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Wer was beweisen muß
24.11.2000 (GE 6/2000, 398) In etlichen Fällen sind Ansprüche nicht durchsetzbar, weil der Berechtigte die Beweispflicht nicht erfüllen kann. Obliegt einer Mietpartei die Beweislast, so trägt sie das Risiko, den Prozeß zu verlieren, wenn sie nicht in der Lage ist, die tatsächlichen Voraussetzungen für den von ihr geltend gemachten Anspruch zu beweisen. Eine Erleichterung kann im Einzelfall durch den Beweis des ersten Anscheins („prima-facie-Beweis“) gegeben sein.
Der „prima-facie-Beweis“ kommt in Betracht, wenn ein Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung eine bestimmte Folge zeitigt. Beispiele sind der Glatteisunfall bei mangelndem Streuen und der Kfz-Schaden bei einem unbeleuchteten Hotelparkplatz. Will der Schädiger den Beweis des ersten Anscheins ausräumen, so muß er den vollen Beweis dafür erbringen, daß es sich um einen atypischen Geschehensablauf handelt. Der prima-facie-Beweis ist auch im Mietrecht anwendbar. Grundsätzlich gilt, daß derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, die den Klageanspruch begründen. Im nachfolgenden wird auf die Beweislast bei verschiedenen mietrechtlichen Fragen eingegangen.

Einzelfälle der Beweislast
Berufen auf das AGB-Gesetz. Beruft sich der Mieter darauf, daß er den im Vergleich zur Individualabrede verstärkten Schutz des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) genießt, so muß er beweisen, daß es sich bei der Vereinbarung um eine Formularklausel handelt. Hat der Vermieter jedoch für den Abschluß des Vertrags einen Mustermietvertrag verwendet, dann wird das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgrund des Beweises des ersten Anscheins angenommen (BGH NJW 1992, 2160, 2162). Macht dagegen der Verwender eines Formularvertrages geltend, daß trotzdem die Vereinbarungen im einzelnen ausgehandelt worden sind (§ 1 Abs. 2 AGB-Gesetz), so ist er dafür beweispflichtig (BGHZ 83, 56, 58). Sind allerdings nachträgliche Einfügungen und Änderungen erfolgt, so begründet dies für die betroffene Vereinbarung aufgrund des prima-facie-Beweises das Vorliegen einer Individualabrede.

Bedeutung des Protokolls. Sinn des Protokolls bei der Übergabe der Räume ist es in erster Linie, spätere Streitigkeiten über das Vorhandensein und die Art von Schäden an der Mietsache zu verhindern. Bestätigt der Mieter durch seine Unterschrift in einem Abnahmeprotokoll bei seinem Auszug, daß bestimmte Mängel vorhanden sind, so kann er nicht mehr bestreiten, daß die Mietsache bei Vertragsende beschädigt ist. Er kann aber geltend machen, daß die Schäden bereits bei Beginn der Mietzeit vorlagen oder von ihm nicht zu vertreten sind. Soweit eine Besichtigung der Mietsache vor endgültiger Räumung erfolgt, sollte der Vermieter den Vorbehalt machen, daß eine abschließende Feststellung des Zustandes noch nicht möglich ist.

Instandsetzung und Schönheitsreparaturen. Beruft sich der Vermieter darauf, daß Schönheitsreparaturen und die Kostenübernahme bei Kleinreparaturen vertraglich auf den Mieter überwälzt worden sind, so trifft ihn hierfür die Beweislast. Entsprechendes gilt für die Übernahme anderer Verpflichtungen wie Nebenkosten. Unklare Formularklauseln sind unwirksam. Nach § 5 AGB-Gesetz gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Behauptet der Mieter trotz des Ablaufs des für Schönheitsreparaturen geltenden Fristenplans, daß ein Renovierungsbedarf noch nicht gegeben ist, so trifft ihn die Beweislast. Verlangt umgekehrt der Vermieter vor Ablauf des Fristenplans die Vornahme der Schönheitsreparaturen, so ist er für das Vorliegen des Bedarfs beweispflichtig.

Mangel der Mietsache bei Vertragsschluß. Hat der Mieter das Mietobjekt als vertragsgemäße Erfüllung angenommen, dann hat er für das Vorhandensein eines Mangels die Beweislast. Das ergibt sich aus der in § 363 BGB geregelten Umkehr der Beweislast. Danach ist allgemein ein Gläubiger beweispflichtig, wenn er die Leistung nicht als ordnungsgemäß gelten lassen will. Eine Klausel, durch die sich der Vermieter als Verwender eines Mustermietvertrages die Mangelfreiheit der Mietsache bestätigen läßt, ist nach § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz unwirksam.
Beweispflichtig dafür, daß der Mieter den Mangel bei Abschluß des Mietvertrages kannte oder grob fahrlässig von ihm keine Kenntnis hatte und daher mit Gewährleistungsrechten - insbesondere mit Mietminderung - ausgeschlossen wird (§ 539 BGB), ist der Vermieter. Entsprechendes gilt, wenn der Mieter seiner Pflicht zur Mängelanzeige gem. § 545 BGB nicht nachkommt. In diesem Fall muß der Vermieter auch nachweisen, von welchem Zeitpunkt an der Mieter Kenntnis vom Mangel hatte oder hätte haben müssen. Dagegen ist der Mieter für Rechtzeitigkeit der Mangelanzeige beweispflichtig.
Bestreitet der Vermieter die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft des Mietobjekts - z. B. Tragfähigkeit von Decken bei Gewerberaum -, so trägt der Mieter die Beweislast.

Schäden an der Mietsache. Nach § 11 Nr. 15 a AGB-Gesetz ist eine formularmäßige Klausel unwirksam, nach der der Mieter generell dafür beweispflichtig ist, daß bei einem Schaden ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgelegen hat (OLG München WM 1989, 128, 131).
Bei einem Schaden, der nicht allein durch die normale vertragsgemäße Abnutzung entstanden sein kann, hat der Mieter zu beweisen, daß die Verschlechterung der Mietsache nicht von ihm verschuldet worden ist.
Voraussetzung ist, daß eine Herkunft der Schadensursache nur aus dem Bereich in Betracht kommt, der seiner unmittelbaren Einflußnahme und Obhut unterliegt (OLG Karlsruhe ZMR 1984, 417). Demnach muß der Vermieter beweisen, daß die Ursache im Einflußbereich des Mieters lag. Er muß ausräumen, daß sie aus seinem Verantwortungsbereich und dem eines anderen Mieters herrührt. Ist dieser Beweis geführt, dann setzt die Beweispflicht des Mieters ein. Bei Feuchtigkeitsschäden im Mietobjekt obliegt dem Vermieter danach die Beweislast dafür, daß die Feuchtigkeit nicht von außen eindringt und ihre Ursache in Baumängeln hat. Wenn dieser Beweis geführt ist, dann hat der Mieter nachzuweisen, daß er alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen - insbesondere durch ausreichende Belüftung - getroffen hat, um den Schaden abzuwenden. Diese Beweislastregelung, die dem § 548 BGB entnommen wird, hat der BGH (Urteil vom 18. Mai 1994 - XII ZR 188/92 -, Versicherungsrecht 1995, 467) in einem Fall angewandt, bei dem streitig ist, ob die vermieteten Räume durch einen Brand in der Mietsache selbst beschädigt worden sind.

Entfallen der Mietzahlung. Nach § 552 S. 3 BGB ist der Mieter von der Pflicht zur Mietzahlung befreit, solange der Vermieter durch Überlassung an einen Dritten nicht in der Lage ist, ihm den Gebrauch der Mietsache zu gewähren. Beruft sich der Mieter auf den Wegfall der Verpflichtung zur Mietzahlung, so muß er nachweisen, daß das Gebrauchshindernis nicht seinem Risikobereich zuzuordnen ist.

Die Grundstücksveräußerung und Mietsicherheit. Verlangt der Erwerber eines Grundstücks vom Mieter die Leistung einer Sicherheit aufgrund einer Abrede des Mieters mit dem früheren Eigentümer, dann obliegt dem Erwerber der Beweis dafür, daß der Mieter hierzu verpflichtet ist. Falls der neue Eigentümer vom früheren Eigentümer die Herausgabe der Mietsicherheit geltend macht, hat ersterer zu beweisen, daß nicht verbrauchte Beträge vorhanden sind (OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1987, 786). Der Mieter, der vom Grundstückserwerber Rückgewähr einer an den Veräußerer geleisteten Mietsicherheit fordert, trägt die Beweislast dafür, daß der Erwerber sie erhalten hat. Richtet er seinen Anspruch gegen den Veräuße-rer, so hat er die Leistung an ihn nachzuweisen.

Untervermietung und Vermieterpfandrecht. Der Mieter ist bei der Untervermietung für die Erlaubnis des Vermieters beweispflichtig. Entsprechendes gilt für die Unpfändbarkeit der dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen des Mieters.

Kündigung und Rückgabe der Mietsache. Für den Zugang einer Kündigung trägt derjenige die Beweislast, der sie erklärt. Er hat auch die Kündigungsgründe zu beweisen. Beweispflichtig dafür, daß die Mietsache am Ende des Mietvertrages zurückgegeben worden ist oder der Vermieter sich bezüglich der Rückgabe in Annahmeverzug befindet, ist der Mieter.

Autor: Dr. Hans-Herbert Gather