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Ehrgeiziges Ziel weit verfehlt
Solardach-Hauptstadt Berlin bis jetzt ein Flop: Zu wenig Sonne, zu wenig Investoren
26.06.2008 (GE 12/2008, 765) Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte Ende 2007 den Senat beauftragt, alle geeigneten Dächer auf öffentlichen Gebäuden für Solaranlagen zur Verfügung zu stellen und dafür zu sorgen, dass in drei Jahren mindestens die Hälfte aller geeigneten Dächer mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet ist. Jetzt legte der Senat einen Zwischenbericht vor. Ergebnis: Bislang floppt das Vorhaben.
„Entsprechend dem Vorbild vieler privater Hausbesitzer in Berlin“ solle der Senat alle geeigneten Dächer auf öffentlichen Gebäuden verstärkt für Solaranlagen zur Verfügung stellen. Diese seien entweder einzeln über die Solardachbörse zu vergeben oder als Paketlösung an gewerbliche Investoren oder nach dem Vorbild privat finanzierter Photovoltaik-Anlagen durch den Berliner Solarverein e. V. an engagierte Bürger. Ziel: In drei Jahren solle „mindestens die Hälfte aller geeigneten Dächer mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet“ sein. Um das Ziel zu erreichen, sollten die Dächer möglichst mietfrei zur Verfügung gestellt werden. Die Nutzung erneuerbarer Energien aus Sonne, Wind, Erdwärme, Biomasse etc. sei im öffentlichen, gewerblichen und privaten Bereich „wo immer möglich durch genehmigungsrechtliche Vereinfachungen und Hilfe aktiv zu unterstützen.“ So lautete der Auftrag des Abgeordnetenhauses vom 6. Dezember 2007.
Der erste Bericht deutet an, dass das Ziel vielleicht in 30, aber jedenfalls nicht in drei Jahren erreichbar ist.
Bereits 2002 war die sog. Solarbörse als zentrales Angebot von Dächern – vorwiegend aus Bezirksbeständen, z. B. Schulen – eingerichtet worden, um solche Dächer an externe Investoren zu vergeben, die dort Photovoltaik-Anlagen aufbauen sollten. Im Rahmen dieser Solardachbörse wurden insgesamt 129 Dächer mit einer Dachfläche von rd. 219.000 m2 angeboten. Installiert wurden bisher in diesem Rahmen Photovoltaik-Anlagen lediglich auf zwölf Dächern, wobei einige der Dächer ursprünglich nicht einmal im Angebot waren. Schlussfolgerung des Berliner Senats: „Eine Beobachtung ist, dass in Berlin die Nachfrage nach Dächern durch Investoren geringer ist als das Angebot.“ Da man in einem marktwirtschaftlichen System Investoren nicht zwingen könne, solche Anlagen zu bauen, heiße das: „Das Ziel des Beschlusses, in drei Jahren mindestens die Hälfte aller geeigneten Dächer mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten, ist deswegen nicht realistisch.“
So einfach sei das auch alles gar nicht. Zunächst einmal müssen sich die Dächer öffentlicher Gebäude dafür überhaupt eignen. Dazu seien bestimmte wirtschaftliche, technische und rechtliche Hintergründe aufzuarbeiten. Es müsse eine gute Statik für die Zusatzlast da sein, der Zustand der Dachdeckung müsse gut sein, und das Dach dürfe nicht verschattet werden.
Im übrigen müsse bedacht werden, dass allein das Suchen nach geeigneten Dächern schon einen erheblichen Aufwand mit sich bringe, weshalb man beispielsweise den Bezirken die minimalen Einnahmen aus der Vermietung der Dächer auch belassen müsse – Mietfreiheit wird es also wohl nicht geben.
Schließlich: Wolle man das Angebot an Dächern öffentlicher Gebäude deutlich erweitern, müsste man zusätzliche personelle und finanzielle Mittel einsetzen; das sei aber unwirtschaftlich, wenn sich nicht in gleicher Größenordnung Investoren fänden, die Photovoltaik-Anlagen installierten. Auf dieser Seite fehlt es ganz offensichtlich an Nachfragern: „Für überregionale Investoren stellt die in Berlin um bis zu 15 % geringere Solarstrahlung gegenüber Süddeutschland ein objektives wirtschaftliches Hemmnis dar“, so der Senat.
Was die vom Abgeordnetenhaus geforderte allgemeine Unterstützung bei der Nutzung verschiedener erneuerbarer Energien betreffe, sei es wohlfeil, pauschal genehmigungsrechtliche Vereinfachungen zu fordern. Erstens sei das Genehmigungsrecht zum Teil Bundesrecht, und zweitens bestünden bei der Nutzung erneuerbarer Energien teilweise Konflikte zu anderen Umwelt- bzw. Rechtsgütern. Beispielsweise stehe die Nutzung der Erdwärme im Konflikt mit Grundwasser- und Bodenschutz, die Verfeuerung von Biomasse (Holz, Holzpellets) wegen der Feinstaub-Emissionen im Konflikt mit den Zielen der Luftgüte, die Nutzung der Windenergie kollidiere in der Regel mit Natur- und Landschaftsschutz, und der Einsatz von Solaranlagern werde vom Denkmalschutz kritisch bewertet.
Oder, um es mit Friedrich Schiller (Walleinstein) zu sagen: „Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit; leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.“