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Gutachten der Bundesregierung zu Datschengrundstücken
Die Legende von der Vertreibung
27.11.2000 (GE 16/2000, 1064) Das von der Bundesregierung eingeholte Gutachten zu den Datschengrundstücken räumt mit Legenden auf.
Der Überblick
Die Datschennutzer sind überwiegend keine Erwerbslosen, Sozialhilfeempfänger oder Rentner, sondern Besserverdienende, zu mehr als einem Viertel mit Hochschulabschluß.
Die Nutzungsentgelte sind bei Altverträgen nur halb so hoch wie bei Neuverträgen.
Kommunen verlangen von den Nutzern wesentlich höhere Entgelte als Privateigentümer (Kommunendurchschnitt: 1,40 DM/m2/Jahr; Privateigentümerdurchschnitt: 0,98 DM/m2/Jahr).
Es gibt nur noch rund 320.000 Altverträge.
I. Vorbemerkung
Seit der Wiedervereinigung haben die früheren DDR-Nutzer von Grundstücken zur kleingärtnerischen Nutzung, Erholung oder Freizeitgestaltung einschließlich Garagengrundstücken (überwiegend sogenannte Datschengrundstücke) die Gesetzgebungsverfahren zum Kündigungsausschluß (Vertragsmoratorium Art. 232 § 4 a EGBGB), zum Inkrafttreten der Nutzungsentgeltverordnung (NutzEV) und zum Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) maßgeblich beeinflußt. Dies mit den - niemals bewiesenen - Behauptungen, Millionen von früheren DDR-Nutzern würden von „ihren“ überwiegend seit Jahrzehnten genutzten und urbar gemachten und mit erheblichen Investitionen bebauten Grundstücken von den Alteigentümern vertrieben.
Letztmalig hatte insbesondere auf Initiative des Nutzerverbandes (VdGN) dieser bei der alten Bundesregierung 1997 erreichen können, daß die NutzEV abermals zu Lasten der Grundstückseigentümer verändert wurde. Damals wie heute wurden von der Presse weitgehend die Behauptungen des VdGN ungeprüft übernommenen, es erfolge durch die Eigentümer mit dem Mittel der Erhöhung der Nutzungsentgelte eine systematische Vertreibung der früheren DDR-Nutzer. Das jetzt vorliegende Gutachten der Bundesregierung widerlegt die Behauptungen des VdGN eindrucksvoll.
Regelmäßig haben die Nutzerverbände nochmalige Änderungen des ohnehin nutzerschützenden Schuldrechtsanpassungsgesetzes gefordert, insbesondere erweiterte Kündigungsmöglichkeiten verbunden mit höheren Entschädigungspflichten zu Lasten der Eigentümer.
Zumindest die jetzige Bundesregierung ist nicht mehr den Pressekampagnen der Nutzerverbände erlegen und hat ungeprüft deren Behauptungen übernommen. Statt dessen wurde, wie bereits 1993 im Vorfeld des Erlasses der Nutzungsentgeltverordnung, ein umfangreiches Gutachten mit dem Ziel in Auftrag gegeben, zu klären, wie sich in der Praxis die NutzEV und die Bestimmungen des SchuldRAnpG auf die noch bestehenden Altverträge (Abschluß vor dem 3. Oktober 1990) ausgewirkt haben und ob noch gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
Das jetzt vorliegende und im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstellte Gutachten vom Februar 2000, enthält für die Praktiker des Grundstücksrechts in Ostdeutschland, insbesondere die Grundstückssachverständigen und betroffenen Eigentümer, keine überraschenden Ergebnisse, belegt aber, daß die Vertreibung ostdeutscher Nutzer durch die Erhöhung von Nutzungsentgelten reine Legende ist.
II. Feststellungen des Gutachtens
1. Betroffene Altverträge
Den besonderen Schutzbestimmungen der NutzEV und des SchuldRAnpG (Datschengesetz) unterliegen nur die sogenannten Altverträge, d. h. solche, die im Beitrittsgebiet bis 3. Oktober 1990 abgeschlossen wurden.
Vom Verband der Grundstücksnutzer (VdGN) ist ohne jeden Nachweis behauptet - und stets von den Printmedien ungeprüft übernommen - worden, es existierten heute noch ca. eine Million Altverträge. Schon diese Behauptung ist absolut unsinnig.
Nach den gutachterlichen Feststellungen der Bundesregierung dürften heute noch ca. 320.000 Altverträge bestehen, wovon die weiteren ca. 430.000 Vertragsverhältnisse zu trennen sind, die dem BKleingG unterfallen und bei denen es sich gerade nicht um die sogenannten Datschengrundstücke im engeren Sinne handelt.
Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Herleitung des Autors aufgrund des 1989 und 1993 erstellten Zahlenmaterials (vgl. Schnabel in Datschenrecht 2000, S. 16).
In dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes hatte das Bundesministerium der Justiz noch in einer Stellungnahme gegenüber dem Gericht behauptet, die Datschengrundstücke würden überwiegend von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern mittleren Alters sowie von Rentnern genutzt.
Auch diese Angaben sind ausweislich der Feststellungen des von der Bundesregiertung vorgelegten Gutachtens falsch. 50 % der Altverträge entfallen auf Personen zwischen 40 und 60 Jahren, nur 31 % der Verträge auf Personen, die (heute) älter sind als 60 Jahre.
58 % der Altnutzer stehen in einem Erwerbsverhältnis und 27 % der Nutzer haben Hochschul- oder Fachhochschulabschluß und ein deutlich höheres durchschnittliches Nettoeinkommen (3.278 DM) als die übrigen Neubundesbürger.
Es ist also festzustellen, daß i. d. R. gerade ein großer Anteil der besser verdienenden und mit höherem Bildungsgrad ausgestatteten Neubundesbürger zu der überwiegenden Zahl der Grundstücksnutzer zählt und nicht erkennbar ist, warum besondere entgeltbeschränkende Sonderregelungen eingeführt und Entschädigungsbestimmungen gesetzlich normiert wurden, die die Nutzer besonders begünstigen.
Auch die Behauptung des VdGN, bei übergroßen Grundstücken erfolge wegen der hohen Pachten eine Vertreibung der Nutzer, ist durch das Gutachten widerlegt worden. Lediglich 14 % der noch vorhandenen ca. 320.000 Vertragsverhältnisse betreffen Parzellen, die größer sind als 1.000 m2, und gerade diese Grundstücke werden überwiegend von Nutzern mit überdurchschnittlich hohem Einkommen genutzt. Dieser Personenkreis kann die ohnehin mäßigen Pachterhöhungen ohne weiteres verkraften.
Auch das Anfang der 90er Jahre von den Nutzerverbänden gerne kolportierte Klassenkampfklischee, es fände eine Vertreibung durch die Alt-(West-)Eigentümer statt, ist längst widerlegt und durch das Gutachten weiter untermauert worden. 50 % der betroffenen Grundstücke stehen nämlich im Eigentum der Kommunen. Vom den im Privateigentum stehenden 50 % befinden sich viele im Eigentum früherer DDR-Bürger. Für höchstens ein Drittel der betroffenen Grundstücke „paßt“ das Klischee „Westeigentümer/Ostnutzer“ .
2. Keine übermäßige Belastung
durch Nutzungsentgelte
Die derzeit für Altverträge zu zahlenden Nutzungsentgelte betragen jährlich durchschnittlich lediglich 673 DM, während bei neu abgeschlossenen Verträgen (ab 3. Oktober 1990) bereits durchschnittlich 1.287 DM zu zahlen sind. Die durchschnittlichen Nutzungsentgelte pro m2/Jahr betragen demnach 1,17 DM, während sie bei Neuverträgen nahezu das Doppelte, nämlich 2,12 DM ausmachen.
Diese Feststellungen zeigen, daß eine erhebliche wirtschaftliche Besserstellung der Altverträge gegenüber Neuverträgen besteht, obwohl es sich bei den insoweit privilegierten Nutzern überwiegend um überdurchschnittlich verdienende und somit bessergestellte Neubundesbürger handelt.
Bei den Altverträgen liegen zudem die durchschnittlichen Nutzungsentgelte, die von den kommunalen Eigentümern verlangt werden (1,40 DM/m2/Jahr) wesentlich höher als die von den Privateigentümern geforderten Entgelte (0,98 DM/m2/Jahr). Private Eigentümer fordern also unterdurchschnittliche Entgelte von den Nutzern.
Auch die von dem VdGN aufgestellte Behauptung, durch die gesetzlich vorgesehenen jährlichen Erhöhungsschritte würde ein Automatismus der ständigen Nutzungsentgelterhöhungen bewirkt werden, ist widerlegt worden. So sind in den letzten zwei Jahren bei 65 % der Altverträge überhaupt keine Nutzungsentgelterhöhungen vorgenommen worden, wobei noch zu beachten ist, daß in den verbliebenen 35 % der Fälle, bei denen in den letzten zwei Jahren überhaupt die Nutzungsentgelte erhöht wurden, in 2/3 dieser Fälle die Entgelthöhungen durch die Kommunen und nur in 1/3 der Fälle durch die privaten Eigentümer erfolgt sind.
Hier zeigen sich die gravierenden nachteiligen Folgen der 1997 geänderten NutzEV, die mit ihrem neu geschaffenen Erläuterungserfordernis und der Beweislastumkehr zu Lasten des Grundstückseigentümers Bestimmungen geschaffen hat, die in der Praxis dazu geführt haben, daß die Aufwendungen für eine formal korrekte Erstellung eines Nutzungsentgelterhöhungsschreibens i. d. R. wesentlich höher sind als das zu zahlende Nutzungsentgelt und deshalb schon aus wirtschaftlichen Gründen von der gesetzlichen Möglichkeit der einseitigen Nutzungsentgelterhöhung weitgehend abgesehen wird.
Das 1997 von der damaligen Bundesregierung verfolgte Ziel, durch weitere unnötige Formalisierungen faktisch die Erhöhung der Nutzungsentgelte einzufrieren, ist erwartungsgemäß erreicht worden. Deshalb verwundert es auch nicht, wenn im Gutachten festgestellt wird, daß die 1999 festgestellten durchschnittlichen Nutzungsentgelte für Altverträge vielfach weit unter den zulässigen Entgelten liegen und demnach die in der NutzEV eingeräumten Erhöhungsschritte häufig nicht ausgeschöpft werden.
Obwohl insbesondere der VdGN in seinen Merkblättern bzw. Handlungsanweisungen detaillierte Rechtsberatung erteilt, wie man aus formalen Gründen Nutzungsentgelterhöhungsverlangen bekämpfen soll und obwohl mit auch gerichtlich längst anders entschiedenen rechtlichen Behauptungen versucht wird, die Nutzer in die Gerichtsverfahren zu treiben (vgl. GE 2000, 749, 712), ist gutachterlich festgestellt worden, daß es lediglich in 4 % der betroffenen Fälle zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kommt.
3. Auswirkungen der
geänderten NutzEV von 1997
Der Gesetzgeber hatte 1997 eine Auskunftspflicht der Gemeinden über die dort abgeschlossenen Neuverträge zugunsten der Gutachterausschüsse geregelt (vgl. GE 1997, 946). Damit sollte erstmalig eine verläßliche Dokumentation der ortsüblichen Entgelte (durchschnittliches Entgelt bei Neuverträgen) ermittelbar sein und damit dem betroffenen Eigentümer/Nutzer die Möglichkeit eingeräumt werden, zu belegen, ob das nach der NutzEV geforderte Entgelt über dem ortsüblichen Entgelt liegt oder (zulässigerweise) darunter.
Erwartungsgemäß teilte der überwiegende Teil der Gutachterausschüsse (55 %) mit, die Auskunftsbestimmung habe keinerlei Erleichterung gebracht. Die kommunale Auskunftspflicht bringt i. d. R. keinerlei neue Erkenntnisse. Statt dessen hat sich aber die gesetzliche Neuregelung über die Erläuterungsbedürftigkeit des Nutzungsentgeltes durch den Grundstückseigentümer (§ 6 Abs. 1 Satz 2 NutzEV) faktisch als eine verfassungswidrige Beschränkung der Eigentümerrechte herausgestellt.
Damit der Grundstückseigentümer überhaupt seiner gesetzlich geschuldeten Erläuterungspflicht nachkommen kann, bedarf er i. d. R. gutachterlicher Auskünfte, die im Schnitt erst nach zehn Wochen von den Gutachterausschüssen beantwortet werden und deren Kosten durchschnittlich 596 DM betragen (während die Spannweite von 60 bis 3.600 DM für die Gutachterauskünfte reicht). Diese hohen Auskunftskosten sind auch der eigentliche Grund für die Tatsache, daß es in den letzten zwei Jahren (also nach Inkrafttreten der Änderung von 1997) in 65 % der betroffenen Fälle überhaupt nicht mehr zu Erhöhungen gekommen ist. Bedenkt man, daß bei einem durchschnittlich ca. 700 m2 großen, bebauten Erholungsgrundstück das Nutzungsentgelt nur um 0,40 DM/m2/Jahr erhöht werden kann, stellt sich der wirtschaftliche Vorteil für den Eigentümer durch die Erhöhung in Höhe von 280 DM dar, während durchschnittlich die Kosten allein für die Erläuterung dieses Erhöhungsschrittes mit 596 DM zu Buche schlagen.
4. Bauplanungsrechtliche
Nutzungsmöglichkeiten
Bei den betroffenen 320.000 Vertragsverhältnissen soll es sich bauplanungsrechtlich lediglich bei ca. 16 % dieser Verträge um Grundstücke handeln, die als (Wohn-) Bauland genutzt werden können. Diese bauplanungsrechtliche Einschätzung bedeutet im Ergebnis, daß bei 84 % der betroffenen Vertragsverhältnisse der eigentümerseitige Kündigungsausschluß weiterhin bis 31. Dezember 2004 gegeben ist, weil bis zu diesem Zeitpunkt eigentümerseitige Eigenbedarfskündigungen nur möglich sind, wenn eine Wohnhausbebauung auf dem Grundstück möglich ist oder soweit es sich um nicht vom Nutzer bebaute, mit einem Schwarzbau versehene bebaute oder unbebaute Grundstücke i. S. d. § 23 Abs. 6 SchuldRAnpG handelt.
Damit stellen sich im Ergebnis die Kündigungsschutzbestimmungen zugunsten der Nutzer als ein absoluter Kündigungsausschluß für die Dauer von 15 Jahren seit der Wiedervereinigung dar. Berücksichtigt man die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Datschenbeschluß vom 14. Juli 1999, daß die absoluten Kündigungsausschlußbestimmungen bis 31. Dezember 1999 gerade noch verfassungsgemäß seien, dürfte der faktische Kündigungsausschluß bei ca. 84 % der betroffenen Vertragsverhältnisse für weitere vier Jahre wohl nicht mehr als verfassungsgemäß anzusehen sein. Da dem BVerfG allerdings bei seiner Entscheidungsfindung nur unzutreffendes Datenmaterial vorlag - es ging von einer Million betroffener Grundstücke (!) aus -, konnte bisher von diesem noch keine realistische Beurteilung des Umfanges und der Art der betroffenen Vertragsverhältnisse vorgenommen werden (kritisch dazu Schnabel „Datschen- und Grundstücksrecht 2000“, S. 14).
5. Gründe für die Nutzungsaufgabe
Seit annähernd zehn Jahren wird von den Nutzerverbänden in klischeehafter Weise kolportiert, wegen der unangemessen hohen Nutzungsentgelte und des psychischen Drucks der Alt-(West-) Eigentümer würden massenhaft die früheren DDR-Nutzer von „ihren“ Erholungsgrundstücken vertrieben. Die Realität ist, worauf der Autor aufgrund seiner jahrelangen praktischen Erfahrungen hingewiesen hat, eine völlig andere, wie auch das Gutachten belegt. Von den bisher seit 1990 aufgehobenen Vertragsverhältnissen (ca. 200.000 Verträge) sind 50 % von den Nutzern beendet worden, weil sie kein Interesse mehr hatten, die Datschennutzung fortzusetzen. Bei 34 % der aufgehobenen Vertragsverhältnisse waren es Altersgründe und nur bei ca. 17 % war das höhere Nutzungsentgelt Grund für die Beendigung des Vertrags.
6. Entschädigungszahlungen
Da bis zur Erstellung des Gutachtens eigentümerseitige Kündigungen i. d. R. ausgeschlossen waren, sind die besonderen Entschädigungsbestimmungen der §§ 12, 14 und 27 SchuldRAnpG nur ausnahmsweise bisher zur Anwendung gekommen. In den bisherigen Entschädigungsfällen, die offensichtlich weitgehend auf Nutzerkündigungen oder einvernehmlichen Regelungen beruhen, liegen Zahlungen zwischen 500 und 15.000 DM, die aber auch bis zu 100.000 DM reichen können bei Übergabe von mit massiven Baulichkeiten versehenen Grundstücken.
Eine aktuelle Einschätzung, wie hoch die zukünftig bei eigentümerseitigen Kündigungen zu zahlenden Entschädigungen sind, konnte das Gutachten noch nicht abgeben. Hier ist allerdings z. T. mit erheblichen Zahlungspflichten der Eigentümer zu rechnen, die sich je nach Bauzustand der errichteten Baulichkeiten zwischen 5.000 bis 15.000 DM zuzüglich weiterer Entschädigungen für Anpflanzungen von ca. 1.000 bis 10.000 DM belaufen dürften. Erst die zukünftig ermittelbaren tatsächlichen Entschädigungen werden dann aufzeigen, ob die gesetzlichen Regelungen eine verfassungswidrige Aushöhlung des Eigentums darstellen. Das BVerfG hat jedenfalls in seinem Beschluß vom 1. Dezember 1999 (1 BvR 2710/95 = VIZ 2000, 231) aufgezeigt, daß ein verfassungswidriger Zustand bei überhöhten Entschädigungspflichten gegeben sein könnte.
7. Ergebnis
Die nunmehr gutachterlich gemachten Feststellungen dürften eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für den Bundesgesetzgeber bilden, die hoffentlich letztmaligen Änderungen der NutzEV und des SchuldRAnpG fristgemäß wie vom BVerfG vorgegeben bis zum 1. Juli 2001 in Kraft zu setzen.
Nunmehr ist auch belegt, daß aufgrund völlig falscher Angaben der früheren Bundesregierung und ostdeutscher Landesregierungen das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Schuldrechtsanpassungsgesetzes wieder einmal aus politischen Gründen getäuscht worden ist.
Es ist zu hoffen, daß zukünftig von den Gerichten und gegebenenfalls auch dem Bundesverfassungsgericht aufgrund des jetzt vorliegenden Datenmaterials endlich eine realistische Einschätzung der noch betroffenen Nutzungsverhältnisse erfolgt.
Fest steht nämlich, daß Begünstigte der besonderen entgeltbeschränkenden Bestimmungen und hohen Entschädigungspflichten bei Vertragsbeendigungen gerade die privilegierteren und besserverdienenden Bevölkerungsschichten sind, zu deren Gunsten eine besondere Sozialpflichtigkeit eigentumsbeschränkender Regelungen überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre.
Erwartungsgemäß sind vom Verband der Grundstücksnutzer die gutachterlichen Feststellungen als unzutreffend und das Gutachten insgesamt als mangelhaft bewertet worden. Unbeirrt setzt der VdGN seine Propaganda-Kampagne nach dem Motto „Was nicht sein darf, nicht sein kann“ fort und spannt wiederum die ahnungslosen Printmedien ein, um mit unrichtigen Tatsachenbehauptungen den Gesetzgeber unter Druck zu setzen.
Es bleibt zu hoffen, daß die Legenden des VdGN im Gesetzgebungsverfahren keine Rolle mehr spielen und in dem hoffentlich letzten Gesetzgebungsverfahren endlich die zutreffenden Tatsachen Berücksichtigung finden werden. Andernfalls dürfte wohl mit einer abermaligen Überprüfung der gesetzlichen Bestimmungen durch das Bundesverfassungsgericht zu rechnen sein. Es ist nicht zu erwarten, daß sich Karlsruhe noch einmal hinsichtlich der Schilderung der Anzahl und der Intensität der betroffenen Verträge durch unrichtige Angaben hinter’s Licht führen lassen wird.
Die Datschennutzer sind überwiegend keine Erwerbslosen, Sozialhilfeempfänger oder Rentner, sondern Besserverdienende, zu mehr als einem Viertel mit Hochschulabschluß.
Die Nutzungsentgelte sind bei Altverträgen nur halb so hoch wie bei Neuverträgen.
Kommunen verlangen von den Nutzern wesentlich höhere Entgelte als Privateigentümer (Kommunendurchschnitt: 1,40 DM/m2/Jahr; Privateigentümerdurchschnitt: 0,98 DM/m2/Jahr).
Es gibt nur noch rund 320.000 Altverträge.
I. Vorbemerkung
Seit der Wiedervereinigung haben die früheren DDR-Nutzer von Grundstücken zur kleingärtnerischen Nutzung, Erholung oder Freizeitgestaltung einschließlich Garagengrundstücken (überwiegend sogenannte Datschengrundstücke) die Gesetzgebungsverfahren zum Kündigungsausschluß (Vertragsmoratorium Art. 232 § 4 a EGBGB), zum Inkrafttreten der Nutzungsentgeltverordnung (NutzEV) und zum Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) maßgeblich beeinflußt. Dies mit den - niemals bewiesenen - Behauptungen, Millionen von früheren DDR-Nutzern würden von „ihren“ überwiegend seit Jahrzehnten genutzten und urbar gemachten und mit erheblichen Investitionen bebauten Grundstücken von den Alteigentümern vertrieben.
Letztmalig hatte insbesondere auf Initiative des Nutzerverbandes (VdGN) dieser bei der alten Bundesregierung 1997 erreichen können, daß die NutzEV abermals zu Lasten der Grundstückseigentümer verändert wurde. Damals wie heute wurden von der Presse weitgehend die Behauptungen des VdGN ungeprüft übernommenen, es erfolge durch die Eigentümer mit dem Mittel der Erhöhung der Nutzungsentgelte eine systematische Vertreibung der früheren DDR-Nutzer. Das jetzt vorliegende Gutachten der Bundesregierung widerlegt die Behauptungen des VdGN eindrucksvoll.
Regelmäßig haben die Nutzerverbände nochmalige Änderungen des ohnehin nutzerschützenden Schuldrechtsanpassungsgesetzes gefordert, insbesondere erweiterte Kündigungsmöglichkeiten verbunden mit höheren Entschädigungspflichten zu Lasten der Eigentümer.
Zumindest die jetzige Bundesregierung ist nicht mehr den Pressekampagnen der Nutzerverbände erlegen und hat ungeprüft deren Behauptungen übernommen. Statt dessen wurde, wie bereits 1993 im Vorfeld des Erlasses der Nutzungsentgeltverordnung, ein umfangreiches Gutachten mit dem Ziel in Auftrag gegeben, zu klären, wie sich in der Praxis die NutzEV und die Bestimmungen des SchuldRAnpG auf die noch bestehenden Altverträge (Abschluß vor dem 3. Oktober 1990) ausgewirkt haben und ob noch gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
Das jetzt vorliegende und im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erstellte Gutachten vom Februar 2000, enthält für die Praktiker des Grundstücksrechts in Ostdeutschland, insbesondere die Grundstückssachverständigen und betroffenen Eigentümer, keine überraschenden Ergebnisse, belegt aber, daß die Vertreibung ostdeutscher Nutzer durch die Erhöhung von Nutzungsentgelten reine Legende ist.
II. Feststellungen des Gutachtens
1. Betroffene Altverträge
Den besonderen Schutzbestimmungen der NutzEV und des SchuldRAnpG (Datschengesetz) unterliegen nur die sogenannten Altverträge, d. h. solche, die im Beitrittsgebiet bis 3. Oktober 1990 abgeschlossen wurden.
Vom Verband der Grundstücksnutzer (VdGN) ist ohne jeden Nachweis behauptet - und stets von den Printmedien ungeprüft übernommen - worden, es existierten heute noch ca. eine Million Altverträge. Schon diese Behauptung ist absolut unsinnig.
Nach den gutachterlichen Feststellungen der Bundesregierung dürften heute noch ca. 320.000 Altverträge bestehen, wovon die weiteren ca. 430.000 Vertragsverhältnisse zu trennen sind, die dem BKleingG unterfallen und bei denen es sich gerade nicht um die sogenannten Datschengrundstücke im engeren Sinne handelt.
Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Herleitung des Autors aufgrund des 1989 und 1993 erstellten Zahlenmaterials (vgl. Schnabel in Datschenrecht 2000, S. 16).
In dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes hatte das Bundesministerium der Justiz noch in einer Stellungnahme gegenüber dem Gericht behauptet, die Datschengrundstücke würden überwiegend von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern mittleren Alters sowie von Rentnern genutzt.
Auch diese Angaben sind ausweislich der Feststellungen des von der Bundesregiertung vorgelegten Gutachtens falsch. 50 % der Altverträge entfallen auf Personen zwischen 40 und 60 Jahren, nur 31 % der Verträge auf Personen, die (heute) älter sind als 60 Jahre.
58 % der Altnutzer stehen in einem Erwerbsverhältnis und 27 % der Nutzer haben Hochschul- oder Fachhochschulabschluß und ein deutlich höheres durchschnittliches Nettoeinkommen (3.278 DM) als die übrigen Neubundesbürger.
Es ist also festzustellen, daß i. d. R. gerade ein großer Anteil der besser verdienenden und mit höherem Bildungsgrad ausgestatteten Neubundesbürger zu der überwiegenden Zahl der Grundstücksnutzer zählt und nicht erkennbar ist, warum besondere entgeltbeschränkende Sonderregelungen eingeführt und Entschädigungsbestimmungen gesetzlich normiert wurden, die die Nutzer besonders begünstigen.
Auch die Behauptung des VdGN, bei übergroßen Grundstücken erfolge wegen der hohen Pachten eine Vertreibung der Nutzer, ist durch das Gutachten widerlegt worden. Lediglich 14 % der noch vorhandenen ca. 320.000 Vertragsverhältnisse betreffen Parzellen, die größer sind als 1.000 m2, und gerade diese Grundstücke werden überwiegend von Nutzern mit überdurchschnittlich hohem Einkommen genutzt. Dieser Personenkreis kann die ohnehin mäßigen Pachterhöhungen ohne weiteres verkraften.
Auch das Anfang der 90er Jahre von den Nutzerverbänden gerne kolportierte Klassenkampfklischee, es fände eine Vertreibung durch die Alt-(West-)Eigentümer statt, ist längst widerlegt und durch das Gutachten weiter untermauert worden. 50 % der betroffenen Grundstücke stehen nämlich im Eigentum der Kommunen. Vom den im Privateigentum stehenden 50 % befinden sich viele im Eigentum früherer DDR-Bürger. Für höchstens ein Drittel der betroffenen Grundstücke „paßt“ das Klischee „Westeigentümer/Ostnutzer“ .
2. Keine übermäßige Belastung
durch Nutzungsentgelte
Die derzeit für Altverträge zu zahlenden Nutzungsentgelte betragen jährlich durchschnittlich lediglich 673 DM, während bei neu abgeschlossenen Verträgen (ab 3. Oktober 1990) bereits durchschnittlich 1.287 DM zu zahlen sind. Die durchschnittlichen Nutzungsentgelte pro m2/Jahr betragen demnach 1,17 DM, während sie bei Neuverträgen nahezu das Doppelte, nämlich 2,12 DM ausmachen.
Diese Feststellungen zeigen, daß eine erhebliche wirtschaftliche Besserstellung der Altverträge gegenüber Neuverträgen besteht, obwohl es sich bei den insoweit privilegierten Nutzern überwiegend um überdurchschnittlich verdienende und somit bessergestellte Neubundesbürger handelt.
Bei den Altverträgen liegen zudem die durchschnittlichen Nutzungsentgelte, die von den kommunalen Eigentümern verlangt werden (1,40 DM/m2/Jahr) wesentlich höher als die von den Privateigentümern geforderten Entgelte (0,98 DM/m2/Jahr). Private Eigentümer fordern also unterdurchschnittliche Entgelte von den Nutzern.
Auch die von dem VdGN aufgestellte Behauptung, durch die gesetzlich vorgesehenen jährlichen Erhöhungsschritte würde ein Automatismus der ständigen Nutzungsentgelterhöhungen bewirkt werden, ist widerlegt worden. So sind in den letzten zwei Jahren bei 65 % der Altverträge überhaupt keine Nutzungsentgelterhöhungen vorgenommen worden, wobei noch zu beachten ist, daß in den verbliebenen 35 % der Fälle, bei denen in den letzten zwei Jahren überhaupt die Nutzungsentgelte erhöht wurden, in 2/3 dieser Fälle die Entgelthöhungen durch die Kommunen und nur in 1/3 der Fälle durch die privaten Eigentümer erfolgt sind.
Hier zeigen sich die gravierenden nachteiligen Folgen der 1997 geänderten NutzEV, die mit ihrem neu geschaffenen Erläuterungserfordernis und der Beweislastumkehr zu Lasten des Grundstückseigentümers Bestimmungen geschaffen hat, die in der Praxis dazu geführt haben, daß die Aufwendungen für eine formal korrekte Erstellung eines Nutzungsentgelterhöhungsschreibens i. d. R. wesentlich höher sind als das zu zahlende Nutzungsentgelt und deshalb schon aus wirtschaftlichen Gründen von der gesetzlichen Möglichkeit der einseitigen Nutzungsentgelterhöhung weitgehend abgesehen wird.
Das 1997 von der damaligen Bundesregierung verfolgte Ziel, durch weitere unnötige Formalisierungen faktisch die Erhöhung der Nutzungsentgelte einzufrieren, ist erwartungsgemäß erreicht worden. Deshalb verwundert es auch nicht, wenn im Gutachten festgestellt wird, daß die 1999 festgestellten durchschnittlichen Nutzungsentgelte für Altverträge vielfach weit unter den zulässigen Entgelten liegen und demnach die in der NutzEV eingeräumten Erhöhungsschritte häufig nicht ausgeschöpft werden.
Obwohl insbesondere der VdGN in seinen Merkblättern bzw. Handlungsanweisungen detaillierte Rechtsberatung erteilt, wie man aus formalen Gründen Nutzungsentgelterhöhungsverlangen bekämpfen soll und obwohl mit auch gerichtlich längst anders entschiedenen rechtlichen Behauptungen versucht wird, die Nutzer in die Gerichtsverfahren zu treiben (vgl. GE 2000, 749, 712), ist gutachterlich festgestellt worden, daß es lediglich in 4 % der betroffenen Fälle zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kommt.
3. Auswirkungen der
geänderten NutzEV von 1997
Der Gesetzgeber hatte 1997 eine Auskunftspflicht der Gemeinden über die dort abgeschlossenen Neuverträge zugunsten der Gutachterausschüsse geregelt (vgl. GE 1997, 946). Damit sollte erstmalig eine verläßliche Dokumentation der ortsüblichen Entgelte (durchschnittliches Entgelt bei Neuverträgen) ermittelbar sein und damit dem betroffenen Eigentümer/Nutzer die Möglichkeit eingeräumt werden, zu belegen, ob das nach der NutzEV geforderte Entgelt über dem ortsüblichen Entgelt liegt oder (zulässigerweise) darunter.
Erwartungsgemäß teilte der überwiegende Teil der Gutachterausschüsse (55 %) mit, die Auskunftsbestimmung habe keinerlei Erleichterung gebracht. Die kommunale Auskunftspflicht bringt i. d. R. keinerlei neue Erkenntnisse. Statt dessen hat sich aber die gesetzliche Neuregelung über die Erläuterungsbedürftigkeit des Nutzungsentgeltes durch den Grundstückseigentümer (§ 6 Abs. 1 Satz 2 NutzEV) faktisch als eine verfassungswidrige Beschränkung der Eigentümerrechte herausgestellt.
Damit der Grundstückseigentümer überhaupt seiner gesetzlich geschuldeten Erläuterungspflicht nachkommen kann, bedarf er i. d. R. gutachterlicher Auskünfte, die im Schnitt erst nach zehn Wochen von den Gutachterausschüssen beantwortet werden und deren Kosten durchschnittlich 596 DM betragen (während die Spannweite von 60 bis 3.600 DM für die Gutachterauskünfte reicht). Diese hohen Auskunftskosten sind auch der eigentliche Grund für die Tatsache, daß es in den letzten zwei Jahren (also nach Inkrafttreten der Änderung von 1997) in 65 % der betroffenen Fälle überhaupt nicht mehr zu Erhöhungen gekommen ist. Bedenkt man, daß bei einem durchschnittlich ca. 700 m2 großen, bebauten Erholungsgrundstück das Nutzungsentgelt nur um 0,40 DM/m2/Jahr erhöht werden kann, stellt sich der wirtschaftliche Vorteil für den Eigentümer durch die Erhöhung in Höhe von 280 DM dar, während durchschnittlich die Kosten allein für die Erläuterung dieses Erhöhungsschrittes mit 596 DM zu Buche schlagen.
4. Bauplanungsrechtliche
Nutzungsmöglichkeiten
Bei den betroffenen 320.000 Vertragsverhältnissen soll es sich bauplanungsrechtlich lediglich bei ca. 16 % dieser Verträge um Grundstücke handeln, die als (Wohn-) Bauland genutzt werden können. Diese bauplanungsrechtliche Einschätzung bedeutet im Ergebnis, daß bei 84 % der betroffenen Vertragsverhältnisse der eigentümerseitige Kündigungsausschluß weiterhin bis 31. Dezember 2004 gegeben ist, weil bis zu diesem Zeitpunkt eigentümerseitige Eigenbedarfskündigungen nur möglich sind, wenn eine Wohnhausbebauung auf dem Grundstück möglich ist oder soweit es sich um nicht vom Nutzer bebaute, mit einem Schwarzbau versehene bebaute oder unbebaute Grundstücke i. S. d. § 23 Abs. 6 SchuldRAnpG handelt.
Damit stellen sich im Ergebnis die Kündigungsschutzbestimmungen zugunsten der Nutzer als ein absoluter Kündigungsausschluß für die Dauer von 15 Jahren seit der Wiedervereinigung dar. Berücksichtigt man die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Datschenbeschluß vom 14. Juli 1999, daß die absoluten Kündigungsausschlußbestimmungen bis 31. Dezember 1999 gerade noch verfassungsgemäß seien, dürfte der faktische Kündigungsausschluß bei ca. 84 % der betroffenen Vertragsverhältnisse für weitere vier Jahre wohl nicht mehr als verfassungsgemäß anzusehen sein. Da dem BVerfG allerdings bei seiner Entscheidungsfindung nur unzutreffendes Datenmaterial vorlag - es ging von einer Million betroffener Grundstücke (!) aus -, konnte bisher von diesem noch keine realistische Beurteilung des Umfanges und der Art der betroffenen Vertragsverhältnisse vorgenommen werden (kritisch dazu Schnabel „Datschen- und Grundstücksrecht 2000“, S. 14).
5. Gründe für die Nutzungsaufgabe
Seit annähernd zehn Jahren wird von den Nutzerverbänden in klischeehafter Weise kolportiert, wegen der unangemessen hohen Nutzungsentgelte und des psychischen Drucks der Alt-(West-) Eigentümer würden massenhaft die früheren DDR-Nutzer von „ihren“ Erholungsgrundstücken vertrieben. Die Realität ist, worauf der Autor aufgrund seiner jahrelangen praktischen Erfahrungen hingewiesen hat, eine völlig andere, wie auch das Gutachten belegt. Von den bisher seit 1990 aufgehobenen Vertragsverhältnissen (ca. 200.000 Verträge) sind 50 % von den Nutzern beendet worden, weil sie kein Interesse mehr hatten, die Datschennutzung fortzusetzen. Bei 34 % der aufgehobenen Vertragsverhältnisse waren es Altersgründe und nur bei ca. 17 % war das höhere Nutzungsentgelt Grund für die Beendigung des Vertrags.
6. Entschädigungszahlungen
Da bis zur Erstellung des Gutachtens eigentümerseitige Kündigungen i. d. R. ausgeschlossen waren, sind die besonderen Entschädigungsbestimmungen der §§ 12, 14 und 27 SchuldRAnpG nur ausnahmsweise bisher zur Anwendung gekommen. In den bisherigen Entschädigungsfällen, die offensichtlich weitgehend auf Nutzerkündigungen oder einvernehmlichen Regelungen beruhen, liegen Zahlungen zwischen 500 und 15.000 DM, die aber auch bis zu 100.000 DM reichen können bei Übergabe von mit massiven Baulichkeiten versehenen Grundstücken.
Eine aktuelle Einschätzung, wie hoch die zukünftig bei eigentümerseitigen Kündigungen zu zahlenden Entschädigungen sind, konnte das Gutachten noch nicht abgeben. Hier ist allerdings z. T. mit erheblichen Zahlungspflichten der Eigentümer zu rechnen, die sich je nach Bauzustand der errichteten Baulichkeiten zwischen 5.000 bis 15.000 DM zuzüglich weiterer Entschädigungen für Anpflanzungen von ca. 1.000 bis 10.000 DM belaufen dürften. Erst die zukünftig ermittelbaren tatsächlichen Entschädigungen werden dann aufzeigen, ob die gesetzlichen Regelungen eine verfassungswidrige Aushöhlung des Eigentums darstellen. Das BVerfG hat jedenfalls in seinem Beschluß vom 1. Dezember 1999 (1 BvR 2710/95 = VIZ 2000, 231) aufgezeigt, daß ein verfassungswidriger Zustand bei überhöhten Entschädigungspflichten gegeben sein könnte.
7. Ergebnis
Die nunmehr gutachterlich gemachten Feststellungen dürften eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für den Bundesgesetzgeber bilden, die hoffentlich letztmaligen Änderungen der NutzEV und des SchuldRAnpG fristgemäß wie vom BVerfG vorgegeben bis zum 1. Juli 2001 in Kraft zu setzen.
Nunmehr ist auch belegt, daß aufgrund völlig falscher Angaben der früheren Bundesregierung und ostdeutscher Landesregierungen das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Schuldrechtsanpassungsgesetzes wieder einmal aus politischen Gründen getäuscht worden ist.
Es ist zu hoffen, daß zukünftig von den Gerichten und gegebenenfalls auch dem Bundesverfassungsgericht aufgrund des jetzt vorliegenden Datenmaterials endlich eine realistische Einschätzung der noch betroffenen Nutzungsverhältnisse erfolgt.
Fest steht nämlich, daß Begünstigte der besonderen entgeltbeschränkenden Bestimmungen und hohen Entschädigungspflichten bei Vertragsbeendigungen gerade die privilegierteren und besserverdienenden Bevölkerungsschichten sind, zu deren Gunsten eine besondere Sozialpflichtigkeit eigentumsbeschränkender Regelungen überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre.
Erwartungsgemäß sind vom Verband der Grundstücksnutzer die gutachterlichen Feststellungen als unzutreffend und das Gutachten insgesamt als mangelhaft bewertet worden. Unbeirrt setzt der VdGN seine Propaganda-Kampagne nach dem Motto „Was nicht sein darf, nicht sein kann“ fort und spannt wiederum die ahnungslosen Printmedien ein, um mit unrichtigen Tatsachenbehauptungen den Gesetzgeber unter Druck zu setzen.
Es bleibt zu hoffen, daß die Legenden des VdGN im Gesetzgebungsverfahren keine Rolle mehr spielen und in dem hoffentlich letzten Gesetzgebungsverfahren endlich die zutreffenden Tatsachen Berücksichtigung finden werden. Andernfalls dürfte wohl mit einer abermaligen Überprüfung der gesetzlichen Bestimmungen durch das Bundesverfassungsgericht zu rechnen sein. Es ist nicht zu erwarten, daß sich Karlsruhe noch einmal hinsichtlich der Schilderung der Anzahl und der Intensität der betroffenen Verträge durch unrichtige Angaben hinter’s Licht führen lassen wird.
Autor: RA Gunnar Schnabel