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Da lacht auch nur die Sonne
BWB baut Berlins größte Solaranlage Leitungsnetzsanierung bleibt auf der Strecke
14.07.2008 (GE 13/2008, 816) Aus der Not eine Tugend gemacht haben die Berliner Wasserbetriebe. Kürzlich nahmen sie Berlins größte Solaranlage auf dem Flachdach des Wasserwerks Tegel in Betrieb.
Stolz und sicherlich mit heimlichem diebischem Vergnügen nahmen Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf und Jörg Simon, der Vorstandsvorsitzende der BWB, die Anlage in Betrieb, und die zur Eröffnung geladenen Journalisten durften sich die schönsten Märchen über Klimaschutz und regenerative Energien anhören, über Kohlendioxydvermeidung und Verstromung von Klärschlamm und weiß Gott nicht alles. Dabei steckt hinter der jetzt größten Photovoltaik-Anlage etwas ganz anderes: Die Berliner Wasserbetriebe fahren nämlich was die Leser dieser Zeitschrift wissen ihre Gewinne praktisch ausschließlich über die sogenannten kalkulatorischen Abschreibungen und die kalkulatorische Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals ein. Dieses betriebsnotwendige Kapital wächst mit jeder Investition. Die Differenz zwischen den Zinsen für die Kapitalbeschaffung solcher Investitionen und dem kalkulatorischen Zins, den die Wasserbetriebe ansetzen dürfen, liegt derzeit bei etwa 3,5 %. Davon lässt sich prächtig leben. Nun gehören Solaranlagen nicht unbedingt zu den Investitionen, die man tätigen muss, um Wasser zu liefern und Abwasser zu klären betriebswirtschaftlich wären sie ohne die kalkulatorische Verzinsung ein Minusgeschäft. Ein Hauptproblem der Berliner Wasserbetriebe mit Blick auf geplante Investitionen ist aber, dass die Bezirke sich nicht trauen, in größerem Umfang das Berliner Straßenausbaubeitragsgesetz anzuwenden. Viele Vorhaben, bei denen die Wasserbetriebe Wasser- und Abwasserrohre erneuern und damit ihr betriebsnotwendiges Kapital erhöhen könnten, liegen derzeit auf Eis. Also hat man eben stattdessen mal kurz Berlins größte Solaranlage gebaut. Die Berliner werden dafür gleich mehrfach zur Kasse gebeten: Zum einen müssen sie als Stromkunden durch höhere Stromentgelte die Einspeisungsgebühr für den von den BWB erzeugten Solarstrom bezahlen, zum anderen wird durch die Anlage auch der Wasserpreis wieder steigen dürfen. Mal sehen, wie Wirtschaftssenator Harald Wolf das seinen Genossen schmackhaft machen will.
Autor: Dieter Blümmel