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Nußbaum und die Gasag
Namen & Nachrichten
16.07.2014 (GE 12/2014, S. 758) Die Wahrnehmung der Berliner und die des Berliner Finanzsenators Dr. Ulrich Nußbaum gehen offenbar ziemlich weit auseinander, jedenfalls wenn man die Ergebnisse einer Studie von TNS Infratest zur Kenntnis nimmt. Danach rangiert die Gasag bei den Antworten auf die Frage „Wie wichtig sind diese Unternehmen
aus Ihrer Sicht für Berlin?“ zusammen
mit Siemens und ALBA auf Platz 1.
Bei Nußbaum rangiert das Berliner Traditionsunternehmen dagegen, wie man seit kurzem weiß, auf dem letzten Platz.
Vor ihr, auf dem 1. Platz, rangiert
in Nußbaums Wahrnehmung eine Art Briefkastenfirma, nämlich die erst kürzlich gegründete „Berlin Energie“. Die hat gegenüber der Gasag den offenbar unschlagbaren Vorteil, komplett im Besitz des Landes Berlin zu sein. Diesen Vorzug musste die Gasag aufgeben, weil ihr ursprünglicher Eigentümer, das Land Berlin, sich im Gegenzug dafür die Taschen vollstopfte. Aber bekanntlich ist Undank aller Welt Lohn, auch der von Finanzsenatoren. „Berlin Energie“ soll also künftig, wenn es nach den Vorstellungen des Finanzsenators geht, die Konzession für das Berliner Gasnetz erhalten, das bisher die Gasag gebaut, gepflegt und betreut hat, und zwar mit großer Zuverlässigkeit. Das Traditionsunternehmen würde dann im Wesentlichen auf die Ebene eines reinen Energielieferanten sinken und wäre in der heutigen Form nicht mehr überlebensfähig. Wie wäre es denn hier mal mit einem Volksentscheid? Nun sind noch längst nicht alle Messen in dieser Angelegenheit gelesen. Der Koalitionspartner CDU grübelt mehr oder weniger ernsthaft über die Frage nach, ob er wenigstens an diesem Punkt mal so tun soll, als ob er aufmuckt. Aber Frank Henkel ist ein braver Kopist von Angela Merkel und hat verinnerlicht, dass man sich von seinem Koalitionspartner am besten
über den Tisch ziehen lässt, wenn man seine Ruhe haben will, weil man ohnehin keine eigenen Ideen hat. Immerhin regt sich Opposition in der Opposition gegen Nußbaums Entscheidung, und die Gasag wird, weil sie muss, gegen eine negative Entscheidung klagen. Und vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Dass die Entscheidung gegen die Gasag auch mit dem noch laufenden Vergabeverfahren für die Stromnetzkonzession zusammenhängt, liegt auf der Hand. Da sich dieses Verfahren kaum mit einem dann laufenden Gerichtsverfahren beim Gasnetz koordinieren lässt, ebenso. Zu den Gasag-Eigentümern gehört bekanntlich auch Vattenfall, was eine Reihe von weiteren Optionen eröffnet, zu denen auch eine Rückkehr der Gasag in den Landesschoß gehört. Als Konstante darf allerdings unterstellt werden,
dass Ulrich Nußbaum unverdrossen an seiner Berlin AG weiterbasteln will, egal, was beim Endverbraucher rauskommt. Was bei den Berliner Wasserbetrieben herausgekommen ist, als sie noch ein rein kommunales Unternehmen waren, ist mir jedenfalls noch sehr präsent: Zwischen 1990 und 1999, als die BWB teilprivatisiert wurden, sind die Wasserpreise um 160 % gestiegen, und das Unternehmen beschäftigte rund 7.600 Mitarbeiter. In der gesamten Zeit der Teilprivatisierung (fast 15 Jahre) stiegen die Wasserpreise um 35 % und die Mitarbeiterzahl sank um gut 3.000. Die Wasserqualität ist dabei nicht schlechter geworden, die Abwasserbeseitigung sogar gründlicher. Das Land konnte sogar seine Kassen (durch den Verkauf zu Beginn und die laufenden Ausschüttungen) auffüllen. Von Rekommunalisierung haben nur wenige was.
Autor: Dieter Blümmel