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Auszug für mehr als ein Jahr unzumutbar
Härteeinwand des Mieters gegen Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters
11.01.2014 (GE 1/14, 21) Der Mieter braucht Modernisierungsmaßnahmen nicht zu dulden (Härteeinwand), wenn die Arbeiten mit einer Vollsanierung des Objekts verbunden sind, die einen Auszug aus der Wohnung für mehr als ein Jahr notwendig machen, so das Landgericht Berlin (zum inzwischen bundesweit bekannten Fall „Calvinstraße“): Gleichzeitig bekräftigte die Zivilkammer 63 ihre Rechtsprechung, wonach kein Anspruch auf Minderung wegen Baulärms besteht, wenn sich das Gebäude im innerstädtischen Bereich befindet und erwartet werden muss, dass Baulücken geschlossen werden.
Der Fall: Der Vermieter beabsichtigte eine umfassende Vollsanierung des Gebäudes und kündigte Modernisierungsmaßnahmen an, die einen Auszug des Mieters aus der Wohnung für etwa 14 Monate notwendig machten. Der Mieter widersprach unter Verweis auf Härtegründe. Widerklagend machte er Rückzahlung überzahlter Miete aufgrund einer Mietminderung wegen Baulärms und Schmutzbelästigung im Wohnhaus und Arbeiten in der Umgebung geltend. Das Amtsgericht wies die Klage hinsichtlich der Modernisierungsduldung ab und verurteilte auf die Widerklage wegen der Mietminderung. Das führte zur Berufung des Vermieters zum Landgericht.

Das Urteil: Das LG Berlin, ZK 63, bestätigte die Klageabweisung, änderte allerdings das angefochtene Urteil hinsichtlich der Höhe der Minderung ab. Modernisierungsduldung: Der Mieter sei derzeit nicht zur Duldung der streitgegenständlichen Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet. Ein Mieter sei nach dem hier gemäß Art. 229 § 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB noch anzuwendenden § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. nicht zur Duldung verpflichtet, wenn die Maßnahme für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen sei.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend aufgrund des erheblichen Umfangs der mit der begehrten Modernisierung zusammenhängenden Maßnahmen erfüllt. Denn je länger die zu duldenden Maßnahmen andauerten und je umfangreicher die Modernisierungsmaßnahmen seien, desto eher sei eine Härte anzunehmen.

Die vorübergehende vollständige Räumung einzelner Zimmer, ein Zwischenumzug oder ein Ausweichen käme ausnahmsweise nur in Betracht, wenn ganz besonders schwerwiegende Gründe für die Modernisierung sprechen würden. Vorliegend sei ausweislich der Modernisierungsankündigung eine Vollsanierung des Objektes, verbunden mit einem 14-monatigen Auszug der Mieter beabsichtigt. Eine Modernisierungsmaßnahme eines derartigen Umfangs sei für den Mieter nicht nur hart, sondern gehe insbesondere vor dem Hintergrund der mit den angekündigten Maßnahmen verbundenen mehr als einjährigen Wohnungsaufgabe weit über das Maß des Erträglichen und Zumutbaren hinaus. Das gelte erst recht angesichts der der Kammer bekannten sonstigen baulichen Maßnahmen, die das streitgegenständliche Gebäude bereits seit Jahren unmittelbar und mittelbar in einem nicht lediglich unerheblichen Umfang beträfen.

Es bestehe auch keine Duldungspflicht hinsichtlich einzelner Maßnahmen, weil den Mietern unterschiedslos für sämtliche Maßnahmen mitgeteilt worden sei, dass das Gebäude für einen langfristigen Zeitraum zu räumen sei. Sei der Mieter aufgrund der Modernisierungsankündigung insgesamt nicht zur Duldung verpflichtet, entstehe jedenfalls nicht ohne Ausspruch eines neuerlichen reduzierten Duldungsbegehrens - auch keine Duldungspflicht hinsichtlich einzelner Maßnahmen. An einer auf einzelne Maßnahmen reduzierten Modernisierungsankündigung fehle es. Sie sei aber wegen des dem Mieter im Falle einer Duldungsverpflichtung zustehenden Sonderkündigungsrechts unabdingbar. Mietminderung: Der Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete bestehe teilweise. Die geschuldete Miete sei wegen der Beeinträchtigungen durch Lärm und Schmutz und dem aufgrund der Umbauarbeiten im Haus erschwerten Zugang zur Wohnung teilweise gemindert.

Der Mietzinsanspruch des Vermieters sei jedoch wegen der Beeinträchtigungen durch Lärm und Schmutz infolge der Bautätigkeiten auf den Nachbargrundstücken und im Innenbereich zur Errichtung von Wohnhäusern und einer Tiefgarage nicht gemindert.

Es sei anerkannt, dass eine Mietminderung nicht gerechtfertigt sei, wenn schon bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar sei, dass mit Bautätigkeiten in der weiteren räumlichen Umgebung des Mietobjekts gerechnet werden müsse.

Der Mieter habe vorliegend mit einer weiteren Blockrandbebauung rechnen müssen. Das Grundstück, in dem sich die Wohnung des Mieters befinde, liege inmitten eines innerstädtischen Berliner Wohnquartiers in Tiergarten. Die zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses weiterhin bestehende lückenhafte Bebauung sei auf allgemein bekannte Gründe wie Kriegs- oder Kriegsfolgeschäden und zunächst unterbliebene Neubebauung zurückzuführen.

Der Umstand, dass die Baufläche kein Brachland, sondern gärtnerisch angelegt gewesen sei, stehe dieser Annahme nicht entgegen. Der Mieter habe dies nicht ohne Weiteres als endgültige Nutzung ansehen können. Ein durchschnittlicher Mieter habe bei Vertragsabschluss damit rechnen müssen, dass die Baulücke im innerstädtischen Bereich sukzessive bebaut würde und in Abhängigkeit von der Wohnungsmarktsituation geschlossen werde, zumal die Baulücke von allen Seiten mit Wohnquartieren umgeben sei, die zum Teil ebenfalls eine Blockinnenbebauung aufweisen. Vielmehr müsse ein durchschnittlicher Mieter bei offensichtlichen Baulücken im innerstädtischen Bereich grundsätzlich mit deren Bebauung rechnen.

Selbiges gelte für eine vorübergehende erhöhte Lärmbelastung. Hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Intensität das zu erwartende Maß etwa durch Nichteinhalten der technischen Normen und gesetzlichen Lärmgrenzwerte überschritten habe, seien nicht ersichtlich (BGH in GE 2013, 261).

(Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 1 /2014, 55)