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BGH bringt neuen Wind ins Verfahren um Gustav Sommer
26.06.2008 (GE 12/2008, 750) Man mag zu ihm stehen, wie man will: Dumm ist er jedenfalls nicht. Eher das genaue Gegenteil. Als der stadtbekannte und meist Immobilienhai genannte Immobilienhändler Gustav Sommer im Februar vergangenen Jahres wegen Untreue zu zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und gegen ihn ein vierjähriges Berufsverbot ausgesprochen wurde, berichteten alle Zeitungen der Hauptstadt in großer Aufmachung über den Prozess und den Prozessausgang. Aber Sommer ging in die Revision, und über deren Ausgang habe ich jedenfalls nirgendwo auch nur eine Zeile gelesen.
Das sei nun nachgetragen. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nämlich schon Anfang April dieses Jahres (genauer: am 2. April, es war also kein Aprilscherz, obwohl der eine oder andere von Sommer zur Ader Gelassene das mit Fug und Recht so empfinden mag) die Entscheidung des Berliner Landgerichts gegen Sommer, seine Ehefrau und seinen Sohn (sie waren zu Geldstrafen von 150 bzw. 90 Tagessätzen verurteilt worden) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Ob nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes Gustav Sommer nebst Familie überhaupt noch verurteilt werden kann, ist außerordentlich fraglich. In der Causa Sommer ging es rechtlich gesehen um das Problem der Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters für Kautionen bei Wohn- und Gewerberaum. Sommer, der in dem Verfahren als Hauptakteur galt, hatte die meist in bar eingenommenen Mietkautionen zunächst auf zwei Sonderkonten eingezahlt, aber diese beiden Sonderkonten ab einem bestimmten Zeitpunkt in eine Kontokorrentverbindung einbezogen, was dazu führte, dass zwischen sämtlichen Konten seiner Gesellschaft ein täglicher Ausgleich stattfand, mithin auf einigen Konten entstandene Negativsalden durch Guthaben aus anderen Konten (auch den Kautionskonten) ausgeglichen wurden. Damit war die jedenfalls für Wohnungskautionen gesetzlich geforderte Trennung der Kautionen vom sonstigen Vermögen nicht mehr gewährleistet. Als über das Vermögen einer der Sommer-Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, konnten Mieter ihre Kautionsansprüche nicht mehr realisieren, weil der Insolvenzverwalter die noch vorhandenen Guthaben hinterlegt hatte und sie nicht ausbezahlte. Das Landgericht hatte schon die Einzahlung der Kautionen auf die Kautionskonten als Untreue gewürdigt, und zwar sowohl bei Wohnraum- wie auch bei Gewerbeverhältnissen. Das sah der Bundesgerichtshof aber nicht so. Eine Vermögensbetreuungspflicht, deren Verletzung strafbar sei, gebe es nur bei der Wohnraummiete, wo eine gesetzliche Grundlage vorhanden sei (§ 551 Abs. 3 BGB); die fehle bei der Gewerberaummiete. Weil aber das Landgericht in keinem der angeklagten 201 Fälle aus seiner Sicht folgerichtig zwischen Wohnraum- und Gewerberaum-Kautionen unterschieden hatte, sich aber unter den 201 Fällen unzweifelhaft auch Gewerbemietverhältnisse befunden hatten, musste das Urteil insgesamt aufgehoben werden. Im Übrigen teilt der BGH die Auffassung des Landgerichts, schon die Einzahlung der Mietkaution auf ein vom Vermieter nicht vom sonstigen Vermögen getrennt gehaltenes Konto verwirkliche den Untreuetatbestand, ersichtlich nicht. Vielmehr müsse auch ein Vermögensnachteil entstanden sein. Dazu braucht zwar kein Geld in der Kasse zu fehlen, denn schon die Vermögensgefährdung reicht aus aber die tritt nicht schon dann ein, wenn Mietkautionen auf ein allgemeines Konto eingezahlt werden, sondern erst, wenn es wirklich Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung gibt. Das alles wird nun eine neue Wirtschaftsstrafkammer zu bewerten haben oder auch nicht, denn der 5. Strafsenat nutzte gleich noch die Möglichkeit, der Berliner Justiz eine schallende Ohrfeige wegen ihrer Trantütigkeit zu verpassen. Die Frage einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nämlich sei angesichts einer über neunjährigen Verfahrensdauer umfassend zu prüfen, und für die überlange Verfahrensdauer sei eine Kompensation festzulegen. Das heißt für Sommer und seine beiden Mitangeklagten: geringere Strafen bis hin zur Verfahrenseinstellung.
Autor: Dieter Blümmel