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Für öffentlich geförderten Wohnraum doch möglich
Zuschlag für Schönheitsreparaturen bei unwirksamer Vereinbarung im Mietvertrag
27.11.2008 (GE 22/2008, 1465) Der Vermieter öffentlich geförderten Wohnraums ist berechtigt, für die von ihm zu tragenden Schönheitsreparaturen Kosten gem. § 28 Abs. 4 II. BV anzusetzen, wenn die Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter fehlgeschlagen ist.
Der Fall: Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die in einem Mietvertrag über eine öffentlich geförderte Wohnung vereinbarte Abwälzungsklausel über Schönheitsreparaturen unwirksam war, erhöhte der Vermieter die Miete nach den Sätzen der Zweiten Berechnungsverordnung. Die Mieter verklagten daraufhin den Vermieter auf Feststellung, dass die von ihm wegen Unwirksamkeit der Klausel über die Überbürdung der Schönheitsreparaturen vorgenommene Erhöhung der Nutzungsgebühr unwirksam sei. Im Mietvertrag war vereinbart, dass die Mieter nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen Ausführungsart der Schönheitsreparaturen abweichen dürfen.

Das Urteil: Das AG Schöneberg wies die Klage als unbegründet ab. Die Berechtigung des Vermieters, nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WoBindG i. V. m. § 4 NMV 1970 eine Mieterhöhung zu verlangen, entfalle nicht dadurch, dass die ursprüngliche Klausel über die Ausführung der Schönheitsreparaturen im Mietvertrag unwirksam sei. Es bestehe nämlich kein sachlicher Grund, danach zu unterscheiden, ob die Mietvertragsparteien von vornherein die Schönheitsreparaturen nicht auf den Mieter übertragen hätten, oder ob sich nach Vertragsschluss herausstelle, dass die Abwälzung der Schönheitsreparaturen im Mietvertrag auf den Mieter unwirksam sei. Vielmehr könne in beiden Fällen unter den Voraussetzungen der §§ 10 Abs. 1 Satz 8 und 8 a WoBindG i. V. m. § 4 NMV 1970 eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgenommen werden. Dadurch werde auch der „Strafcharakter” des § 307 BGB (Inhaltskontrolle von Formularklauseln) nicht missachtet, denn der Vermieter könne gerade keine Mieterhöhung für einen früheren Zeitraum verlangen, sondern nur für die Zukunft.

Anmerkung: Das Urteil des AG Schöneberg ist noch nicht rechtskräftig. Ob bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel der Vermieter öffentlich geförderten Wohnraums (Sozialwohnungen) berechtigt ist, für die von ihm zu tragenden Schönheitsreparaturen Kosten gem. § 28 Abs. 4 II. BV anzusetzen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Bisher hat der BGH lediglich entschieden, dass der Vermieter preisfreien Wohnraums nicht berechtigt ist, im Fall der Unwirksamkeit einer Klausel zur Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter von diesem als Ausgleich eine Mieterhöhung in Form eines Zuschlags zur ortsüblichen Miete zu verlangen (Urteil vom 9. Juli 2008 - VIII ZR 181/07 - GE 2008, 1117 = WuM 2008, 560 = NZM 2008, 641). Grund dafür ist, dass bei preisfreien Wohnungen nach Ansicht des BGH auf diese Weise ein Kostenelement ohne Rücksicht auf seine Durchsetzbarkeit am Markt zur Begründung einer Mieterhöhung herangezogen werden würde. Daher dürfe bei preisfreien Wohnungen auch kein Zuschlag in Höhe der vom Mieter wegen der Unwirksamkeit der Abwälzungsklausel für Schönheitsreparaturen ersparten Kosten verlangt werden.
Hinsichtlich der Zulässigkeit eines Zuschlages könne auch nicht damit argumentiert werden, dass für die Überlassung einer möblierten Wohnung ein Möblierungszuschlag, für eine vereinbarte teilgewerbliche Nutzung ein Gewerbezuschlag und für die Untervermietung der Wohnung ein Untermietzuschlag vereinbart werden dürfe, denn insoweit handele es sich um die Abgeltung der vom Vermieter über die reine Wohnraumnutzung hinaus zugestandenen zusätzlichen Abnutzung.
Für die Zulässigkeit des gesetzlich vorgesehenen Zuschlags bei Sozialwohnungen spricht neben den Erwägungen des Amtsgerichts Schöneberg auch das Argument, dass im preisgebundenen Wohnraum – im Gegensatz zum freifinanzierten Wohnraum – Mietkalkulation und Mietzinsgestaltung deckungsgleich sind. Der Vermieter kalkuliert und gestaltet die Kostenmiete niedriger – nämlich ohne den Pauschalbetrag nach der II. BV –, weil auf den Mieter die Schönheitsreparaturen abgewälzt worden sind. Ist die entsprechende Klausel unwirksam, ist er berechtigt, die Miete wiederum so zu gestalten, wie sie ohne die Abwälzung berechtigt gewesen wäre, also durch Ansetzen des Pauschalbetrages für die Schönheitsreparaturen in einer neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung. Daher kann sich der Mieter auch nicht darauf berufen, dass der Vermieter mit diesem Kostenansatz gegen Treu und Glauben verstößt.
Der Zuschlag ist Berechnungsfaktor der gesetzlich zulässigen Miete, für die unerheblich ist, ob der Vermieter die Voraussetzungen für den Kostenansatz erst durch die dem Mieter gestellte unwirksame Schönheitsreparaturklausel ge¬schaffen hat. Durch den Kostenansatz für die Zukunft wird nicht eine zusätzliche Belastung des Mieters begründet, sondern die gesetzlich zulässige Miete für die Zukunft verlangt.

AG Schöneberg, Urteil vom 6. Juni 2008 - 17b C 295/07 - Wortlaut Seite 1495
Autor: Harald Kinne