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Nur mit legalen Tricks zu umgehen?
24.11.2000 (GE 6/2000, 389) Mietstopp bei Hausverkauf
Eine Mieterhöhung kann nur vom Vermieter geltend gemacht werden. Im Falle der Veräußerung eines Grundstücks wird der Erwerber erst mit der Eintragung im Grundbuch (neuer) Vermieter. Diese Eintragung erfolgt oft erst lange nach Abschluß des notariellen Kaufvertrages und nach Übergang von Nutzen und Lasten. Welche Auswirkungen die rigide Anwendung dieser Binsenweisheiten haben kann, zeigen zwei neue Urteile des Amtsgerichts Charlottenburg: Der Verkauf eines Hauses kann damit zu einem faktischen Mietenstopp führen.

Fall 1
Fall 1
Der Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 4. Februar 2000 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Verkäufer des Hauses hatte auf Zustimmung zur Mieterhöhung geklagt. Die Eintragung des Käufers ins Grundbuch erfolgte nach Einreichung, aber vor Zustellung der Klage. Das Gericht hielt den klagenden Verkäufer, der bei Einreichung der Klage noch Vermieter war, nicht für aktivlegitimiert, weil er zu dem nach Ansicht des Amtsgerichts entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr Vermieter gewesen sei. Entscheidender Zeitpunkt war für das Amtsgerichts der Tag der Zustellung der Klage, denn damit sei der Rechtsstreit erst anhängig geworden („Rechtshängigkeit“ nennen die Juristen das).
Auch eine Umstellung der Klage hält das Amtsgericht nicht für möglich, auch wenn sich die Beteiligten in dem „langgestreckten Verfahren“ des Eigentumserwerbs durch die laufende Klagefrist in einer gewissen Zwangssituation befänden. „Trost“ des Amtsgerichts: Der Vermieter sei ja nicht gezwungen, „gerade in diesem Moment einen Erhöhungsanspruch durchzusetzen.“
Der verfassungsrechtliche Anspruch des Vermieters auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist nach dieser Entscheidung auf gewisse Zeit ausgesetzt. Damit wird nicht nur Artikel 14 Grundgesetz verkannt, sondern auch § 571 BGB, denn nach einhelliger Auffassung soll die Rechtsposition des Mieters zwar durch die Veräußerung nicht verschlechtert werden, aber auch nicht verbessert.
AG Charlottenburg, Urteil vom 4. Februar 2000 - 24a C 295/99 -
Den Wortlaut des gesamten Urteils finden Sie abgedruckt in der Zeitschrift GE (Nr./Jahr/Seite) 6/2000, 411.

Tip vom Amtsrichter: Beim falschen Gericht klagen
Das Gericht selbst scheint bei seiner Entscheidung von „Bauchschmerzen“ geplagt gewesen zu sein, weshalb der Amtsrichter ans Ende seiner Entscheidung ein paar „Praxistips“ setzte, deren Nährwert gering ist. Der Hinweis des Amtsrichters beispielsweise, die zweimonatige Klagefrist des Miethöhegesetzes sei zum Zeitpunkt der Eintragung der neuen Eigentümer noch nicht abgelaufen, ist doch völlig praxisfern: Jeder weiß, daß das Grundbuchamt für die Benachrichtigung der Eintragung Wochen, wenn nicht gar Monate braucht, so daß der neue Eigentümer erst viel später aber der Hinweis, sich eines legalen Tricks zu bedienen und die Zustimmungsklage beim für solche Klagen unzuständigen Verwaltungsgericht einzureichen: Beim Verwaltungsgericht, das die Klage dann an das zuständige Gerichts abgibt, wird die Klage nämlich schon mit der Einreichung (und nicht erst mit der Zustellung) rechtshängig. Wir meinen: Eine überzeugende Gesetzesanwendung und Auslegung darf nicht auf solche Tricks angewiesen sein.

Fall 2
Fall 2
Der Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 21. Januar 2000 lag der umgekehrte Fall zugrunde, wonach der noch nicht im Grundbuch eingetragene Erwerber auf Zustimmung klagte. Auch hier wies das Amtsgericht die Klage ab, da der Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung vom bisherigen Vermieter/Eigentümer nicht an den Erwerber/künftigen Vermieter abgetreten werden könne. Auch die Ermächtigung im notariellen Kaufvertrag reiche nicht, denn der Käufer könne nicht im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft (die sogenannte gewillkürte Prozeßstandschaft ist die durch ein Rechtsgeschäft - einen Vertrag etwa - übertragene Prozeßführungsbefugnis im Gegensatz zur gesetzlichen Prozeßstandschaft) ein fremdes Recht im eigenen Namen einklagen.
Das hatte freilich der Bundesgerichtshof vor nicht allzu langer Zeit anders gesehen (GE 1998, 176). Allerdings erklärte das Amtsgericht dieses Urteil des Bundesgerichtshofs, das die Ermächtigung eines Grundstückskäufers zu Kündigungen und Herausgabeklage zum Gegenstand hatte, für nicht anwendbar. Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts dazu sind allerdings schlicht falsch, denn in dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Verkäufer den Käufer ermächtigt, im eigenen Namen zu kündigen, also ein unselbständiges und nicht abtretbares Gestaltungsrecht aus dem Mietvertrag wahrzunehmen. Es liegt damit ein vergleichbarer Fall zum Zustimmungsverlangen nach § 2 MHG vor (vgl. Bub/Treier/Schulz, Rdnr. III A, 362; Beuermann, Miete und Mieterhöhung, Rdnr. 71 zu § 2 MHG).
Wären die beiden Entscheidungen richtig, wäre bei Grundstücksverkäufen über einen längeren Zeitraum eine Mieterhöhung nicht möglich, weil der Verkäufer sie nicht mehr und der Käufer noch nicht durchsetzen kann.
Eine praxisnahe und verfassungsmäßige Auslegung müßte demgegenüber so verfahren: Bis zur Eigentumsumschreibung ist der Verkäufer befugt, ein Mieterhöhungsverlangen geltend zu machen und in der Folge auch einzuklagen. Die erworbene Rechtsposition geht auf den Erwerber über (LG Kassel, NJWE-Mietrecht 1996, 222), so daß nach Eintragung im Grundbuch dieser in den Rechtsstreit als neuer Kläger eintreten kann (sachdienliche Klageänderung). Erfolgt die Eigentumsumschreibung nach Rechtshängigkeit der Klage des bisherigen Eigentümers, kann dieser den Rechtsstreit fortführen mit der Änderung, daß der Mieter die Zustimmung zur Mieterhöhung gegenüber dem Erwerber zu erteilen hat. Das muß auch in den Fällen gelten, in dem die Eigentumsumschreibung vor Klagezustellung, aber nach Einreichung der Klage erfolgt ist. Wer hier § 265 ZPO nicht analog anwenden will, kann eine Ermächtigung des Veräußerers durch den Erwerber zulassen, das nunmehr auf den Erwerber übergegangene Recht weiterzuverfolgen. In allen Fällen ist eine solche Ermächtigung entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglich, die gerade für nicht abtretbare Gestaltungsrechte gilt. Die Ermächtigung ist allerdings offenzulegen, das heißt, der Mieter muß wissen, daß fremdes Recht wahrgenommen wird (BGHZ 94, 122).
AG Charlottenburg, Urteil vom 21. Januar 2000 - 24a C 322/99 -
Den Wortlaut des gesamten Urteils finden Sie abgedruckt in der Zeitschrift GE (Nr./Jahr/Seite) 6/2000, 412.