung wäre nach § 864 Abs. 2 BGB nur gerechtfertigt gewesen, wenn der Vermieter bereits einen gerichtlichen Duldungstitel gegen den Mieter erwirkt hätte. Daran fehle es indes. Dem Verfügungskläger stehe auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Ein solcher ergebe sich bereits aus der Natur des beantragten Unterlassungsanspruchs, da eine verbotene Eigenmacht den Verfügungsgrund auch ohne gesonderten Vortrag des Antragstellers stets indiziere und eine besondere Dringlichkeit nicht erforderlich sei. Der Mieter habe den Verfügungsgrund auch nicht durch ein zu langes Zuwarten bis zur Beantragung der einstweiligen Verfügung selbst widerlegt. Die Notwendigkeit für eine einstweilige Verfügung könne zwar infolge Selbstwiderlegung durch längeres Zuwarten in Kenntnis der sie rechtfertigenden Umstände entfallen; für die noch hinzunehmende Zeitspanne (in der Regel vier Wochen im Wettbewerbsrecht, ansonsten bis zu drei Monaten) seien die Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Schwierigkeit tatsächlicher und rechtlicher Art maßgeblich. Gemessen daran habe der Mieter nicht zu lange zugewartet. Denn er habe seinen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht erst nach mehr als drei Monaten, sondern bereits unwesentlich mehr als zwei Monate nach Zugang der Modernisierungsankündigung und weniger als zwei Monate nach dem Beginn vereinzelter Maßnahmen erhoben.


HINWEIS: Das Berufungsverfahren hat sich durch Rücknahme der Berufung erledigt.


ANMERKUNG: Dem in dem Hinweisbeschluss der ZK 67 mitgeteilten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass der Vermieter mit den Arbeiten schon begonnen hatte, also nicht nur mit der Ankündigung seine Absicht für eine Einwirkung auf die Mietsache kundgetan, sondern schon die Verwirklichung eingeleitet hat. Insofern trifft also der Leitsatz der Kammer teilweise nicht den zu entscheidenden Lebenssachverhalt. Die Kammer geht in den Beschlussgründen auf das Problem, ob der Mieter bereits durch die bloße Ankündigung einer Modernisierung berechtigt ist, Besitzschutz geltend zu machen, auch nicht ein und war dazu auch nicht genötigt. Mit diesem Problem beschäftigt sich allerdings eine auch vorliegend zitierte Entscheidung des LG Berlin, Beschluss vom 1. März 2013 - 63 T 29/13, NJW-RR 2013, 846, zitiert bei juris. Es handelt sich um eine Entscheidung des (sog. geborenen) Einzelrichters in einer Beschwerdesache. Die hier vorliegende Berufungsentscheidung ist ein Beschluss der (gesamten) Kammer, deren Vorsitzender der entscheidende Richter in der zitierten Beschwerdesache war. In dem Leitsatz der Beschwerdeentscheidung heißt es, dass bereits die bloße Ankündigung einer Außenmodernisierung (Anbau eines Balkons an der Mietwohnung) grundsätzlich eine Besitzstörung darstelle, deren Unterlassung der Mieter im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen könne. Nach den Beschlussgründen reiche es bereits aus, dass der Besitzer über den ungestörten Fortbestand seines Besitzes ernstlich beunruhigt sei. Das komme vor allem dann in Betracht, wenn Vorbereitungen zu einem Bau an einem Grundstück getroffen würden, an dem der Mieter Besitz hat. Eine davon abweichende Beurteilung sei lediglich dann gerechtfertigt, wenn es sich um eine von der Zutrittsgewährung des Mieters abhängige Innenmodernisierung handele oder in der Modernisierungsankündigung unmissverständlich zum Ausdruck komme, dass der Vermieter von den angekündigten Maßnahmen bis zur Erwirkung eines gerichtlichen Duldungstitels oder einer vorgerichtlichen Einverständniserklärung des Mieters absehe. Im vorliegenden Fall ist zu vermuten, dass der Vermieter mit den Maßnahmen zum Umbau der Heizung an irgendeiner Stelle des Hauses begonnen, aber nicht in der Wohnung des Mieters gearbeitet hat. Im letzteren Fall hätte der Mieter nämlich dann dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zur Ausführung von Modernisierungsarbeiten gewährt und damit die Arbeiten geduldet. In diesem Zusammenhang geht die ZK 67 nicht auf das Urteil des LG Berlin vom 26. Februar 2013 - 63 S 429/12, GE 2013, 487 ein, wonach die widerrechtliche Beeinträchtigung des Besitzes sich direkt auf den geschützten alleinigen Besitz beziehen und unmittelbar auf ihn einwirken muss, was z. B. durch das Eindringen von Immissionen in die Wohnung denkbar sei. Als Störung nach § 854 BGB seien daher nur erhebliche Beeinträchtigungen, insbesondere i. S. solcher des § 906 BGB anzusehen. Ob die Arbeiten des Vermieters hier derartige Immissionen verursacht haben, ist dem mitgeteilten Sachverhalt nicht zu entnehmen, könnte allerdings der Argumentation der Kammer, dass Unsicherheiten bei der Beurteilung der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit der Störung zu Lasten des Störers (hier des Vermieters) gingen, entnommen werden. Insofern könnte sich die Entscheidung der Kammer rechtfertigen, weil eben damit der Gebrauch des Mieters „schon” beeinträchtigt war. Einem Vermieter ist in diesem Zusammenhang dringend anzuraten, entsprechende Arbeiten auch hinsichtlich der Intensität von Lärm, Staubentwicklung und anderer Emissionen (zeugenschaftlich) zu dokumentieren, um gegebenenfalls der Darlegungs- und Beweislast genügen zu können.



(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2014, Seite 1138 und in unserer Datenbank)
Autor: Klaus Schach