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Manipulation am Mietspiegel
11.09.2008 (GE 17/2008, 1065) Dass das restriktive deutsche Mietrecht einige Hürden bereithält, um Mieterhöhungen zu erschweren, dürfte nicht nur den Vermietern in Deutschland bestens bekannt sein. Nun droht Berliner Vermietern eine weitere Verschlechterung. Es steht zur Diskussion, ob im nächsten Berliner Mietspiegel, der 2009 erscheint, die Möglichkeiten für eine Mieterhöhung stärker als bisher beschränkt werden.

Manipulation am Mietspiegel

Neu ist der Streit um den Mietspiegel nicht – schon kurz vor der Fertigstellung des derzeit gültigen Mietspiegels im Juli 2007 verweigerten die Berliner Mieterverbände eine weitere Mitarbeit. Die wohnungspolitischen Sprecher der SPD und der Linken standen damals wie heute hinter den Mieterverbänden und kündigten an, sich dafür einzusetzen, dass beim nächsten Mietspiegel alles besser für die Mieter wird. Hauptziel ist, Mieterhöhungen zu beschränken. Begründet wird das damit, dass die Mischung der sozialen Schichten in Berlin erhalten bleiben soll. Die Berechnungsmethoden des Mietspiegels sollen verändert werden. Anders ausgedrückt: Er soll manipuliert werden.
Noch einmal kurz zum Hintergrund des Streits: Der Mietspiegel dient dazu, eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete zu liefern und so Vermietern und Mietern zu helfen, eine marktübliche Miete zu bestimmen. Beim Berliner Mietspiegel handelt es sich um einen sogenannten qualifizierten Mietspiegel. Das heißt, er wird nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt. Je nach Lage, Art, Ausstattung, Größe und Alter einer Wohnung werden die Spannen der ortsüblich gezahlten Mieten veröffentlicht. Damit nicht außergewöhnlich hohe beziehungsweise niedrige Mieten das Bild verzerren, ist es üblich, Ausreißer nach oben und unten aus der Datensammlung zu entfernen.
Daran, wie viele der „Ausreißer“ nicht mitgezählt werden, erhitzen sich die Gemüter. Die Argumentation wird schnell sehr technisch und dreht sich um die Schlagworte „Vier-Fünftel-Spanne“ versus „Zwei-Drittel-Spanne“: In Berlin variierte die Spanne der einbezogenen Mieten bisher zwischen zwei Dritteln und vier Fünfteln. Im ersten Fall werden das obere und untere Sechstel beziehungsweise im zweiten Fall das obere und untere Zehntel nicht mit in die Ermittlung der Durchschnittsmiete einbezogen. Da in den neuen Mietspiegel nur Zahlen aus Mietverträgen einfließen werden, die in den vergangenen vier Jahren abgeschlossen wurden, wird befürchtet, dass es besonders viele teure „Ausreißer“ gibt. Den Mietervertretern wäre also mit einer Zwei-Drittel-Spanne gut gedient, da hier deutlich mehr teure Mieten unberücksichtigt bleiben würden als bei einer Vier-Fünftel-Spanne.
Nicht bedacht wird dabei: Der Mietspiegel ist keine Stellschraube, an der es sich beliebig drehen lässt – er soll Mietentwicklungen realistisch abbilden. Sinnvoll – und rechtlich sauber – verwertbar ist aber nur ein Mietspiegel, der ein realistisches Bild abgibt.
Ein qualifizierter Mietspiegel bildet vor allen anderen Methoden zur Ermittlung der Miethöhe die beste Basis für die Begründung oder Ablehnung von Mieterhöhungen. Bei einer Manipulation besteht die Gefahr, dass er auf dem Markt und vor Gericht nicht mehr als Vergleichsmittel anerkannt wird.
Noch ein weiterer Punkt macht das Vorhaben zu einer gefährlichen Sache: Wenn das Beispiel bundesweit Schule macht und weitere Hürden aufgebaut werden, verlieren Investitionen im Wohnimmobilienbereich allgemein an Attraktivität. Manche westdeutsche Kommune hat das inzwischen mit Wohnungsmangel bezahlt.
Autor: Jürgen Michael Schick (Vizepräsident Immobilienverband IVD)