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BGH ebnet Weg für Energiesparmaßnahmen
In das Nachbargrundstück ragende Wärmedämmung ist bei gemeinsamer Giebelwand zu dulden
13.06.2008 (GE 11/2008, 702) Der Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand, der an diese nicht oder noch nicht vollständig angebaut hat und derzeit auch nicht anbauen will, muss Wärmedämmungsmaßnahmen des anderen Teilhabers dulden, wenn diese dazu führen, dass der freie Bereich der Wand einen den heutigen Erfordernissen entsprechenden Standard der Wärmedämmung erhält. Dies gilt auch dann, wenn die Isolierung in das Grundstück des Duldungspflichtigen hineinragt, entschied der BGH.
Der Fall: Kläger und Beklagter sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Eine gemeinsame Giebelwand der Häuser steht auf der Grundstücksgrenze und ragt einige Zentimeter in das jeweilige Nachbargrundstück, wobei das Haus des Klägers 1,4 m länger und auch höher ist als das des Beklagten, so dass der obere Teilbereich der Giebelwand nur vom Haus des Klägers genutzt wird. Im freien Fassadenbereich will der Kläger eine 14 cm dicke Wärmedämmung und darauf Schieferplatten aufbringen. Er verlangt vom Beklagten, dass er die Fassadenverkleidung und das dafür erforderliche Aufstellen eines Gerüsts auf seinem Grundstück duldet. Das AG hatte die Klage abgewiesen, das LG ihr stattgegeben. Der BGH hat die vom Landgericht zugelassene Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil: Der BGH entschied, der Kläger habe einen Anspruch auf Duldung des Anbringens der Fassadenverkleidung (§§ 922 Satz 4, 745 Abs. 2 BGB). Bei der auf der Grundstücksgrenze stehenden Giebelwand handele es sich um eine Nachbarwand (halbscheidige Giebelmauer) und damit um eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB. Dass das Haus des Beklagten die Wand nicht vollständig nutze, sei in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie die Eigentumsverhältnisse an der Giebelmauer (weshalb der BGH auch von Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand spricht).
Wie eine solche Giebelwand genutzt werden dürfe (Benutzungsrecht), ergebe sich aus ihrer Beschaffenheit. Eine Nachbarwand sei objektiv wie auch von ihrer Zweckrichtung dazu bestimmt, dass jeder der beiden Nachbarn sie in Richtung auf sein eigenes Grundstück durch Anbau nutzen könne. Nach diesen Grundsätzen hätte aber nur der Beklagte eine aus seiner Sicht sinnlose Wärmedämmung aufbringen dürfen.
Um die Wahrnehmung dieses Benutzungsrechts handele es sich jedoch bei der vom Kläger beabsichtigten Wärmedämmung nicht, sondern vielmehr um eine Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 745 BGB. Diese Vorschrift gelte aufgrund der Verweisung in § 922 Satz 4 BGB auch auf den Fall der Nachbarwand. Nach § 745 Abs. 2 BGB könne der Kläger die Duldung des Anbringens der Fassadenverkleidung verlangen, weil sie dem beiderseitigen Interesse nach billigem Ermessen entspreche.
Der BGH wies darauf hin, dass die vom Berufungsgericht analog herangezogenen Vorschriften zur Grenzwand (eine Grenzwand steht im Alleineigentum eines Eigentümers) des Nordrhein-Westfälischen Nachbarrechtsgesetzes nicht einschlägig seien, weil bei Grenzwänden kein Mitbenutzungsrecht bestehe. Die neue BGH-Entscheidung lässt sich also nicht ohne weiteres auf Fallgestaltungen mit Grenzwänden übertragen.
Für untauglich im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Eigentümern von Nachbargrundstücken hielt der BGH auch die Überlegungen des Berufungsgerichts, eine Wärmedämmung entspreche dem Allgemeinwohl, weil Energie eingespart werde.
Entscheidend für den Duldungsanspruch und die Interessenabwägung sei vielmehr, dass die geplante Wärmedämmung die Giebelwand in einen den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand versetze. Anders als noch vor 100 Jahren errichte man heute kein Wohnhaus mehr mit ungedämmten Ziegelsteinaußenwänden. Es entspreche deshalb dem Interesse eines jeden vernünftig denkenden Teilhabers an einer solchen Wand, sie so nachzurüsten, dass sie in Funktion und Aussehen dem allgemein üblichen Standard entspreche. Es gehe also nicht nur um das Interesse des Klägers an einer besseren Dämmung der Wand. Deshalb komme es auch nicht darauf an, ob das Anbringen einer Innendämmung im Haus des Klägers eine technische Alternative wäre.
Abschließend wies der BGH noch auf drei Dinge hin:
1. Der beklagte Nachbar müsse die Verkleidung der Fassade nur so lange dulden, wie er eigene Anbaupläne nicht verwirklichen wolle. Wünsche er selbst anzubauen, müsse der Kläger die Fassadenverkleidung auf eigene Kosten wieder entfernen.
2. Der Kläger müsse die Kosten der Wärmedämmung in diesem Falle alleine tragen, obwohl bei Baumaßnahmen an gemeinsamen Wänden normalerweise beide Parteien die Kosten im Zweifel je zur Hälfte zu tragen haben. Es entspreche aber ihren Interessen, nur den mit den Kosten zu belasten, für den sich die Wärmedämmung auszahle.
3. Für das Recht, ein Gerüst aufzustellen, braucht man in solchen Fällen nicht auf das in den Landesnachbarrechtsgesetzen üblicherweise geregelte Hammerschlags- und Leiterrecht zurückzugreifen. In den Fällen einer gemeinsamen Giebelwand ergibt sich der Anspruch aus §§ 922 Satz 4, 745 Abs. 2 BGB (Durchführung der Verwaltungsmaßnahme).
BGH, Urteil vom 11. April 2008 - V ZR 158/07 - Wortlaut Seite 725
Das Urteil: Der BGH entschied, der Kläger habe einen Anspruch auf Duldung des Anbringens der Fassadenverkleidung (§§ 922 Satz 4, 745 Abs. 2 BGB). Bei der auf der Grundstücksgrenze stehenden Giebelwand handele es sich um eine Nachbarwand (halbscheidige Giebelmauer) und damit um eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB. Dass das Haus des Beklagten die Wand nicht vollständig nutze, sei in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie die Eigentumsverhältnisse an der Giebelmauer (weshalb der BGH auch von Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand spricht).
Wie eine solche Giebelwand genutzt werden dürfe (Benutzungsrecht), ergebe sich aus ihrer Beschaffenheit. Eine Nachbarwand sei objektiv wie auch von ihrer Zweckrichtung dazu bestimmt, dass jeder der beiden Nachbarn sie in Richtung auf sein eigenes Grundstück durch Anbau nutzen könne. Nach diesen Grundsätzen hätte aber nur der Beklagte eine aus seiner Sicht sinnlose Wärmedämmung aufbringen dürfen.
Um die Wahrnehmung dieses Benutzungsrechts handele es sich jedoch bei der vom Kläger beabsichtigten Wärmedämmung nicht, sondern vielmehr um eine Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 745 BGB. Diese Vorschrift gelte aufgrund der Verweisung in § 922 Satz 4 BGB auch auf den Fall der Nachbarwand. Nach § 745 Abs. 2 BGB könne der Kläger die Duldung des Anbringens der Fassadenverkleidung verlangen, weil sie dem beiderseitigen Interesse nach billigem Ermessen entspreche.
Der BGH wies darauf hin, dass die vom Berufungsgericht analog herangezogenen Vorschriften zur Grenzwand (eine Grenzwand steht im Alleineigentum eines Eigentümers) des Nordrhein-Westfälischen Nachbarrechtsgesetzes nicht einschlägig seien, weil bei Grenzwänden kein Mitbenutzungsrecht bestehe. Die neue BGH-Entscheidung lässt sich also nicht ohne weiteres auf Fallgestaltungen mit Grenzwänden übertragen.
Für untauglich im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Eigentümern von Nachbargrundstücken hielt der BGH auch die Überlegungen des Berufungsgerichts, eine Wärmedämmung entspreche dem Allgemeinwohl, weil Energie eingespart werde.
Entscheidend für den Duldungsanspruch und die Interessenabwägung sei vielmehr, dass die geplante Wärmedämmung die Giebelwand in einen den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand versetze. Anders als noch vor 100 Jahren errichte man heute kein Wohnhaus mehr mit ungedämmten Ziegelsteinaußenwänden. Es entspreche deshalb dem Interesse eines jeden vernünftig denkenden Teilhabers an einer solchen Wand, sie so nachzurüsten, dass sie in Funktion und Aussehen dem allgemein üblichen Standard entspreche. Es gehe also nicht nur um das Interesse des Klägers an einer besseren Dämmung der Wand. Deshalb komme es auch nicht darauf an, ob das Anbringen einer Innendämmung im Haus des Klägers eine technische Alternative wäre.
Abschließend wies der BGH noch auf drei Dinge hin:
1. Der beklagte Nachbar müsse die Verkleidung der Fassade nur so lange dulden, wie er eigene Anbaupläne nicht verwirklichen wolle. Wünsche er selbst anzubauen, müsse der Kläger die Fassadenverkleidung auf eigene Kosten wieder entfernen.
2. Der Kläger müsse die Kosten der Wärmedämmung in diesem Falle alleine tragen, obwohl bei Baumaßnahmen an gemeinsamen Wänden normalerweise beide Parteien die Kosten im Zweifel je zur Hälfte zu tragen haben. Es entspreche aber ihren Interessen, nur den mit den Kosten zu belasten, für den sich die Wärmedämmung auszahle.
3. Für das Recht, ein Gerüst aufzustellen, braucht man in solchen Fällen nicht auf das in den Landesnachbarrechtsgesetzen üblicherweise geregelte Hammerschlags- und Leiterrecht zurückzugreifen. In den Fällen einer gemeinsamen Giebelwand ergibt sich der Anspruch aus §§ 922 Satz 4, 745 Abs. 2 BGB (Durchführung der Verwaltungsmaßnahme).
BGH, Urteil vom 11. April 2008 - V ZR 158/07 - Wortlaut Seite 725