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Nur für Gehwege, nie für Straßen
Winterdienst und Herbstlaubfegen für Anlieger
12.01.2014 (GE 1/14, 26) Die Straßenreinigung einschließlich des Winterdienstes ist Sache der Gemeinde, die sie auf die Anlieger abwälzt. In den Flächenstaaten geschieht dies durch Gemeindesatzung, die einer Ermächtigungsgrundlage bedarf; in Berlin ist dazu das Straßenreinigungsgesetz in der Fassung vom 18. November 2010 erlassen. Das Verwaltungsgericht Potsdam meint, dass eine Reinigungspflicht für Anlieger auch für Straßen immer unzulässig ist.
Der Fall: Die Klägerin war von der Gemeinde verwarnt worden, weil sie die ihr durch Satzung übertragene Reinigungspflicht einschließlich des Winterdienstes für die Straße nicht wahrgenommen habe. Die Straße hatte am Rand keinen Gehweg, sondern nur einen Grünstreifen; nach der Satzung war der Anlieger reinigungspflichtig. Die negative Feststellungsklage der Anliegerin war erfolgreich.
Das Urteil: Mit Urteil vom 26. September 2013 stellte das Verwaltungsgericht Potsdam fest, dass wesentliche Teile der Satzung gegen die Neufassung des § 49 a BbgStrG verstießen. So könne die Reinigung nur für Verkehrsflächen und nicht für Hydranten abgewälzt werden. Eine Verpflichtung bestehe auch nur für die übliche Reinigung, nicht die Beseitigung von sonstigem Unrat. Auch die Grünpflege sei ebenso wenig Sache der Anlieger wie die Abfallbeseitigung. Unabhängig davon verstoße die Satzung in weiten Teilen gegen Bundesrecht, indem sie den Winterdienst für Straßen auf die Anlieger abwälze. Nach § 25 StVO dürften jedoch Fußgänger nicht auf der Straße arbeiten, weil die Fahrbahnen ausschließlich dem Fahrzeugverkehr vorbehalten seien. Auch bei Fahrbahnen ohne Gehweg dürften Fußgänger nur am Rand laufen. Darüber hinaus verstoße die Satzung auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Bestimmtheitsgrundsatz. Eine Reinigungspflicht einschließlich Winterdienst bestehe also nicht.
Anmerkung: Das VG Potsdam hatte schon mit Urteil vom 9. Dezember 2010 (LKV 2011, 143) festgestellt, dass eine Übertragung des Winterdienstes für Straßen auf Anlieger unzulässig ist und sich dabei auf eine Auslegung des § 49 a BbgStrG a. F. gestützt (vgl. zustimmende Anmerkung von Dyllick/ Neubauer LKV 2011,144:„Fußgänger haben – mit oder ohne Schneeschaufel – auf der Fahrbahn einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße nichts verloren.“). Der Landesgesetzgeber nahm das zum Anlass, die Straßenreinigungspflicht neu zu regeln (von Dyllick/Neubauer LKV 2011, 544 als „Scheinnovelle“ bezeichnet). Das Verwaltungsgericht meint, dass auch die Neufassung keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für wesentliche Teile der Reinigungssatzung darstelle, und dass darüber hinaus auch ein Verstoß gegen Bundesrecht vorliege, das es verbiete, Fußgängern das Arbeiten auf der Straße vorzuschreiben. Wenn das zutrifft, ist das Urteil nicht nur für Brandenburg, sondern für alle anderen Bundesländer von erheblicher Bedeutung. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das brandenburgische Straßengesetz wurde vom Verfassungsgericht Brandenburg aus formellen Gründen als unzulässig verworfen, da sie nur unzureichend begründet war (Beschluss vom 16. November 2012, 65/12 - juris -). Zwingend erscheint die Auslegung von§25StVOdurchdasVerwaltungsgericht allerdings nicht, denn diese Norm regelt die Fortbewegung („wer zu Fuß geht“) und nicht das Betreten. Bis zur endgültigen Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht bleibt die Rechtslage daher zweifelhaft.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 1 /2014, 66)
Das Urteil: Mit Urteil vom 26. September 2013 stellte das Verwaltungsgericht Potsdam fest, dass wesentliche Teile der Satzung gegen die Neufassung des § 49 a BbgStrG verstießen. So könne die Reinigung nur für Verkehrsflächen und nicht für Hydranten abgewälzt werden. Eine Verpflichtung bestehe auch nur für die übliche Reinigung, nicht die Beseitigung von sonstigem Unrat. Auch die Grünpflege sei ebenso wenig Sache der Anlieger wie die Abfallbeseitigung. Unabhängig davon verstoße die Satzung in weiten Teilen gegen Bundesrecht, indem sie den Winterdienst für Straßen auf die Anlieger abwälze. Nach § 25 StVO dürften jedoch Fußgänger nicht auf der Straße arbeiten, weil die Fahrbahnen ausschließlich dem Fahrzeugverkehr vorbehalten seien. Auch bei Fahrbahnen ohne Gehweg dürften Fußgänger nur am Rand laufen. Darüber hinaus verstoße die Satzung auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Bestimmtheitsgrundsatz. Eine Reinigungspflicht einschließlich Winterdienst bestehe also nicht.
Anmerkung: Das VG Potsdam hatte schon mit Urteil vom 9. Dezember 2010 (LKV 2011, 143) festgestellt, dass eine Übertragung des Winterdienstes für Straßen auf Anlieger unzulässig ist und sich dabei auf eine Auslegung des § 49 a BbgStrG a. F. gestützt (vgl. zustimmende Anmerkung von Dyllick/ Neubauer LKV 2011,144:„Fußgänger haben – mit oder ohne Schneeschaufel – auf der Fahrbahn einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße nichts verloren.“). Der Landesgesetzgeber nahm das zum Anlass, die Straßenreinigungspflicht neu zu regeln (von Dyllick/Neubauer LKV 2011, 544 als „Scheinnovelle“ bezeichnet). Das Verwaltungsgericht meint, dass auch die Neufassung keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für wesentliche Teile der Reinigungssatzung darstelle, und dass darüber hinaus auch ein Verstoß gegen Bundesrecht vorliege, das es verbiete, Fußgängern das Arbeiten auf der Straße vorzuschreiben. Wenn das zutrifft, ist das Urteil nicht nur für Brandenburg, sondern für alle anderen Bundesländer von erheblicher Bedeutung. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das brandenburgische Straßengesetz wurde vom Verfassungsgericht Brandenburg aus formellen Gründen als unzulässig verworfen, da sie nur unzureichend begründet war (Beschluss vom 16. November 2012, 65/12 - juris -). Zwingend erscheint die Auslegung von§25StVOdurchdasVerwaltungsgericht allerdings nicht, denn diese Norm regelt die Fortbewegung („wer zu Fuß geht“) und nicht das Betreten. Bis zur endgültigen Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht bleibt die Rechtslage daher zweifelhaft.
(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 1 /2014, 66)
Autor: Rudolf Beuermann