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Kopfstimmprinzip
Wie bei „Patchwork“-Verhältnissen zählen?
10.03.2009 (GE 05/2009, 288) Fragen & Antworten Sie fragen - Wir antworten!
Frage:
Zum Artikel „Zur Feststellung des Beschlussergebnisses bei Vereinbarungen zur Stimmkraft“ von Uni.-Prof. Dr. Dr. h.c. W. Merle, GE 2009, 90-96: Leider geht der Artikel nicht darauf ein, wie das Kopfprinzip anzuwenden ist, wenn Sonder- oder Teileigentumseinheiten mehr als einer Person oder gar einer GbR gehören. Mir erscheint es recht und billig, dass pro Einheit nur ein Kopf gezählt wird, aber, wie mich die langjährige Lektüre Ihrer Zeitschrift lehrt, kann es natürlich auch ganz anders sein.
                                                                       M. E. K., Berlin

Antwort:
1. Wie das Kopfprinzip anzuwenden ist, wenn einzelne Wohneinheiten mehr als einer Person oder gar einer GbR gehören, bestimmt das Gesetz in § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG selbst. Wenn es heißt, dass mehrere Mitberechtigte ihr Stimmrecht nur einheitlich ausüben können, bedeutet das zugleich, dass ihnen maximal auch nur eine Stimme zusteht, die allerdings nicht gezählt werden kann, wenn die Mitberechtigten sich untereinander uneinig sind und bei der Abstimmung in der Versammlung entgegengesetzte Erklärungen abgeben. Erörtert werden in der ziemlich einhelligen Rechtsprechung aber zumeist die Fälle, in denen – unter Geltung des gesetzlichen Kopfstimmrechts – ein und dieselbe Person in unterschiedlicher Form an mehreren Wohneinheiten beteiligt ist.
2. Juristische Personen und sonstige rechtsfähige Gemeinschaften als Inhaber von Wohnungseigentumsrechten zählen wie natürliche Personen. Wenn A eine oder mehrere Wohnungen innehat sowie als Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH eine oder mehrere weitere Wohnungen, dann hat er insgesamt zwei Stimmrechte. Wenn A, B und C je eine Wohnung haben und als rechtsfähige ABC- OHG zusammen eine weitere Wohnung, stehen ihnen vier Stimmrechte zu. Nachdem die Rechtsfähigkeit der GbR vom BGH anerkannt worden ist, gilt für die GbR dasselbe wie für die OHG. Es kommt hier für das Stimmrecht also immer darauf an, was die Rechtsordnung als selbständige natürliche oder juristische Personen ansieht.
Wenn ein und dieselbe Person in unterschiedlicher Weise mit anderen verschiedene Wohnungen besitzt, hat die Rechtsprechung erfreulicherweise ziemlich einhellig die Kriterien herausgearbeitet: Wenn die mehreren Personen jeweils identisch sind, werden die Gemeinschaften wie eine einzige natürliche Person behandelt (AG Hamburg-St. Georg, ZMR 2006, 81). Haben also A und B jeweils gemeinschaftlich drei Wohnungen, steht ihnen nach dem Gesetz nur eine Stimme zu, genauso wie sonst einer Person, die drei Wohnungen innehat. Besteht keine vollständige Personenidentität hinsichtlich der verschiedenen Wohnungen, zählt jede Wohnung extra. Besitzt also A eine Wohnung allein und in Gemeinschaft mit B eine weitere Wohnung, hat A ein Stimmrecht allein und zusammen mit B ein weiteres Stimmrecht (OLG Frankfurt, ZMR 1997, 156). Hat A eine Wohnung gemeinschaftlich mit B und eine Wohnung gemeinschaftlich mit C, der aber selbst allein eine dritte Wohnung besitzt, bestehen drei Stimmrechte für C, A/B und A/C.
Auch wenn A in einer A/B-GbR und in einer A/C-GbR jeweils Mehrheitsgesellschafter ist und die Stimmabgabe in beiden GbR allein beeinflussen kann, bleibt es für die Rechtsprechung bei zwei Stimmen (OLG Dresden, ZMR 2005, 894; für die Reduzierung auf eine Stimme in Missbrauchsfällen hier jedoch Prof. Merle in dem Großkommentar von Bärmann, WEG, 10. Auflage, § 25 Rn. 64). Wenn A nach der rechtswirksamen Realteilung einer ihm zusammen mit B gehörenden Wohnung ein abgeteiltes neues Wohnungseigentumsrecht allein erhält, wird beim Kopfstimmrecht angenommen, dass A zusätzlich eine volle Stimme erhält (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2004, 589 = ZMR 2004, 696; so auch Merle a.a.O. § 25 Rn. 39).
Allenfalls dann, wenn man als Motiv des Gesetzgebers für das Kopfstimmrecht annimmt, dass in einer Wohnungseigentümergemeinschaft jede Person nur eine Stimme haben soll, könnte man bei unterschiedlichen, aber jeweils überwiegenden Mehrheitsbeteiligungen über die vorgeschlagene Reduzierung der doppelten oder mehrfachen Stimmrechte diskutieren. Das würde aber die Beurteilung der Stimmrechtsverhältnisse durch den für die Auszählung verantwortlichen Verwalter, aber auch für die übrigen Wohnungseigentümer ganz erheblich erschweren. Deshalb ist m. E. doch die formale Betrachtungsweise vorzuziehen, dass jede GbR rechtlich selbständig ist und nur bei personenidentischer Zusammensetzung die Reduzierung auf eine Stimme stattfindet. Diese Stimmrechtsfragen waren aber nicht Gegenstand des Aufsatzes in GE 2009, 90 ff., wo es vor allem um die von der WEG-Reform eingeführten Beschlusskompetenzen und deren Abbedingung durch alte und neue Vereinbarungen der Wohnungseigentümer ging.
3. Auch wenn die unterschiedliche Behandlung dieser Konstellationen manchmal willkürlich erscheint, muss man sich Folgendes vor Augen halten: Der Gesetzgeber hat in der Wohnungseigentümergemeinschaft einen personenrechtlichen Verband gesehen und wollte eine Mehrheitsbildung nach Personen und nicht nach Wohnungen. Dennoch ist das gesetzliche Kopfstimmrecht abdingbar und wird wohl auch in den meisten Fällen durch das Objektstimmrecht (oder das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen) ersetzt. Selbst wenn alle Wohnungen nur Einzelpersonen zustehen, führt das gesetzliche Kopfstimmrecht zu ständig wechselnden Stimmrechtsverhältnissen, vor allem bei größeren Wohnanlagen. Ein Bauträger, der 100 Wohnungen errichtet und diese nacheinander verkauft, hat neben dem ersten und den weiteren 98 Erwerbern immer nur eine einzige Stimme. Werden später mehrere Wohnungen erneut in einer Hand vereinigt, verringert sich das Stimmrecht für diese Wohnungen wieder auf eine einzige Stimme. Demgegenüber schaffen sowohl das Objektprinzip als auch das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen stabile Stimmrechtsverhältnisse.
Autor: Die Frage wurde beantwortet von VRiKG a. D. Dr. Lothar Briesemeister