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Vorsicht bei Einberufung von Versammlungen in der Ferienzeit
Eigentümerbeschlüsse können für ungültig erklärt werden
17.01.2014 (GE 2/14, 106) Legt die Teilungserklärung einen konkreten zeitlichen Rahmen für die ordentliche Versammlung der Wohnungseigentümer fest, ist bei einer Terminierung außerhalb dieses zeitlichen Rahmens – besonders bei Terminen innerhalb der Schulferien – auf die Belange der WEG-Mitglieder ein gesteigertes Maß an Rücksicht zunehmen. Dem kann dadurch Rechnung getragen werden, dass für die Einladung ein über die zweiwöchige Mindest-Ladungsfrist deutlich hinausgehender zeitlicher Vorlauf gewählt wird, um auch in der Reisezeit die Teilnahme an der Eigentümerversammlung zu gewährleisten.
Der Fall: Die Teilungserklärung der aus 13 Mitgliedern bestehenden Gemeinschaft (Wohnungserbbaugemeinschaft) in Freiburg regelt, dass der Verwalter wenigstens einmal im Jahr im Laufe des ersten Kalendervierteljahres die Eigentümerversammlung einzuberufen hat. Die Mitglieder der Gemeinschaft sind überwiegend in Südbaden ansässig, nur ein Mitglied wohnt in Düsseldorf.
Die Verwalterin hat mit Schreiben vom 6. August 2012 zur Versammlung am 21. August 2012 eingeladen. In Baden Württemberg waren im gesamten August 2012 Schulferien.
Der Kläger ficht einige der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse an und macht Einladungsmängel geltend. Er habe die Einladung erst am 8. August 2012 erhalten, mithin sei die 2-Wochen-Ladungsfrist nicht eingehalten. Er habe außerdem zu diesem Zeitpunkt Urlaub in Spanien gemacht. Eine Nachbarin habe sich zwar um die Post gekümmert, dennoch habe er es nicht einrichten können, zur Versammlung zu erscheinen. Auch sei nach der Teilungserklärung die Versammlung im ersten Quartal durchzuführen.
Die beklagten anderen Mitglieder der Gemeinschaft erklären demgegenüber, die Einladung sei am 6. August 2012 und damit rechtzeitig abgesandt worden und bei Ihnen am 7. August 2012 eingegangen. Der Kläger habe außerdem erst am 20. August eine Verlegung der Versammlung beantragt.Das AG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger seit beweisfällig für die Behauptung geblieben, die Einladung sei erst am 8. August 2012 bei ihm eingegangen. Eine Versammlung der Ferienzeit sei auch zulässig. Auf die Berufung des Klägers hin gab das Landgericht der Klage in vollem Umfang statt.
Das Urteil: Das LG Karlsruhe hat die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt. Ausschlaggebend dafür war allerdings nicht, dass der Kläger möglicherweise die Einladung nicht innerhalb der Mindest-Ladungsfrist (§ 24 Abs. 4 WEG) erhalten hatte, denn die Teilungserklärung habe im konkreten Fall eine zulässige Zugangsfiktion enthalten (für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügte danach die Absendung der Einladung; abgesandt war die Einladung aber am 6. August 2012). Maßgeblicher Grund für die erfolgreiche Beschlussanfechtung war für das Landgericht, dass die Versammlung„zur Unzeit“ einberufen worden war.
§ 24 WEG sei abdingbar, die Gemeinschaft somit durch Vereinbarung – wie hier geschehen – einen bestimmten Zeitrahmen für die Versammlung vorschreiben. Daraus folge allerdings nicht, dass Beschlüsse, die auf einer Versammlung außerhalb des vereinbarten zeitlichen Rahmens stattfänden, zwingend für ungültig zu erklären seien.
Habe die Gemeinschaft allerdings einen bestimmten Terminrahmen für die Versammlung vereinbart, müsse der Verwalter bei einer Terminierung außerhalb dieses Zeitrahmens auf die Belange der Mitglieder in gesteigerten Maß Rücksicht nehmen. Nach der Teilungserklärung hätten sich die Mitglieder hier nämlich nur im ersten Quartal für eine Versammlung zur Verfügung halten müssen. Verlasse der Verwalter den vereinbarten Zeitrahmen, müsse er durch die Wahl des Zeitpunktes und die Gestaltung der Einberufung dafür sorgen, dass die Mitglieder von ihrem Teilnahmerecht - das ein Kernelement der Mitgliedschaft sei – auch Gebrauch machen können.Das gelte in gesteigerten Maße, wenn - wie im vorliegenden Fall – die Gemeinschaft aus einer überschaubaren Zahl von Personen bestehe und eine solche Rücksichtnahme ohne größeren Aufwand möglich sei. Insbesondere müsse die Verwaltung die Mitglieder ausreichend weit vor dem Versammlungstermin über die Versammlung unterrichten. Hier aber habe die Verwalterin in der denkbar kürzesten Frist zur Versammlung eingeladen.
Zudem habe die Verwalterin die Versammlung nicht so kurzfristig innerhalb der Sommerschulferien ansetzen dürfen. Zwar sei streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Versammlungen während der Schulferien überhaupt zulässig seien. Teilweise werde das für generell zulässig gehalten, andererseits nur auf dringliche Fälle beschränkt.
Leitender Grundgedanke müsse aber sein, dass der Versammlungszeitpunkt nicht das Teilnahmerecht der Mitglieder vereiteln dürfe.
Jedenfalls entspreche eine Versammlung in der typischen Reisezeit nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie mit ausreichendem Vorlauf angekündigt worden sei, weil auch Mitglieder ohne schulpflichtige Kinder aus vielerlei Gründen – z. B. Lehrerberuf des Mitglieds oder seines Partners, Kinder im Kindergarten, verpflichtender Urlaub wegen Betriebsschließung, schulpflichtige oder zu betreuende Enkelkinder – Rücksicht auf die Reisezeit nehmen müssten.
Bei der Frage, welcher zeitliche Vorlauf gerade noch angemessen wäre, legte sich die Kammer nicht fest. Allerdings: „Zwei Wochen genügen keinesfalls“. Ausnahme: Die Verwaltung hat auf andere Weise sichergestellt, dass die Mitglieder an einer kurzfristig innerhalb einer typischen Reisezeit angesetzten Versammlung teilnehmen können, oder wenn es sich um eine Angelegenheit von besonderer Dringlichkeit handele; beides habe nicht vorgelegen. Die Kammer sah sich allerdings veranlasst darauf hinzuweisen, dass Beschlüsse auf einer zur Unzeit anberaumten Eigentümerversammlung nicht in jedem Fall anfechtbar sind, sondern nur dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Fehler auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat. Die Kausalität wird widerleglich vermutet; sie fehlt also nur, wenn feststeht, dass der betreffende Beschluss bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre. Die Beweislast dafür tragen die Mitglieder der Gemeinschaft, die den Beschluss gefasst haben. Die Kausalitätsvermutung könne nur mit den Nachweis widerlegt werden, dass der Beschluss mit Sicherheit inhaltsgleich gefasst worden wäre; auch hohe Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Berücksichtigt werde müsse nämlich, dass das Abstimmungsverhalten auch durch vorhergehende Diskussionen beeinflusst werden kann und dass eine Versammlung zur Unzeit das Teilnahmerecht einzelner Wohnungseigentümer verletzt und einen schweren Eingriff in den Kernbereich der Mitgliederrechte darstellt.
Anmerkung der Redaktion: Die Terminierung von Eigentümerversammlungen in der Ferienzeit birgt mithin grundsätzlich ein Anfechtungsrisiko – echte Eilfälle einmal ausgenommen. Andererseits ist es dem WEG-Verwalter wegen der Vielzahl der im Rahmen einer normalen Geschäftstätigkeit einer Fremdverwaltung anfallenden Termine bei der Anberaumung der Versammlung nur bedingt möglich, Rücksicht auf individuelle Termine, Ferienzeiten oder Ähnliches zu nehmen (vgl. Jeckstaedt, Die Eigentümerversammlung, Grundeigentum-Verlag 2013, Seite 46), weshalb die Einberufung in Ferienzeiten nicht mehr generell als zur „Unzeit“ gilt.
Als Faustregel können sich WEG-Verwalter merken: Je größer die Eigentümergemeinschaft ist und je weiter die Wohnsitze der einzelnen Eigentümer „verstreut“ sind (bei großen Eigentümergemeinschaften, deren Mitglieder noch dazu über viele Bundesländer verstreut sind, lassen sich wg. der unterschiedlichen Ferientermine kaum ferienfreie Termine finden), desto weniger Termin-Rücksicht muss der Verwalter nehmen. Und: Je größer der Zeitraum zwischen Einladung und Versammlungstermin ist, desto geringer sind die Chancen für eine erfolgreiche Anfechtung.
(Den Wortlaut des Urteils des LG Karlsruhe vom 25. Oktober 2013 – 11 S 16/13 finden Sie in der GEV-Datenbank)
Die Verwalterin hat mit Schreiben vom 6. August 2012 zur Versammlung am 21. August 2012 eingeladen. In Baden Württemberg waren im gesamten August 2012 Schulferien.
Der Kläger ficht einige der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse an und macht Einladungsmängel geltend. Er habe die Einladung erst am 8. August 2012 erhalten, mithin sei die 2-Wochen-Ladungsfrist nicht eingehalten. Er habe außerdem zu diesem Zeitpunkt Urlaub in Spanien gemacht. Eine Nachbarin habe sich zwar um die Post gekümmert, dennoch habe er es nicht einrichten können, zur Versammlung zu erscheinen. Auch sei nach der Teilungserklärung die Versammlung im ersten Quartal durchzuführen.
Die beklagten anderen Mitglieder der Gemeinschaft erklären demgegenüber, die Einladung sei am 6. August 2012 und damit rechtzeitig abgesandt worden und bei Ihnen am 7. August 2012 eingegangen. Der Kläger habe außerdem erst am 20. August eine Verlegung der Versammlung beantragt.Das AG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger seit beweisfällig für die Behauptung geblieben, die Einladung sei erst am 8. August 2012 bei ihm eingegangen. Eine Versammlung der Ferienzeit sei auch zulässig. Auf die Berufung des Klägers hin gab das Landgericht der Klage in vollem Umfang statt.
Das Urteil: Das LG Karlsruhe hat die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt. Ausschlaggebend dafür war allerdings nicht, dass der Kläger möglicherweise die Einladung nicht innerhalb der Mindest-Ladungsfrist (§ 24 Abs. 4 WEG) erhalten hatte, denn die Teilungserklärung habe im konkreten Fall eine zulässige Zugangsfiktion enthalten (für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügte danach die Absendung der Einladung; abgesandt war die Einladung aber am 6. August 2012). Maßgeblicher Grund für die erfolgreiche Beschlussanfechtung war für das Landgericht, dass die Versammlung„zur Unzeit“ einberufen worden war.
§ 24 WEG sei abdingbar, die Gemeinschaft somit durch Vereinbarung – wie hier geschehen – einen bestimmten Zeitrahmen für die Versammlung vorschreiben. Daraus folge allerdings nicht, dass Beschlüsse, die auf einer Versammlung außerhalb des vereinbarten zeitlichen Rahmens stattfänden, zwingend für ungültig zu erklären seien.
Habe die Gemeinschaft allerdings einen bestimmten Terminrahmen für die Versammlung vereinbart, müsse der Verwalter bei einer Terminierung außerhalb dieses Zeitrahmens auf die Belange der Mitglieder in gesteigerten Maß Rücksicht nehmen. Nach der Teilungserklärung hätten sich die Mitglieder hier nämlich nur im ersten Quartal für eine Versammlung zur Verfügung halten müssen. Verlasse der Verwalter den vereinbarten Zeitrahmen, müsse er durch die Wahl des Zeitpunktes und die Gestaltung der Einberufung dafür sorgen, dass die Mitglieder von ihrem Teilnahmerecht - das ein Kernelement der Mitgliedschaft sei – auch Gebrauch machen können.Das gelte in gesteigerten Maße, wenn - wie im vorliegenden Fall – die Gemeinschaft aus einer überschaubaren Zahl von Personen bestehe und eine solche Rücksichtnahme ohne größeren Aufwand möglich sei. Insbesondere müsse die Verwaltung die Mitglieder ausreichend weit vor dem Versammlungstermin über die Versammlung unterrichten. Hier aber habe die Verwalterin in der denkbar kürzesten Frist zur Versammlung eingeladen.
Zudem habe die Verwalterin die Versammlung nicht so kurzfristig innerhalb der Sommerschulferien ansetzen dürfen. Zwar sei streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Versammlungen während der Schulferien überhaupt zulässig seien. Teilweise werde das für generell zulässig gehalten, andererseits nur auf dringliche Fälle beschränkt.
Leitender Grundgedanke müsse aber sein, dass der Versammlungszeitpunkt nicht das Teilnahmerecht der Mitglieder vereiteln dürfe.
Jedenfalls entspreche eine Versammlung in der typischen Reisezeit nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie mit ausreichendem Vorlauf angekündigt worden sei, weil auch Mitglieder ohne schulpflichtige Kinder aus vielerlei Gründen – z. B. Lehrerberuf des Mitglieds oder seines Partners, Kinder im Kindergarten, verpflichtender Urlaub wegen Betriebsschließung, schulpflichtige oder zu betreuende Enkelkinder – Rücksicht auf die Reisezeit nehmen müssten.
Bei der Frage, welcher zeitliche Vorlauf gerade noch angemessen wäre, legte sich die Kammer nicht fest. Allerdings: „Zwei Wochen genügen keinesfalls“. Ausnahme: Die Verwaltung hat auf andere Weise sichergestellt, dass die Mitglieder an einer kurzfristig innerhalb einer typischen Reisezeit angesetzten Versammlung teilnehmen können, oder wenn es sich um eine Angelegenheit von besonderer Dringlichkeit handele; beides habe nicht vorgelegen. Die Kammer sah sich allerdings veranlasst darauf hinzuweisen, dass Beschlüsse auf einer zur Unzeit anberaumten Eigentümerversammlung nicht in jedem Fall anfechtbar sind, sondern nur dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Fehler auf die Beschlussfassung ausgewirkt hat. Die Kausalität wird widerleglich vermutet; sie fehlt also nur, wenn feststeht, dass der betreffende Beschluss bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre. Die Beweislast dafür tragen die Mitglieder der Gemeinschaft, die den Beschluss gefasst haben. Die Kausalitätsvermutung könne nur mit den Nachweis widerlegt werden, dass der Beschluss mit Sicherheit inhaltsgleich gefasst worden wäre; auch hohe Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Berücksichtigt werde müsse nämlich, dass das Abstimmungsverhalten auch durch vorhergehende Diskussionen beeinflusst werden kann und dass eine Versammlung zur Unzeit das Teilnahmerecht einzelner Wohnungseigentümer verletzt und einen schweren Eingriff in den Kernbereich der Mitgliederrechte darstellt.
Anmerkung der Redaktion: Die Terminierung von Eigentümerversammlungen in der Ferienzeit birgt mithin grundsätzlich ein Anfechtungsrisiko – echte Eilfälle einmal ausgenommen. Andererseits ist es dem WEG-Verwalter wegen der Vielzahl der im Rahmen einer normalen Geschäftstätigkeit einer Fremdverwaltung anfallenden Termine bei der Anberaumung der Versammlung nur bedingt möglich, Rücksicht auf individuelle Termine, Ferienzeiten oder Ähnliches zu nehmen (vgl. Jeckstaedt, Die Eigentümerversammlung, Grundeigentum-Verlag 2013, Seite 46), weshalb die Einberufung in Ferienzeiten nicht mehr generell als zur „Unzeit“ gilt.
Als Faustregel können sich WEG-Verwalter merken: Je größer die Eigentümergemeinschaft ist und je weiter die Wohnsitze der einzelnen Eigentümer „verstreut“ sind (bei großen Eigentümergemeinschaften, deren Mitglieder noch dazu über viele Bundesländer verstreut sind, lassen sich wg. der unterschiedlichen Ferientermine kaum ferienfreie Termine finden), desto weniger Termin-Rücksicht muss der Verwalter nehmen. Und: Je größer der Zeitraum zwischen Einladung und Versammlungstermin ist, desto geringer sind die Chancen für eine erfolgreiche Anfechtung.
(Den Wortlaut des Urteils des LG Karlsruhe vom 25. Oktober 2013 – 11 S 16/13 finden Sie in der GEV-Datenbank)