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BGH bestätigt LG-Entscheidung für die Calvinstraße
Zugebaute Fenster: Abriss des Nachbarhauses und die „Opfergrenze“

08.03.2014 (GE 5/14, 284) Bundesweit hatte der Fall mit den – durch einen auf dem Nachbargrundstück errichteten Neubau – faktisch zugemauerten Fenstern einer Wohnung in der Berliner Calvinstraße Schlagzeilen gemacht. Das LG Berlin hatte den – auf einen Abriss hinauslaufenden – Anspruch einer betroffenen Mieterin abgewiesen. Der BGH beanstandete das Urteil nicht.
Der Fall: Der Vermieter ließ 2010/2011 auf dem ihm gehörenden Nachbargrundstück ein mehrstöckiges Wohnhaus errichten, das mit einer Außenwand unmittelbar an die Giebelseite des Anwesens angrenzt, in der sich die Fenster von Küche und Bad der an die Mieterin vermieteten und ebenfalls im Eigentum des Vermieters stehenden Wohnung befinden. Die Mieterin beanspruchte Herstellung eines Mindestabstands von 3 m zwischen den beiden Gebäuden. Das LG Berlin (ZK 63) hat den Anspruch mit der Begründung abgewiesen, dass der Vermieter dem Anspruch des Mieters auf Beseitigung des Mangels mit Erfolg den Einwand aus § 275 Abs. 2 BGB (Überschreiten der „Opfergrenze“) entgegenhalten könne. Zwar sei zugunsten des Mieters eine vorsätzlich mietvertragswidrige Errichtung des Neubaus zu unterstellen. Der Erfolg der erstrebten Mangelbeseitigung stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Aufwand der Mangelbeseitigung (vgl. das Urteil des LG Berlin in GE 2013, 1203). Dagegen legte die Mieterin die zugelassene Revision zum BGH ein.

Der Hinweisbeschluss: Der VIII. Senat des BGH teilte mit, er beabsichtige, die Revision zurückzuweisen. Ein Grund für die Zulassung der Revision liege nicht vor. Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsgrenze/Opfergrenze überschritten sei, müsse unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden. Bestehe etwa ein krasses Missverhältnis zwischen dem Aufwand zur Mangelbeseitigung und dem Nutzen der Mangelbeseitigung für den Mieter, sei das ein Indiz für das Überschreiten der Zumutbarkeitsgrenze. Im Extremfall könnte dieses Indiz so stark sein, dass es schwer vorstellbar erscheine, welche weiteren Umstände zu einer anderen Abwägung führen könnten (BGH GE 2010, 837; GE 2005, 1348). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall sei Sache des Tatrichters.

Die Revision habe auch keine Aussicht auf Erfolg. Der Vermieter verliere die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB auch nicht dadurch, dass er den zum Mangel der Mietsache führenden Umstand (Errichtung des Neubaus direkt an der Grundstücksgrenze) vorsätzlich herbeigeführt habe. Nach dem Gesetz sei bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten habe. Die Vorschrift schließe es mithin nicht aus, dass es Umstände geben könne, unter denen sich auch ein Schuldner, der das Leistungshindernis vorsätzlich herbeigeführt habe, mit Erfolg auf die Einrede berufen könne. Etwas anderes lasse sich auch nicht der Rechtsprechung des V. Senats des BGH entnehmen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2008 - V ZR 171/07, NJW 2008, 3128 Rn. 23). Dort sei lediglich ausgeführt, dass die nach § 275 Abs. 2 BGB gebotene Abwägung bei einem Anspruch auf Beseitigung eines grob fahrlässig (und erst recht eines vorsätzlich) errichteten Überbaus in der Regel dazu führen werde, dass die Einrede zu versagen sei. Es obliege mithin auch bei einem vorsätzlich herbeigeführten Leistungshindernis der wertenden Gesamtbetrachtung des Tatrichters, ob er angesichts der von ihm zu berücksichtigenden Gesamtumstände des Einzelfalls die Einrede für begründet erachte. Rechtsfehler der tatrichterlichen Würdigung würden im Streitfall von der Revision nicht aufgezeigt. Insbesondere lege die Revision nicht dar, dass das Berufungsgericht weitere für eine Gesamtbewertung maßgebliche Umstände bei seiner Beurteilung außer Acht gelassen hätte.

(Den Wortlaut des Beschlusses finden Sie in GE 5 /2014, 313)