Archiv / Suche
Klatsch & Tratsch
März 2014
24.03.2014 (GE 6/14) Ein „Lehrstück in Sachen Verdrängung“ nannte die linke Berliner Tageszeitung
taz die Sanierung des Hauses Kopenhagener Straße 46 im Prenzlauer Berg. Die
Miete werde sich nach der Modernisierung fast verdreifachen, zitiert das Blatt
eine Mieterin.
Neue Heizung, Tropenholzfenster, Fassadenwärmedämmung, Wohnraumentlüftungsanlage – für all das müssten die Mieter 11 % der Baukosten bezahlen, nach neun Jahren hätten die Mieter alles abbezahlt, „danach geht alles in die Tasche des Eigentümers“, wird ein Mieter zitiert. Abgesehen von dieser Milchmädchenrechnung (vgl. GE 2014 [5] 274): Ein Lehrstück in Sachen Verdrängung war das allemal, vor allem was die Verdrängung journalistischer Sorgfaltspflichten betrifft. Die Modernisierungsankündigung, so erfährt man aus dem Beitrag, kam im vergangenen September. Da galt also schon die letztjährige Mietrechtsnovelle. Und die hat bekanntlich einen radikalen Umbruch bei der Mieterhöhung nach Modernisierung gebracht. Jetzt gilt nämlich der Grundsatz, dass der Mieter (fast) jede Modernisierung dulden, aber keineswegs jede sich aus der Modernisierung theoretisch ergebende Mieterhöhung auch bezahlen muss. Nun darf man von Tageszeitungs-Journalisten nicht unbedingt erwarten, dass sie jede Wendung der Gesetzgebung mitbekommen. Aber wenn der Gesetzgeber den Grundsatz „dulden müssen = zahlen müssen“ gegen den Grundsatz „dulden (fast) immer, zahlen aber nur, wenn keine finanzielle Härte für den Mieter vorliegt, sofern der Vermieter nicht gezwungenermaßen modernisiert oder nur einen allgemein üblichen Zustand herbeiführt, dann sollte eine so radikale Wende irgendwann auch bei Tageszeitungen zur Kenntnis genommen werden. Die taz stellt insofern keine Ausnahme dar, auch die Kollegen von den anderen Tageszeitungen haben bei der Berichterstattung dieses Detail unter den Tisch fallen lassen. Merke: Durch zu gründliche Recherche kann man jede Geschichte totmachen (Jounalistenweiheit).
✴ ✴ ✴
„Gazprom schluckt deutsche Gasspeicher“, war kürzlich zu lesen. Der russische Energiekonzern will 20 % der Gasspeicher-Kapazitäten in Deutschland und ein Fünftel am deutschen Gashandelsmarkt übernehmen. Da kann man sich natürlich fragen, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Rolle Russland in der Ukraine und auf der Krim gerade spielt. Die gute Nachricht daran könnte sein, dass das rohstoffreiche Land im Osten, das seit Jahrzehnten industriell nichts mehr auf die Beine gestellt hat, sondern ausschließlich vom Verkauf seiner Rohstoffe lebt, am Handel mit dem Westen, insbesondere mit Deutschland, ein herausragendes Interesse hat – was nutzt es schließlich, Gasspeicher in Deutschland aufzukaufen, wenn man nicht die Absicht hat, sie auch laufend zu befüllen und ihren Inhalt zu verkaufen. Die schlechte Nachricht ist, dass damit die Abhängigkeit vom Lieferanten wächst. Und wer will schon von so einem unkalkulierbaren Lieferanten wie Russland abhängig sein? Kein Wunder, dass in der Immobilienwirtschaft inzwischen das Modell der Hybridheizung diskutiert wird – eine Heizung, die sich aus mindestens zwei Energieträgern speisen kann. Damit unterläuft man die Abhängigkeit von einem Energieträger und kann sogar Preissteigerungen bei einem mit Preissenkungen beim anderen Energieträger kompensieren. Gazprom und Co. werden grundsätzliche Fragen auf. Ohne eine sichere Energieversorgung hat ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland keine Zukunft. Die Debatten, die wir darüber führen, sind eher „gefühlig“ als realistisch. Deutschland hat seine CO2-Emissionen seit 1990 um rund 17 % abgebaut und die erneuerbaren Energien auf einen Anteil von gut 12 % ausgebaut. Doch der Preis dafür ist hoch, während die Auswirkungen auf die globale Erwärmung kaum messbar sind: Die über 100 Milliarden €, die von den Bundesbürgern über ihre Beteiligung an den Stromkosten zum Ausbau der Solaranlagen beigesteuert werden, senken die CO2-Emissionen zwar um rund 13 Millionen t pro Jahr, doch setzt man das in die aktuellen Klimamodelle ein, ergibt sich daraus ein Temperaturrückgang um weniger als 0,0001 °C bis zum Ende des Jahrhunderts – wir verzögern damit den Temperaturanstieg gerade einmal um drei Tage. Und es ist sogar zweifelhaft, ob diese Rechnung stimmt, weil wir Teil des europäischen Emissionshandelssystems sind. Wenn wir durch den Einsatz erneuerbarer Energien CO2 einsparen, können europäische Nachbarländer – und das tun sie auch – durch den Erwerb (viel zu billiger) Emissionshandels-Zertifikate weiter Kohle verfeuern und haben am Ende deutlich niedrigere Strompreise als wir mit der Folge, dass auch noch energieintensive Industrien auswandern. Erfolgreicher als wir beim Abbau von CO2-Emissionen waren übrigens die Amerikaner – innerhalb der letzten sieben Jahre haben sie den Ausstoß um 14 % gesenkt, ohne – anders als wir – Wind- und Sonnenenergie großartig auszubauen. Stattdessen setzen die USA auf Energieerzeugung durch Erdgas statt durch Steinkohle, womit wir wieder bei Gazprom wären und auch beim neuen Werbeslogan der Berliner GASAG: „Gas rein, Öl raus!“ Auf so schlichte Weise erpressbar wie Russlands unmittelbare Nachbarländer sind wir nicht. Der deutsche Außenhandelsverband (BGA) kommt zwar zu dem Schluss, dass ein Handelskonflikt mit Russland schmerzhaft für die deutsche Wirtschaft wäre, aber für Russland existenzbedrohend. Ähnlich sieht das auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Mehr als die Hälfte der russischen Staatseinnahmen stammen aus Energieexporten, und ohne Moos ist auch bei Wladimir Putin nichts los. Nur 1 % der europäischen Wirtschaftsleistung steckt im Handelsvolumen mit Russland, umgekehrt aber 15 % des russischen Bruttoinlandsproduktes im Export in die EU. Angesichts dessen muss es nicht allzu sehr erschrecken, wenn die Einfuhren von Öl und Gas aus Russland 87 % der deutschen Importe ausmachen. Im Übrigen sind die Erdgasspeicher in Deutschland voll, sie reichen für ein halbes Jahr. Sollte es Putin in den Fingern jucken, den Gashahn zuzudrehen, bleibt Zeit genug, sich neue Lieferanten zu suchen, während Putin in dieser Zeit täglich auf rund 70 Millionen € Einnahmen verzichten müsste. Kein Grund also, auf den Einsatz der relativ klimafreundlichen Energie Erdgas ängstlich zu verzichten.
✴ ✴ ✴
Bei keiner der landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften – degewo, GESOBAU, Gewobag, HOWOGE, STADT UND LAND und WBM – werden die Sitzungen der Aufsichtsräte durch Audio-Mitschnitt dokumentiert. Auch bei den meisten anderen landeseigenen Unternehmen wird so verfahren, wie die Staatssekretärin aus der Finanzverwaltung, Dr. Margaretha Sudhof, dem Abgeordneten Martin Delius (Piraten) in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mitteilte. Anders verfährt man allerdings bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR), den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) sowie den Unternehmen der Berlinwasser-Gruppe (BWB); hier gebe es Audio-Mitschnitte, allerdings lediglich zur Unterstützung bei der Anfertigung von Verlaufs- und Ergebnisprotokollen der Aufsichtsratssitzungen. Diese Mitschnitte würden „nach Freigabe der Protokolle nicht weiter archiviert und vernichtet“, wie die Staatssekretärin dem Abgeordneten treuherzig versicherte. Die Frage ist nur, ob dieser Satz absichtlich unklar formuliert wurde, denn das kleine Wörtchen „nicht“ kann sich auch auf das Wort „vernichtet“ beziehen. Dass man nicht so schnell mit der Vernichtung ist, hat kürzlich erst die BVG bewiesen. Entweder hängt man dort Jahre hinterher beim Erstellen von Protokollen, oder man vernichtet die Mitschnitte nicht schnell genug. Die dritte Möglichkeit wäre, dass Aufsichtsratsmitglieder zusätzlich auch noch ein privates Aufnahmegerät mitlaufen lassen. Anders ist es nicht erklärbar, dass die US-Bank JP Morgan Chase, die vor dem Londoner High Court die BVG auf rund 150 Millionen € wegen einer missglückten Finanzwette verklagte, einen Tonband-Mitschnitt der BVG-Aufsichtsratssitzung vom 25. April 2007 vorlegen konnte. Dem Mitschnitt war zu entnehmen, dass der damalige BVG-Aufsichtsratsvorsitzende, Dr. Thilo Sarrazin, ebenso wie der damalige BVG-Chef Andreas Sturmowski, keine Ahnung von dem Geschäft hatten, das ihnen von der Bank angeboten worden war. Nach nur vier Minuten hatte der Aufsichtsrat es trotzdem abgenickt – bei Enthaltung der Arbeitnehmervertreter. Am Ende werden das möglicherweise vier sehr teure, immerhin auch noch nach sieben Jahren gut dokumentierte Minuten für Berlin sein.
✴ ✴ ✴
Obwohl der Winter 2013/2014 – bislang jedenfalls – besonders mild war, hört man von den Winterdienstbetrieben so manche Klage über erneute Kostensteigerungen. Verantwortlich dafür gemacht wird vor allem, dass die von den Bezirksämtern veröffentlichte Liste der Gehwege, die zum Zwecke des Schneefegens nicht befahren werden dürfen und deshalb per Hand gereinigt werden müssen, sehr viel umfangreicher gewesen sei als in den letzten Jahren. Von der Hand weisen lässt sich dieses Argument nicht. Man fragt sich allerdings, wie viel Luft in den Winterdienstverträgen steckt, wenn man liest, dass ein Berliner Winterdienst-Unternehmer bei einem Auftrag über eine Größenordnung von 50.000 € angeblich in der Lage war, einem beim Krankenhauskonzern Vivantes für die Auftragsvergabe zuständigen Manager 20.000 € an Bestechungsgeld für den Vertragsabschluss zu zahlen.
✴ ✴ ✴
Fragt man den sprichwörtlichen kleinen Mann auf der Straße nach dem „Dualen System“ – besser noch nach dem „Grünen Punkt“ –, wird man meist die Antwort erhalten, dass über dieses System Verpackungen abgeholt werden, und zwar kostenlos, weil man dafür ja schon an der Ladenkasse bezahlt habe. So einfach gestrickt ist die Welt aber nicht. Das beginnt schon damit, dass es allein in Berlin zehn Betreiber unter dem Dach des so genannten Dualen Systems gibt. Dazu gehört der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH als bekanntestes Unternehmen, aber auch die INTERSEROH Dienstleistung GmbH und weitere acht Betreiber wie EKO-PUNKT GmbH, ZENTEK GmbH & Co. KG, BellandVision GmbH und einige mehr, von denen kaum einer je etwas gehört hat. Diese Systembetreiber stehen untereinander im Wettbewerb. Hersteller und Vertreiber von verpackten Waren, die typischerweise zu einem privaten Endverbraucher gelangen, sind zu einer flächendeckenden Rücknahme ihrer Verkaufsverpackungen verpflichtet. Zu diesem Zweck zahlen sie ein so genanntes Lizenzentgelt an einen der genannten Systembetreiber, die sich wiederum einiger Subunternehmer bedienen, welche die Verpackungen am Ende einsammeln und verwerten (z. B. ALBA oder BerlinRecycling). Die ganze Sache hat allerdings einen Haken: Viele Produkthersteller beteiligen sich nicht an dem System und zahlen keine Lizenzgebühren, andere haben früher einmal gezahlt, beteiligen sich aber jetzt nicht mehr. Sie müssten dann eigentlich ihre Verpackungen selbst zurücknehmen und verwerten, aber das machen sie oft auch nicht, sondern bedienen sich der Trittbrettfahrerstrategie. Wer also seinen „Verpackungspfennig“ an der Kasse entrichtet hat, weiß nicht, ob er wirklich dort landet, wo der Gesetzgeber es geplant hat. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Udo Di Fabio, hat deshalb kürzlich davor gewarnt, dass die Abgabe auf Verpackungen mit dem Grünen Punkt zu einer Art „Dummensteuer“ zu verkommen droht. Di Fabio hat im Auftrag der Berliner ALBA Group ein Gutachten vorgelegt, das sich mit dem Änderungsbedarf beim Verpackungsrecycling befasst. Grundsätzlich sieht der ehemalige Bundesverfassungsrichter im Dualen System ein erfolgreiches ökologisches Steuerungskonzept, aber auch dessen Schwachstellen in der wenig konsequenten Durchsetzung und dem mangelnden Vollzug der Verpackungsverordnung. Die Bundesregierung hat zwar kürzlich die 6. Novelle dazu verabschiedet, doch die enthält nur ein paar Änderungen bei der Definition für Verpackungen und eine Klarstellung zum Begriff der Transportverpackung. Die eigentlichen Probleme mit den Verpackungen werden damit aber nicht gelöst. Eine Reihe von kommunalen und privaten Entsorgungsunternehmen hat deshalb kürzlich eine Gemeinschaftsinitiative gegründet, die das Duale System abschaffen will. Die Initiative möchte auf die teuren Systembetreiber und das Duale System insgesamt verzichten und stattdessen die Erfassung, Sortierung und Verwertung der Verpackungen unter kommunale Verantwortung stellen. Finanziert werden solle das dann über Abfallgebühren. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist? Die Folge könnte sein, dass die Abfallgebühren steigen, ohne dass die Warenpreise sinken. Der Hauptgeschäftsführer der Berliner IHK, Jan Eder, hat jedenfalls schon mal gewarnt: Wer nach einer Rekommunalisierung im Bereich der Wertstofferfassung rufe, gefährde die Erfolge des heute wettbewerblich organisierten Systems und riskiere einen Rückschritt für den Wirtschaftsstandort Berlin, denn das Duale System umfasse eine gesamte Wertschöpfungskette von der Sammlung über das Recycling bis hin zur Forschung und habe für über 400 Unternehmen mit mehr als 8.500 Beschäftigten dieses auf Sektors große Bedeutung. Für viele Hauseigentümer allerdings ist von großer Bedeutung, dass die gelben Tonnen und die Papiertonnen regelmäßig und rechtzeitig abgeholt werden. Daran mangelt es, wie wir von Lesern wissen, in der letzten Zeit häufig. Mal ganz abgesehen davon, dass – wie berichtet – die Dualen Systembetreiber dafür gesorgt haben, dass gleich in drei Berliner Bezirken Recyclingtonnen von den Höfen geholt wurden und durch Iglus auf den Straßen ersetzt werden mit der Folge, dass die Mieter verwertbare Abfälle wieder vermehrt in die grauen Tonnen werfen und sich dadurch die Betriebskosten erhöhen.
✴ ✴ ✴
Apropos Recycling: Manchmal führen Schnäppchen auch schnell zur Schnappatmung. So wie offenbar im Fall der Entsorgungsfirma Recycling Team Berlin (RTB). Das erst vor wenigen Jahren gegründete Unternehmen vermeldet auf seiner Internetseite immer noch „weit mehr als 16.000 zufriedene Kunden“ und die Beschäftigung von „mehr als zehn Mitarbeitern“ (also vermutlich elf). Die scheinen jedoch die Arbeit eingestellt zu haben, denn seit Mitte Februar holt die in Köpenick ansässige Firma nach Aussage von Kunden die Papiertonnen nicht mehr ab. Ursprünglich war gegen eine Tonnen-Pfandgebühr von 40 bis 50 € kostenlose Abholung des Altpapiers zugesagt worden, seit Jahresbeginn musste für die Abholung gezahlt werden. Nun sind offenbar die gezahlten Scheine weg, dafür ist aber das Altpapier noch da. In Berlin beschäftigen sich rund ein halbes Dutzend Firmen mit der Papierentsorgung (darunter die Platzhirsche ALBA, die BSR-Tochter BerlinRecycling und Bartscherer), kaum ein Entsorger bietet noch eine kostenfreie Abholung an. Das Geschäft mit dem Altpapier ist außerordentlich volatil, es gibt gigantische Preisschwankungen auf dem Weltmarkt – wenn die Tonne eben noch 90 € brachte, kann der Preis schon einmal ganz schnell auf 5 € abstürzen. Das macht das Geschäft für die Entsorger nicht gerade einfach.
✴ ✴ ✴
Birgit Danschke, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Vorsitzende der Vereinigung der Haus- und Grundbesitzer im Bezirk Charlottenburg e. V., ist zum Vorstand der WGBG Wirtschafts-Genossenschaft Berliner Grundbesitzer eG bestellt worden. Danschke führt die 1913 von Grundstückseigentümern als Einkaufs-Genossenschaft für Brennstoffe in Berlin-Wilmersdorf gegründete Genossenschaft gemeinsam mit Katrin Höbold.
✴ ✴ ✴
„Gazprom schluckt deutsche Gasspeicher“, war kürzlich zu lesen. Der russische Energiekonzern will 20 % der Gasspeicher-Kapazitäten in Deutschland und ein Fünftel am deutschen Gashandelsmarkt übernehmen. Da kann man sich natürlich fragen, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Rolle Russland in der Ukraine und auf der Krim gerade spielt. Die gute Nachricht daran könnte sein, dass das rohstoffreiche Land im Osten, das seit Jahrzehnten industriell nichts mehr auf die Beine gestellt hat, sondern ausschließlich vom Verkauf seiner Rohstoffe lebt, am Handel mit dem Westen, insbesondere mit Deutschland, ein herausragendes Interesse hat – was nutzt es schließlich, Gasspeicher in Deutschland aufzukaufen, wenn man nicht die Absicht hat, sie auch laufend zu befüllen und ihren Inhalt zu verkaufen. Die schlechte Nachricht ist, dass damit die Abhängigkeit vom Lieferanten wächst. Und wer will schon von so einem unkalkulierbaren Lieferanten wie Russland abhängig sein? Kein Wunder, dass in der Immobilienwirtschaft inzwischen das Modell der Hybridheizung diskutiert wird – eine Heizung, die sich aus mindestens zwei Energieträgern speisen kann. Damit unterläuft man die Abhängigkeit von einem Energieträger und kann sogar Preissteigerungen bei einem mit Preissenkungen beim anderen Energieträger kompensieren. Gazprom und Co. werden grundsätzliche Fragen auf. Ohne eine sichere Energieversorgung hat ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland keine Zukunft. Die Debatten, die wir darüber führen, sind eher „gefühlig“ als realistisch. Deutschland hat seine CO2-Emissionen seit 1990 um rund 17 % abgebaut und die erneuerbaren Energien auf einen Anteil von gut 12 % ausgebaut. Doch der Preis dafür ist hoch, während die Auswirkungen auf die globale Erwärmung kaum messbar sind: Die über 100 Milliarden €, die von den Bundesbürgern über ihre Beteiligung an den Stromkosten zum Ausbau der Solaranlagen beigesteuert werden, senken die CO2-Emissionen zwar um rund 13 Millionen t pro Jahr, doch setzt man das in die aktuellen Klimamodelle ein, ergibt sich daraus ein Temperaturrückgang um weniger als 0,0001 °C bis zum Ende des Jahrhunderts – wir verzögern damit den Temperaturanstieg gerade einmal um drei Tage. Und es ist sogar zweifelhaft, ob diese Rechnung stimmt, weil wir Teil des europäischen Emissionshandelssystems sind. Wenn wir durch den Einsatz erneuerbarer Energien CO2 einsparen, können europäische Nachbarländer – und das tun sie auch – durch den Erwerb (viel zu billiger) Emissionshandels-Zertifikate weiter Kohle verfeuern und haben am Ende deutlich niedrigere Strompreise als wir mit der Folge, dass auch noch energieintensive Industrien auswandern. Erfolgreicher als wir beim Abbau von CO2-Emissionen waren übrigens die Amerikaner – innerhalb der letzten sieben Jahre haben sie den Ausstoß um 14 % gesenkt, ohne – anders als wir – Wind- und Sonnenenergie großartig auszubauen. Stattdessen setzen die USA auf Energieerzeugung durch Erdgas statt durch Steinkohle, womit wir wieder bei Gazprom wären und auch beim neuen Werbeslogan der Berliner GASAG: „Gas rein, Öl raus!“ Auf so schlichte Weise erpressbar wie Russlands unmittelbare Nachbarländer sind wir nicht. Der deutsche Außenhandelsverband (BGA) kommt zwar zu dem Schluss, dass ein Handelskonflikt mit Russland schmerzhaft für die deutsche Wirtschaft wäre, aber für Russland existenzbedrohend. Ähnlich sieht das auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Mehr als die Hälfte der russischen Staatseinnahmen stammen aus Energieexporten, und ohne Moos ist auch bei Wladimir Putin nichts los. Nur 1 % der europäischen Wirtschaftsleistung steckt im Handelsvolumen mit Russland, umgekehrt aber 15 % des russischen Bruttoinlandsproduktes im Export in die EU. Angesichts dessen muss es nicht allzu sehr erschrecken, wenn die Einfuhren von Öl und Gas aus Russland 87 % der deutschen Importe ausmachen. Im Übrigen sind die Erdgasspeicher in Deutschland voll, sie reichen für ein halbes Jahr. Sollte es Putin in den Fingern jucken, den Gashahn zuzudrehen, bleibt Zeit genug, sich neue Lieferanten zu suchen, während Putin in dieser Zeit täglich auf rund 70 Millionen € Einnahmen verzichten müsste. Kein Grund also, auf den Einsatz der relativ klimafreundlichen Energie Erdgas ängstlich zu verzichten.
✴ ✴ ✴
Bei keiner der landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften – degewo, GESOBAU, Gewobag, HOWOGE, STADT UND LAND und WBM – werden die Sitzungen der Aufsichtsräte durch Audio-Mitschnitt dokumentiert. Auch bei den meisten anderen landeseigenen Unternehmen wird so verfahren, wie die Staatssekretärin aus der Finanzverwaltung, Dr. Margaretha Sudhof, dem Abgeordneten Martin Delius (Piraten) in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mitteilte. Anders verfährt man allerdings bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR), den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) sowie den Unternehmen der Berlinwasser-Gruppe (BWB); hier gebe es Audio-Mitschnitte, allerdings lediglich zur Unterstützung bei der Anfertigung von Verlaufs- und Ergebnisprotokollen der Aufsichtsratssitzungen. Diese Mitschnitte würden „nach Freigabe der Protokolle nicht weiter archiviert und vernichtet“, wie die Staatssekretärin dem Abgeordneten treuherzig versicherte. Die Frage ist nur, ob dieser Satz absichtlich unklar formuliert wurde, denn das kleine Wörtchen „nicht“ kann sich auch auf das Wort „vernichtet“ beziehen. Dass man nicht so schnell mit der Vernichtung ist, hat kürzlich erst die BVG bewiesen. Entweder hängt man dort Jahre hinterher beim Erstellen von Protokollen, oder man vernichtet die Mitschnitte nicht schnell genug. Die dritte Möglichkeit wäre, dass Aufsichtsratsmitglieder zusätzlich auch noch ein privates Aufnahmegerät mitlaufen lassen. Anders ist es nicht erklärbar, dass die US-Bank JP Morgan Chase, die vor dem Londoner High Court die BVG auf rund 150 Millionen € wegen einer missglückten Finanzwette verklagte, einen Tonband-Mitschnitt der BVG-Aufsichtsratssitzung vom 25. April 2007 vorlegen konnte. Dem Mitschnitt war zu entnehmen, dass der damalige BVG-Aufsichtsratsvorsitzende, Dr. Thilo Sarrazin, ebenso wie der damalige BVG-Chef Andreas Sturmowski, keine Ahnung von dem Geschäft hatten, das ihnen von der Bank angeboten worden war. Nach nur vier Minuten hatte der Aufsichtsrat es trotzdem abgenickt – bei Enthaltung der Arbeitnehmervertreter. Am Ende werden das möglicherweise vier sehr teure, immerhin auch noch nach sieben Jahren gut dokumentierte Minuten für Berlin sein.
✴ ✴ ✴
Obwohl der Winter 2013/2014 – bislang jedenfalls – besonders mild war, hört man von den Winterdienstbetrieben so manche Klage über erneute Kostensteigerungen. Verantwortlich dafür gemacht wird vor allem, dass die von den Bezirksämtern veröffentlichte Liste der Gehwege, die zum Zwecke des Schneefegens nicht befahren werden dürfen und deshalb per Hand gereinigt werden müssen, sehr viel umfangreicher gewesen sei als in den letzten Jahren. Von der Hand weisen lässt sich dieses Argument nicht. Man fragt sich allerdings, wie viel Luft in den Winterdienstverträgen steckt, wenn man liest, dass ein Berliner Winterdienst-Unternehmer bei einem Auftrag über eine Größenordnung von 50.000 € angeblich in der Lage war, einem beim Krankenhauskonzern Vivantes für die Auftragsvergabe zuständigen Manager 20.000 € an Bestechungsgeld für den Vertragsabschluss zu zahlen.
✴ ✴ ✴
Fragt man den sprichwörtlichen kleinen Mann auf der Straße nach dem „Dualen System“ – besser noch nach dem „Grünen Punkt“ –, wird man meist die Antwort erhalten, dass über dieses System Verpackungen abgeholt werden, und zwar kostenlos, weil man dafür ja schon an der Ladenkasse bezahlt habe. So einfach gestrickt ist die Welt aber nicht. Das beginnt schon damit, dass es allein in Berlin zehn Betreiber unter dem Dach des so genannten Dualen Systems gibt. Dazu gehört der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH als bekanntestes Unternehmen, aber auch die INTERSEROH Dienstleistung GmbH und weitere acht Betreiber wie EKO-PUNKT GmbH, ZENTEK GmbH & Co. KG, BellandVision GmbH und einige mehr, von denen kaum einer je etwas gehört hat. Diese Systembetreiber stehen untereinander im Wettbewerb. Hersteller und Vertreiber von verpackten Waren, die typischerweise zu einem privaten Endverbraucher gelangen, sind zu einer flächendeckenden Rücknahme ihrer Verkaufsverpackungen verpflichtet. Zu diesem Zweck zahlen sie ein so genanntes Lizenzentgelt an einen der genannten Systembetreiber, die sich wiederum einiger Subunternehmer bedienen, welche die Verpackungen am Ende einsammeln und verwerten (z. B. ALBA oder BerlinRecycling). Die ganze Sache hat allerdings einen Haken: Viele Produkthersteller beteiligen sich nicht an dem System und zahlen keine Lizenzgebühren, andere haben früher einmal gezahlt, beteiligen sich aber jetzt nicht mehr. Sie müssten dann eigentlich ihre Verpackungen selbst zurücknehmen und verwerten, aber das machen sie oft auch nicht, sondern bedienen sich der Trittbrettfahrerstrategie. Wer also seinen „Verpackungspfennig“ an der Kasse entrichtet hat, weiß nicht, ob er wirklich dort landet, wo der Gesetzgeber es geplant hat. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Udo Di Fabio, hat deshalb kürzlich davor gewarnt, dass die Abgabe auf Verpackungen mit dem Grünen Punkt zu einer Art „Dummensteuer“ zu verkommen droht. Di Fabio hat im Auftrag der Berliner ALBA Group ein Gutachten vorgelegt, das sich mit dem Änderungsbedarf beim Verpackungsrecycling befasst. Grundsätzlich sieht der ehemalige Bundesverfassungsrichter im Dualen System ein erfolgreiches ökologisches Steuerungskonzept, aber auch dessen Schwachstellen in der wenig konsequenten Durchsetzung und dem mangelnden Vollzug der Verpackungsverordnung. Die Bundesregierung hat zwar kürzlich die 6. Novelle dazu verabschiedet, doch die enthält nur ein paar Änderungen bei der Definition für Verpackungen und eine Klarstellung zum Begriff der Transportverpackung. Die eigentlichen Probleme mit den Verpackungen werden damit aber nicht gelöst. Eine Reihe von kommunalen und privaten Entsorgungsunternehmen hat deshalb kürzlich eine Gemeinschaftsinitiative gegründet, die das Duale System abschaffen will. Die Initiative möchte auf die teuren Systembetreiber und das Duale System insgesamt verzichten und stattdessen die Erfassung, Sortierung und Verwertung der Verpackungen unter kommunale Verantwortung stellen. Finanziert werden solle das dann über Abfallgebühren. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist? Die Folge könnte sein, dass die Abfallgebühren steigen, ohne dass die Warenpreise sinken. Der Hauptgeschäftsführer der Berliner IHK, Jan Eder, hat jedenfalls schon mal gewarnt: Wer nach einer Rekommunalisierung im Bereich der Wertstofferfassung rufe, gefährde die Erfolge des heute wettbewerblich organisierten Systems und riskiere einen Rückschritt für den Wirtschaftsstandort Berlin, denn das Duale System umfasse eine gesamte Wertschöpfungskette von der Sammlung über das Recycling bis hin zur Forschung und habe für über 400 Unternehmen mit mehr als 8.500 Beschäftigten dieses auf Sektors große Bedeutung. Für viele Hauseigentümer allerdings ist von großer Bedeutung, dass die gelben Tonnen und die Papiertonnen regelmäßig und rechtzeitig abgeholt werden. Daran mangelt es, wie wir von Lesern wissen, in der letzten Zeit häufig. Mal ganz abgesehen davon, dass – wie berichtet – die Dualen Systembetreiber dafür gesorgt haben, dass gleich in drei Berliner Bezirken Recyclingtonnen von den Höfen geholt wurden und durch Iglus auf den Straßen ersetzt werden mit der Folge, dass die Mieter verwertbare Abfälle wieder vermehrt in die grauen Tonnen werfen und sich dadurch die Betriebskosten erhöhen.
✴ ✴ ✴
Apropos Recycling: Manchmal führen Schnäppchen auch schnell zur Schnappatmung. So wie offenbar im Fall der Entsorgungsfirma Recycling Team Berlin (RTB). Das erst vor wenigen Jahren gegründete Unternehmen vermeldet auf seiner Internetseite immer noch „weit mehr als 16.000 zufriedene Kunden“ und die Beschäftigung von „mehr als zehn Mitarbeitern“ (also vermutlich elf). Die scheinen jedoch die Arbeit eingestellt zu haben, denn seit Mitte Februar holt die in Köpenick ansässige Firma nach Aussage von Kunden die Papiertonnen nicht mehr ab. Ursprünglich war gegen eine Tonnen-Pfandgebühr von 40 bis 50 € kostenlose Abholung des Altpapiers zugesagt worden, seit Jahresbeginn musste für die Abholung gezahlt werden. Nun sind offenbar die gezahlten Scheine weg, dafür ist aber das Altpapier noch da. In Berlin beschäftigen sich rund ein halbes Dutzend Firmen mit der Papierentsorgung (darunter die Platzhirsche ALBA, die BSR-Tochter BerlinRecycling und Bartscherer), kaum ein Entsorger bietet noch eine kostenfreie Abholung an. Das Geschäft mit dem Altpapier ist außerordentlich volatil, es gibt gigantische Preisschwankungen auf dem Weltmarkt – wenn die Tonne eben noch 90 € brachte, kann der Preis schon einmal ganz schnell auf 5 € abstürzen. Das macht das Geschäft für die Entsorger nicht gerade einfach.
✴ ✴ ✴
Birgit Danschke, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Vorsitzende der Vereinigung der Haus- und Grundbesitzer im Bezirk Charlottenburg e. V., ist zum Vorstand der WGBG Wirtschafts-Genossenschaft Berliner Grundbesitzer eG bestellt worden. Danschke führt die 1913 von Grundstückseigentümern als Einkaufs-Genossenschaft für Brennstoffe in Berlin-Wilmersdorf gegründete Genossenschaft gemeinsam mit Katrin Höbold.






