Archiv / Suche
Grüne fordern Sanierungsfahrplan für Asbestgebäude
01.03.2014 (GE 5/14, 270) Andreas Otto, bau- und wohnungspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender des Bauausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, nervt. Weniger uns als den Senator für Stadtentwicklung, Michael Müller, jedenfalls wenn es um das Thema Asbest geht.
Jüngst brachten Otto und seine Fraktion eine Große Anfrage mit dem provozierenden Titel „Wie lange bleibt Berlin noch Asbesthauptstadt?“ im Abgeordnetenhaus ein, um nach der Diskussion im Plenum wieder feststellen zu können: „Senat verharmlost Asbest-Problem“. Und: „Die Gesundheit der Mieter scheint für die Berliner Landesregierung offenbar zweitrangig zu sein.“ Otto will vom Senat eine Bestandsaufnahme aller Berliner Wohngebäude, einen Sanierungsfahrplan und eine Kennzeichnung der betroffenen Häuser. Aufzustellen wäre also ein Asbestkataster für die über 300.000 Wohngebäude der Stadt – und nicht nur für die, denn unzählige ältere mit „Eternit“ gedeckte Gartenhäuser, Datschen und Garagen wittern seit Jahrzehnten vor sich hin und zerstreuen ihre Faserlast über die ganze Stadt. Wer soll das leisten, wer bezahlen? An dieser Stelle darf man auch einmal darauf hinweisen, dass es sich bei Asbest um einen staatlicherseits zugelassenen Baustoff gehandelt hat. Asbesthaltige Materialien wurden im Wohnungsbau, aber auch in öffentlichen Gebäuden, von den sechziger Jahren an bis Anfang der neunziger Jahre zulässigerweise eingesetzt, finden sich aber auch in Altbauten, die in diesem Zeitraum saniert worden sind. Wenn alle asbestbelasteten Gebäude gekennzeichnet werden mit der auf der Hand liegenden Folge, dass keiner mehr einzieht und alle Bewohner die Gebäude fluchtartig verlassen – wohin dann mit diesen Mietern bei der ständig beschworenen Wohnungsknappheit, einer Klaviatur, auf der die Grünen auch permanent und penetrant spielen? Immerhin sind nach den Ermittlungen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) allein bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften noch 48.000 Wohnungen mit Vinyl-Asbest-Platten ausgestattet. Wohin mit den rund 90.000 Mietern? Natürlich hat Otto darauf keine Antwort, denn in der Opposition kann man bekanntlich alles folgenlos fordern ohne Rücksicht auf Konsequenzen. Mit wachsender Obdachlosigkeit könnte man als Opposition den Senat sogar noch weiter in die Enge drängen. Das Thema Asbest ist zu ernst, als dass man es für den tagespolitischen Kleinkrieg benutzen dürfte – auch nicht als Opposition. Eine Ausbaupflicht für unbeschädigte Asbestplatten gibt es nicht, denn wenn Mieter nicht selbst Hand an verbaute Asbestprodukte anlegen und nicht eigenmächtig bohren, schleifen oder schneiden, sind die damit verbundenen Gefahren relativ gering. Asbest wird erst gefährlich, wenn die gebundenen Fasern freigesetzt werden und in die Raumluft gelangen. Darüber könnte noch besser und gezielter informiert werden. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften gehen ebenso wie andere Vermieter mit dem Thema Asbest durchaus verantwortungsvoll um. Dazu gehört auch eine Art Dauerkontakt mit dem Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi). Die Anforderungen an die Beseitigung von asbesthaltigen Platten und zugehörigem Kleber sind in den vergangenen Jahren ständig verschärft worden. Die Wohnungswirtschaft tut ihr Bestes, um mit dem Problem fertig zu werden – und es ist ja keineswegs das einzige Problem, vor dem die Branche steht. Vielleicht sollte sich Andreas Otto einmal in die Situation des Geschäftsführers einer Wohnungsbaugesellschaft versetzen, der mit ständig steigenden, oft auch unvorhersehbaren Kosten und Anforderungen für den Umgang mit einem Baustoff konfrontiert wird, gegen dessen Einsatz die zuständigen staatlichen Stellen seinerzeit keine Bedenken hatten. So entsteht Staatsverdrossenheit auch.
Autor: Dieter Blümmel






