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Gagfah bietet „Flatrend“ gegen Mieterhöhung an
26.06.2008 (GE 12/2008, 752) Soll keiner mehr sagen, Immobilienleute dürften nicht erfinderisch sein, weil sie sowieso von allen Seiten durch Gesetze und Verordnungen in die Mangel genommen würden. Die Gagfah jedenfalls, das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen Deutschlands (180.000 Wohnungen), machte ihren Wohnungsmietern jetzt ein pfiffiges Angebot: die Wohnungs-Flatrent.

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Inhalt der den üblichen Telefon- und Internet-Flatrates in (für der englischen Sprache Mächtigen) schönem Wortspiel nachempfunden Flatrent: Wer monatlich 10 Euro mehr Miete zahlt, soll in den nächsten beiden Jahren keine Mieterhöhung mehr bekommen. Soviel – gesetzlich erlaubte – Kreativität (für diesen Zweck gibt es übrigens beim Grundeigentum-Verlag seit 20 Jahren schon ein Formular …) schmeckte den bestallten Mietervertretern gar nicht: „Amoralisch“, empörte sich Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips, sei das, die „Heuschrecke“ zeige ihr wahres Gesicht und wolle Millionen Euro an Mieterhöhungen abkassieren, ohne einen Anspruch darauf zu haben, denn die Gagfah biete auch Mietern die „Flatrent“ an, deren Miete heute schon über der ortsüblichen Vergleichsmiete läge. Dabei ist die einvernehmliche Mieterhöhung – und um nichts anderes handelt es sich hier – vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen und kann schon deshalb nicht amoralisch sein. Ganz abgesehen davon, dass die Gagfah damit sogar die gesetzliche Wartefrist von einem Jahr nach Mieterhöhungen glatt verdoppelt. Und wenn man mal – niedrig gegriffen – eine monatliche Durchschnittsmiete von 300 Euro nettokalt unterstellt, sind 10 Euro Mieterhöhung für zwei Jahre gerade mal 3,33 %, pro Jahr also 1,67 % - bei höheren Mieten würden diese Prozentsätze sogar noch sinken. Dass damit nicht einmal die Geldentwertung aufgefangen werden kann, wird dem promovierten Präsidenten des Deutschen Mieterbundes doch kaum entgangen sein. Einen solchen Vorgang „amoralisch“ zu nennen und ihn als „Bauernfängerei“ zu bezeichnen – seine Urheber also sozusagen zu „Gesetzlosen“ zu machen –, ist starker Tobak. Interessenvertreter, die bei jeder auf dem Arm sitzenden Fliege gleich mit dem Bulldozer darüber fahren, verschleudern ihr verbales Arsenal für Nichtigkeiten. Was bleibt dem Franz-Georg Rips noch an Steigerungspotential? Die nächste und letzte Stufe sind doch schon die Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Um im Flatrent-Jargon zu bleiben: „Cool down.“ Eine sachliche Erläuterung – dass nämlich in Deutschland niemand ein Vertragsangebot annehmen muss, es sei denn, es handelt sich um ein förmliches Mieterhöhungsverlangen – hätte es auch getan. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Rips ist ja seit Kurzem auch Vorsitzender des Berliner Mietervereins, der auf eine vergleichbare Aktion der Berliner GSW um Welten gelassener reagierte. Die GSW bot allen Mietern eine Änderung der Vereinbarungen über Schönheitsreparaturen an. Die bisherige Klausel sollte durch den schlichten Satz ersetzt werden: „Der Mieter trägt die Schönheitsreparaturen.“ Sonst würde die Miete angehoben. Hintergrund: Der Bundesgerichtshof hatte vor einiger Zeit entschieden, dass die von der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft üblicherweise benutzte Klausel wegen des darin enthaltenen „Ausführungsdiktats“ komplett unwirksam sei. Ob der Bundesgerichtshof aber als Ersatz für die unwirksame Klausel faktisch eine Mieterhöhung zulässt, ist noch offen – die Entscheidung dazu ist noch nicht verkündet. Der Berliner Mieterverein jedenfalls reagierte auf das GSW-Angebot professionell und kühl: Er riet den Mietern, der GSW „freundlich mitzuteilen“, dass man diese Entscheidung des BGH erst einmal abwarten und deshalb „vorerst“ nicht unterschreiben wolle. Geht doch!
Autor: Dieter Blümmel