Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

Archiv / Suche


Berliner Durchführungsvorschriften zur Energieeinsparverordnung
Neuregelungen bremsen energetische Modernisierung und treiben Kosten in die Höhe
11.09.2008 (GE 17/2008, 1075) Der Berliner Senat hat eine neue Berliner Durchführungsverordnung zu EnEV erlassen. Die Verordnung vom 17. Juli 2008 (GVBl. Berlin Seite 222, im Wortlaut Seite 1114 ff abgedruckt) löst die bisherige DVO von Ende 2005 ab und verursacht bei den Grundstückseigentümern mehr Verwaltungsaufwand und höhere Kosten, ohne dass dafür ein sachlicher Grund erkennbar ist. Die Durchführungsverordnung soll auf Landesebene sicherstellen und kontrollieren, dass Bauherren bei Neubau und Modernisierung die Bestimmungen der Energiesparverordnung (EnEV) beachten. Zentrale Neuerung ist die Einführung eines „Sachverständigen für energiesparendes Bauen“, der - sofern Gebäude in Berlin betroffen sind - in Berlin seinen Geschäftssitz haben muss und deftige Honorare in Rechnung stellt.
Die immobilienwirtschaftlichen Verbände Berlins (BBU, LFW, Haus & Grund Berlin) und die IHK Berlin haben im Vorfeld die Novellierung in der jetzigen Form entschieden abgelehnt. Die Verordnung stehe dem mit der Neufassung des Bauordnungsrechts in Berlin verfolgten Ziel, Bürokratie abzubauen und die Eigenverantwortung von Bauherrn und Eigentümern zu stärken, diametral entgegen.


Stundensatz von 74 Euro

Die Wohnungswirtschaft kritisiert an der Berliner EnEV-Durchführungsverordnung vor allem die Einführung einer neuen Spezies: die des „Sachverständigen für energiesparendes Bauen“ (vgl. Teil II der DVO). Während die neue Regelung die Prüfung der Einhaltung energetischer Vorschriften Berliner Ingenieuren (das dürfte gegen europäisches Recht verstoßen) vorbehält, konnte diese Aufgabe bislang auch von einer Vielzahl anderer qualifizierter Planer übernommen werden, beispielsweise den ausführenden Architekten. Dadurch blieb die Bauausführung in einer Hand. Das sparte den Bauherren Zeit und Kosten. Die neue Regelung führt hier einen kostentreibenden Bremsklotz ein. Die Sachverständigen für energiesparendes Bauen werden nach Zeit vergütet und müssen (!) je angefangener Stunde 74 Euro berechnen, wozu auch die Fahrtzeiten zählen (§ 14 Abs. 1, 2 EnEV-DVO Berlin).
Die neue Sachverständigenspezies muss nicht nur beschäftigt werden, wenn Gebäude errichtet oder geändert oder Außenbauteile wie Fassaden wärmegedämmt werden (§§ 1,2 EnEV-DVO Berlin), sondern auch dann, wenn Anlagen zur Beheizung, der Lüftung und Kühlung sowie der Warmwasserbereitung eingebaut, ausgetauscht, wesentlich erweitert oder umgerüstet werden – also immer (§ 3 EnEV-DVO Berlin).
Den Bezirksschornsteinfegern ist durch § 4 EnEV-DVO Berlin die Aufgabe zugewiesen, im Rahmen der Feuerstättenschau und der Immissionsmessungen zu überprüfen, ob noch unzulässige Heizungen betrieben werden oder Wärme- und Warmwasserleitungen noch nicht gedämmt sind. In diesen Fällen ist der Grundstückseigentümer schriftlich auf die Mängel hinzuweisen. Es wird ihm vom Schornsteinfeger eine Frist zu Mängelbeseitigung gesetzt. Wird der Grundstückseigentümer nicht tätig, muss der Schornsteinfeger ihn bei der Bauaufsicht anzeigen.
Die Durchführungsverordnung führt auch eine umfassende Dokumentationspflicht ein (§ 8 EnEV-DVO Berlin). Sämtliche Nachweise, Überwachungsberichte, Bestätigungen etc. sind – offenbar ad infinitum – aufzubewahren und auch beim Grundstücksverkauf weiterzugeben.


Energiesparen wird erschwert

Für die Verbesserung der Energieeffizienz der Berliner Wohnungsbestände ist die Verordnung zweifellos kontraproduktiv, denn energiesparende Modernisierungen werden durch mehr Verwaltungsaufwand und höhere Kosten nur zusätzlich erschwert. Eigentümer werden vermutlich Energiesparmaßnahmen zeitlich hinausschieben.
Nach Ansicht der wohnungswirtschaftlichen Verbände ist der Senat auch den Nachweis schuldig geblieben, dass die bisherige unbürokratischere Praxis nicht ausreichend gewesen wäre. Es sei daher nicht nachvollziehbar, welchen Nutzen sich der Senat von der neuen Sachverständigenregelung verspreche. Darüber hinaus sei die Regelung wettbewerbsfeindlich, weil sie die Ausübung der Sachverständigentätigkeit an einen Geschäftssitz in Berlin knüpfe. Darüber hinaus stifte die neue Regelung Verwirrung. Derzeit sei noch nicht einmal klar, welche Anforderungen die neuen Sachverständigen überhaupt erfüllen müssen.