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Wenn der WEG-Verwalter Wohngeld veruntreut
Wissenszurechnung bei begünstigten und geschädigten Eigentümergemeinschaften
14.03.2014 (GE 5/14, 297) Veruntreut der Verwalter Gelder mehrerer Wohnungseigentümergemeinschaften, muss sich die geschädigte Gemeinschaft dessen Kenntnis von den Zahlungsvorgängen bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns nicht zurechnen lassen. Dagegen wird der durch die unberechtigten Zahlungen begünstigten Wohnungseigentümergemeinschaft die Kenntnis desselben Verwalters mit der Folge eines bösgläubigen Empfanges zugerechnet, womit die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ausgeschlossen ist.
Der Fall: Zwei Wohnungseigentümergemeinschaften streiten um die Rückzahlung eines Betrages von 10.000 €, der 2006 durch den Verwalter L. von dem Konto der Klägerin auf das Konto der Beklagten überwiesen wurde. Der Verwalter L. war nicht nur der Verwalter beider Parteien, sondern auch zahlreicher anderer Wohnungseigentümergemeinschaften. Er hob jahrelang von den Konten der von ihm verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften Geldbeträge für eigene Zwecke ab. Zur Verdeckung der Abhebungen nahm er eine Vielzahl von Überweisungen zwischen den Konten der Wohnungseigentümergemeinschaften vor.

Nach der Überweisung 2006 überwies L. noch am selben Tag einen Teilbetrag von 5.000 € vom Konto der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft auf das Konto einer anderen von ihm verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaft. Einen weiteren Teilbetrag von 5.000 € hob er vom Konto der Beklagten für eigene Zwecke ab. L. wurde 2010 wegen Untreue in 740 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Klägerin erfuhr von der Überweisung von ihrem Konto auf das Konto der Beklagten im Sommer 2007. Sie hat wegen der streitgegenständlichen Forderung am 21. Dezember 2010 einen Mahnbescheid beantragt, der am 22. Dezember 2010 erlassen und der Beklagten am 19. Januar 2011 zugestellt worden ist. Das LG hat die Beklagte verurteilt. Deren Berufung hat das OLG zurückgewiesen, jedoch die Revision an den BGH zugelassen, die auch eingelegt wurde.

Das Urteil: Ohne Erfolg! Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft ist durch die Überweisung von dem Konto der Klägerin nicht „durch Leistung eines anderen“, sondern „in sonstiger Weise“ bereichert worden. Eine Leistung der Klägerin an die Beklagte scheidet schon deshalb aus, weil aus Sicht beider Parteien ein mit der Überweisung verfolgter Leistungszweck fehlte. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen Wegfalls der Bereicherung ausgeschlossen. Denn die Beklagte kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB, der Kenntnisse des Vertreters dem Vertretenen zurechnet, ist zumindest entsprechend anwendbar. Derjenige, der sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr bei der Abgabe von Willenserklärungen eines Vertreters bedient, muss es hinnehmen, dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird. L. war als Verwalter der organschaftliche Vertreter der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft und für die Verwaltung der eingenommenen Gelder zuständig. Die Beklagte hat sich daher seine Kenntnis von dem fehlenden Rechtsgrund der Überweisung zurechnen zu lassen mit der Folge, dass sie sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann. Der Bereicherungsanspruch der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist auch nicht verjährt. Das Wissen L.s um die von ihm vorgenommene rechtsgrundlose Überweisung 2006 ist der Klägerin nicht zuzurechnen. Dementsprechend begann die Verjährungsfrist noch nicht Ende 2006, sondern erst Ende 2007. Es ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, das durch L. im Zusammenhang mit der Verwaltung der Gelder dieser Gemeinschaften erlangte Wissen der jeweils betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaft zuzurechnen. Dennoch kommt dies hier angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles – ausnahmsweise! – dennoch nicht in Betracht. Ein die Wissenszurechnung des Vertreters ausschließender Ausnahmefall liegt nicht nur vor, wenn sich der Anspruch allein gegen den Wissensvertreter selbst richtet. Er ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn sich der Anspruch zwar gegen einen Dritten richtet, jedoch mit einem gegen den Wissensvertreter gerichteten Anspruch in einem so engen Zusammenhang steht, dass auch hier die Befürchtung besteht, der Vertreter werde nicht zu einer sachgerechten Verfolgung des Anspruchs beitragen. Für den ungetreuen Verwalter bestand im Hinblick auf die Verfolgung des Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte eine erhebliche Interessenkollision. Es war nicht zu erwarten, dass L. die Verfolgung des Bereicherungsanspruchs gegen die Beklagte in die Wege leiten oder auch nur zu ihr beitragen würde. Das bereits 2006 bei L. vorhandene Wissen um die anspruchsbegründende Überweisung kann der Klägerin daher nicht zugerechnet werden. Vielmehr war die den Verjährungsbeginn auslösende Kenntnis der Klägerin erst im Sommer des Jahres 2007 gegeben. Die Ende des Jahres 2010 eintretende Verjährung wurde durch die am 21. Dezember 2010 erfolgte Beantragung eines der Beklagten am 19. Januar 2011 zugestellten Mahnbescheids rechtzeitig gehemmt.

Anmerkung: Der ungetreue Verwalter war sowohl auf Seiten der klagenden als auch der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft tätig und hat zahlreiche rechtsgrundlose Überweisungen getätigt, die ihm letztlich eine dreijährige Gesamtfreiheitsstrafe eingebracht haben. Die streitentscheidende Frage war nun, wie das vorsätzliche Tun ein und desselben Verwalters sich auf die Rechtsverhältnisse der geschädigten und der bereicherten Gemeinschaft auswirkt. Die überraschende Lösung ist die, dass sich die geschädigte Gemeinschaft das arglistige Verhalten ihres Verwalters im Hinblick auf die Verjährungsfrage nicht zurechnen lassen muss, während die bereicherte Gemeinschaft sich die Kenntnis dieses ungetreuen Verwalters jedenfalls in dem Sinn anrechnen lassen muss, dass sie als bösgläubig gilt und sich deshalb nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen darf.

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 5 /2014, 327)
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar Briesemeister AKD Dittert, Südhoff & Partner