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Null Toleranz gegenüber Steuerhinterziehern!
18.02.2014 (GE 4/14, 206) In unserer schnelllebigen Zeit muss man damit rechnen, dass das gedruckte Wort, noch bevor es beim Leser ist, von der Wirklichkeit überrollt wird. So erging es uns diesmal mit der Causa André Schmitz, dem Steuersünder und heimlichen Berliner Kultursenator. Am Tage, als unsere Ausgabe 3/2014 in Druck ging, sahen weder Schmitz noch sein Vorgesetzter, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, Anlass für einen Rücktritt – ganz anders als wir.
Einen Tag später sahen beide das genauso wie wir. Schmitz bat Wowereit, ihn von seinen Aufgaben als Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten zu entbinden. Er tat das nicht freiwillig, sondern unter dem Druck, den sowohl der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel als auch der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß aufgebaut hatten (Letzterer hat sich mit seinem hektischen, aufgeregten und alles andere als souveränen Krisenmanagement in den Augen vieler Genossen erneut nicht für höhere Weihen empfohlen – und den „Königsmörder“ traut ihm jetzt auch keiner mehr zu). Interessant an dem „Entbindungs-Gesuch“ von Schmitz ist seine Begründung: Er tue diesen Schritt, „um Schaden für das Amt“ abzuwenden und räumt damit ein, dass sein Verhalten als Steuerzahler negative Auswirkungen auf das Amt haben könnte. Das ist deshalb interessant, weil nach dem Beamtenrecht ein außerdienstliches Vergehen (was es bei Schmitz war) durchaus dienstrechtliche Konsequenzen haben kann, wenn das Fehlverhalten nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in das Amt in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigung – wenngleich nicht auch eine „bedeutsame“ Beeinträchtigung – hat Schmitz immerhin eingeräumt mit seinem Schreiben. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens hätte also insofern nahegelegen. Stattdessen wurde der Versuch unternommen, den Fall unter den dicken Berliner Teppich zu kehren. Neben Wowereit (und der ermitteln-den Staatsanwaltschaft) kannten auch der Berliner Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum und der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann von Amts wegen das Verfahren gegen Schmitz – anders als unser fränkisches Plappermäulchen, der ehemalige Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich, verhielten sie sich – nach eigenen Angaben – verschwiegen und damit gesetzeskonform und behielten ihr amtliches Wissen für sich. Immerhin bietet die Causa Schmitz kein großes Potential mehr für Weiterungen, es sei denn, dass das von den Initiatoren des Volksbegehrens „100 % Tempelhofer Feld“ gerade auf die Schiene gesetzte Volksbegehren für Neuwahlen Erfolg hat. Wowereit hat auch so sein Fett weg, und Schmitz hat seine Steuern nach - und seinen Fehltritt teuer bezahlt. Er wurde durch Senatsbeschluss nicht in den einstweiligen Ruhestand versetzt, sondernaus dem Amt entlassen, weshalb er auch kein Übergangsgeld erhält. Außerdem ist er tief gefallen. Da beschleicht auch den ehrlichen Steuerzahler jenes heutzutage viel zu seltene Gefühl, das man mit dem altertümlichen Begriff „Vergebung“ belegt. Schön wäre es jetzt noch, wenn die Zahl der Heuchler wie Andrea Nahles, der ehemaligen Generalsekretärin der SPD, weniger würden. Nahles hatte sich noch vor der letzten Bundestagswahl mit ihrer Kampagne „Null Toleranz gegenüber Steuerhinterziehern“ auf Stimmenfang gemacht (wogegen der SPD-Bundesvorsitzende Gabriel immerhin einräumte, dass niemand gerne Steuern zahle, er also auch nicht). Dass niemand von uns (große Ausnahme ist der in Talkshows allgegenwärtige Inhaber der Rossmann-Kette, Dirk Roßmann) gerne Steuern bezahlt, ist Teil unseres steinzeitlichen Erbes. Als Jäger und Sammler hatten wir das Recht, darüber zu bestimmen, wie und an wen die Beute verteilt wird. Erst die Sesshaftigkeit hat nicht nur das Eigentum als solches, sondern auch jene hervorgebracht, die als Herrscher oder als Staaten uns einen Teil unserer Beute abnehmen und häufig genug nicht in unserem Sinne verteilen. Gegen solche Gedanken hilft Georg Wilhelm Friedrich Hegel, wonach Freiheit auch in der Einsicht auf die Notwendigkeit besteht. Und die Notwendigkeit, Steuern zu zahlen, wird, ebenso wenig wie die Freiheit, ernsthaft heute keiner mehr in Frage stellen – jedenfalls nicht in Mitteleuropa.
Autor: Dieter Blümmel